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Der Logos in Philosophie und Theologie: Johannes Hartl vom Gebetshaus Augsburg im Gespräch

Johannes Hartl

Der renommierte Theologe und Philosoph Johannes Hartl spricht im Interview mit CNA Deutsch über den zentralen Begriff des Logos in der klassischen Philosophie und Theologie und seine Bedeutung für die Vorstellung einer objektiven Wirklichkeit. Hartl beleuchtet, inwiefern dieser Begriff auch für die heutige Theologie relevant ist und welche Rolle er im Dialog mit den philosophischen Strömungen der Neuzeit, insbesondere der Aufklärung, spielen kann.

Das Konzept des Logos hat in der klassischen Philosophie und christlichen Theologie eine zentrale Rolle gespielt. Wie interpretieren Sie die Bedeutung des Logos in Bezug auf die Idee einer objektiven Realität, und inwiefern ist diese Interpretation in der modernen Theologie noch relevant?

Die Philosophie des 20. Jahrhunderts ist Sprachphilosophie. Sie hat die Bedeutung des Wortes für die Erkenntnis in den Mittelpunkt ihres Interesses gerückt. Sie versteht sich spätestens seit Kant jedoch als metaphysikkritisch, vielleicht sogar nachmetaphysisch. Von „objektiver Realität“ zu sprechen, ist philosophisch ziemlich aus der Mode gekommen. Dass postmoderner Relativismus aber auch nicht die Lösung sein kann, liegt auf der Hand. Die Theologie hat anregende Gesprächspartner in jenen Philosophen, die die Einseitigkeiten der Postmoderne erkennen und nach Wegen suchen, über die Wahrheit und das Gute auch dort zu sprechen, wo gewisse metaphysische Vorannahmen nicht mehr oder noch nicht wieder nachvollzogen werden können.

Der von Wilhelm von Ockham begründete Nominalismus führte seit dem Mittelalter zu einer Verschiebung des Denkens von allgemeingültigen, objektiven Wahrheiten hin zu individuellen Begriffen und Kategorien. Seine Lehren haben damals übrigens auch Martin Luther beeinflusst. Wie hat sich dieser Wandel Ihrer Meinung nach auf die Fähigkeit der Theologie ausgewirkt, universelle Wahrheiten zu verkünden?

Auch der – bereits vor Ockham beginnende – Nominalismus (und natürlich auch Luther) verkündet ja universelle Wahrheiten. Meine Vermutung ist, dass der im Zuge der Aufklärung popularisierte Szientismus und Naturalismus, zur vorherrschenden Weltanschauung der Gebildeten geworden, nach und nach christliche Dogmen unglaubwürdig erscheinen ließ. Christliche Verkündigung hat es kaum vermocht, diesem Megatrend wirklich etwas entgegenzusetzen. Für die Schwäche der christlichen Verkündigung scheint mir dieser Zusammenhang jedoch direkter als der mit dem Nominalismus.

Der Nominalismus und der Verlust des Glaubens an universelle Ideen werden oft als Wegbereiter der Aufklärung und des modernen Skeptizismus angesehen. Würden Sie zustimmen, dass diese philosophischen Entwicklungen auch den Boden für den heute vorherrschenden Relativismus bereitet haben?

Ja, hier verläuft eine deutlich wahrnehmbare, abschüssige Bahn. Industrialisierung und der politische Strukturwandel in der Neuzeit waren als Faktoren aber mindestens genau so stark beteiligt.

Die Philosophie der Aufklärung betont die Autonomie des Individuums und den Vorrang der Vernunft. Inwieweit sehen Sie in dieser Strömung eine Schwächung theologischer Prinzipien, insbesondere im Hinblick auf die Rolle des Gewissens und objektiver moralischer Wahrheiten?

Der Philosoph der Aufklärung schlechthin, Immanuel Kant, hat sowohl die Rolle des Gewissens als auch die Objektivität moralischer Wahrheiten hoch gehalten. Kant als Subjektivisten zu deuten, hieße, ihn gründlich misszuverstehen. Allerdings weist die Aufklärung insgesamt sowohl Glauben als auch Moral streng in die Schranken des Rationalen. Hier wird der Intellekt überschätzt. Denn unser moralisches Empfinden orientiert sich bei weitem nicht nur an Vernunftkategorien. Es lebt von einer Vorstellung des gelungenen Lebens, von eingeübten Tugenden, von Vorbildern und Geschichten: all das ist zwar nicht nur objektiv, aber ganz definitiv auch alles andere als nur subjektiv.

Inwiefern sehen Sie in der Rückbesinnung auf die klassische Philosophie und das Logos-Prinzip eine Möglichkeit, den Herausforderungen der neuzeitlichen Aufklärungsphilosophie zu begegnen, insbesondere im Hinblick auf ihren Einfluss auf die Theologie?

Theologie sollte immer im Dialog mit der Philosophie der Gegenwart sein, doch auch die Philosophie erfindet sich nicht ständig neu, sondern ist ein durch die Jahrhunderte fortlaufender Prozess. Wichtig erscheint mir, dass sowohl der volkstümliche Relativismus als auch der szientistische Naturalismus auf Grundlage der heutigen Philosophie leicht als unglaubwürdig entlarvt werden können.

Wie könnte die gegenwärtige christliche Theologie in einer Zeit, die stark von den Idealen der Aufklärung geprägt ist, eine Brücke schlagen zwischen der Notwendigkeit der Autonomie des Individuums und der Anerkennung einer göttlichen Ordnung?

Nur ein verzerrtes Bild der Aufklärungsphilosophie stellt dieses Problem überhaupt in dieser Schärfe. Bei Kant gibt es durchaus den Bezug zur Transzendenz, wenn auch nur als, allerdings notwendiges, Postulat. Und der Gedanke der Mündigkeit des Individuums ist ja ein ganz wichtiger. Allerdings stellen sich mündige, autonome, vernunftgeleitete Menschen Fragen nach dem gelungenen Leben. Die Fragen stellen sich von selbst, wenn das Leben kompliziert wird. Bei Viktor Frankl gibt es die wunderschöne Formulierung von der „tragischen Trias“, die unsere oberflächlichen Sinnkonstrukte entlarvt. Es sind die Erfahrungen von Schuld, Leiden und Tod, die uns Menschen unweigerlich mit dem konfrontieren, was wir nicht wegrationalisieren oder kontrollieren können. Die Aufklärung hatte sehr wichtige Aspekte. Doch sie überschätzt unsere Fähigkeit, alles intellektuell zu durchdringen und letztlich kontrollieren zu können. Das Leben ist aber nicht so.

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