Redaktion, 20 November, 2024 / 4:00 PM
Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat überraschend an einer Kundgebung des Betroffenenbeirats von Missbrauchsopfern im Bistum Aachen teilgenommen. Der Betroffenenbeirat hatte zuvor deutliche Kritik an Dieser geübt, der zugleich Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist.
Wie die Rheinische Post berichtete, stand die Veranstaltung am Montagabend in Aachen unter dem Motto „Ein Grund, sich zu schämen“ – ein Zitat von Papst Franziskus.
Laut Informationen der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost waren der Grund für die Demonstration zwei Schmerzensgeldklagen wegen Missbrauch, die vor Gericht scheiterten, weil das Bistum Aachen eine „Einrede auf Verjährung“ stellte.
Gegenüber der Rheinischen Post sagte Dieser zu seiner überraschenden Teilnahme an der Demonstration des Betroffenenbeirats: „Ich muss als Bischof bei den Menschen sein und hören, was gesagt wird. Ich will den Menschen abseits des Podiums Rede und Antwort stehen und mit ihnen ins Gespräch kommen.“ Er hielt bei der Kundgebung allerdings keine eigene Rede.
In einer Stellungnahme erklärte der Betroffenenbeirat: „Dem auf Anstand und Ruf bedachten Beklagten soll nicht die Möglichkeit genommen werden zu zeigen, dass die Schuld gar nicht besteht […]. Wenn er schuldet, soll er auch zahlen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass sich Bischof Dr. Dieser auf die Einrede der Verjährung berufen hat, zumal er nach dem Kölner Urteil im Fall Menne die Betroffenen ermunterte den Klageweg zu beschreiten.“
Die Kirche scheine sich „in Wahrheitsfragen allgemein für kompetenter zu halten als das staatliche Gericht, ansonsten hätte Bischof Dieser ja auf die Einrede der Verjährung verzichten können, wie er es auch Betroffenen gegenüber schon zugesagt hat“.
Gegenüber der Tagespost antwortete das Bistum auf die Frage, warum man auf Verjährung bestanden habe, dass mit der Einrede auf Verjährung das Angebot eines Mediationsverfahren verbunden gewesen sei. Nach eigenen Angaben hatte das Bistum damit den Betroffenen eine öffentliche Verhandlung ersparen wollen. Dabei hätte, nach Zustimmung von Kläger und Gericht, ein unabhängiger Mediationsrichter über eine Einigung entschieden. Dieses Mediationsverfahren scheiterte laut dem Bistum aber am Aachener Gericht – das Personal habe gefehlt.
Zudem könne der Bischof in solchen Fällen nicht allein entscheiden, sondern müsse bei Rechtsgeschäften über 100.000 Euro die Beispruchsgremien Vermögensrat und Konsultorenkollegium hinzuziehen, hieß es in einer Pressemeldung des Bistums. Diese beiden Gremien hätten „jede einzelne Klage in ihrer Besonderheit unter verschiedenen Gesichtspunkten gewürdigt“ und deshalb in einem Fall für die Einrede auf Verjährung gestimmt.
„Vor Gericht dient die Verjährungseinrede dazu, das Bistum vor nicht mehr aufklärbaren Forderungen zu schützen. Die Kläger sind in einem höheren Alter und hatten ausreichend Zeit, ihre Forderungen rechtzeitig geltend zu machen“, so Christof Wellens vom Vermögensrat im Bistum Aachen.
Insgesamt habe das Bistum bis Ende Oktober schon 3,5 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen an Betroffene gezahlt, deren Anträge von der Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) auf Plausibilität geprüft wurden, hieß es. Dabei gebe es keine Höchstgrenze für Zahlungen an Betroffene.
Ein UKA-Verfahren führt keine juristische Aufarbeitung durch, sondern lediglich eine grobe Prüfung der Plausibilität von Vorwürfen. Dabei wird durch das Bistumsarchiv recherchiert, ob zeitliche und örtliche Angaben der Betroffenen mit den vorhandenen Unterlagen übereinstimmen.
„Anders als bei unseren Leistungen aus dem UKA-Verfahren sind wir als Bistum in einem Klageverfahren Partei und müssen uns als solche verhalten. […] Die Vergleichsvorschläge des Gerichts haben wir in zwei Fällen vorbehaltlos angenommen“, sagte Dieser.
Das Bistum Aachen stand im vergangen Jahr schon einmal in Sachen Missbrauch in der Kritik. Mitte Oktober 2023 veröffentlichte die Diözese die Namen von 53 verstorbenen Tätern und mutmaßlichen Tätern sexuellen Missbrauchs, wie das Kölner Domradio damals berichtete. Kritiker bemängelten eine unzureichende Vorbereitung und fehlende Informationen für Gemeinden. Manche sahen in der Maßname eine „Schaufensterpolitik“. Zudem hatten die Beschuldigten nicht mehr die Möglichkeit, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen.
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