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Kirchenhistoriker Bock: Nicht 1968 prägte die Kirche, sondern die 1970er Jahre

Leere Kirche in Deutschland

Der Bochumer Kirchenhistoriker Florian Bock sieht nicht das Jahr 1968, sondern die späten 1970er Jahre als den eigentlichen Wendepunkt der jüngeren katholischen Geschichte. Insbesondere der Exorzismus-Fall von Anneliese Michel zeige, wie tief die Spannungen zwischen konservativen und progressiven Kräften damals reichten.

„Es dürfte klar geworden sein, dass wir es in den ausgehenden 1970ern – mehr und anders als um 1968 – mit einer Umbruchszeit zu tun haben“, erklärte Bock in seiner Analyse auf dem Portal feinschwarz.net.

Das Beispiel der aus Klingenberg am Main stammenden Studentin Anneliese Michel, an der 1975 und 1976 der letzte offiziell genehmigte Exorzismus in Deutschland vorgenommen wurde, sei dabei ein Schlüssel zum Verständnis dieser Umbruchsphase.

„Besonders interessant ist dabei, dass die Dämonen, die Michel heimsuchten, ihrerseits die ‚Synode‘ oder sogar ‚Pfarrgemeinderäte‘ als einen Hauptgegner für den katholischen Glauben ausmachten“, so Bock. Diese Tonbandaufnahmen aus den Exorzismussitzungen seien kirchenhistorisch von erheblicher Aussagekraft, weil sie das Misstrauen konservativer Milieus gegenüber kirchlichen Reformprozessen spiegelten.

Im Fall der 1976 verstorbenen Anneliese Michel aus Klingenberg am Main wurden während 67 Exorzismussitzungen umfangreiche Tonbandaufnahmen angefertigt. Diese enthielten angeblich Aussagen von Dämonen, die sich scharf gegen kirchliche Änderungen des Zweiten Vatikanischen Konzils richteten – insbesondere gegen die Handkommunion, Volksaltar und Pfarrgemeinderäte.

Der damalige Bischof Josef Stangl aus Würzburg genehmigte im Jahr 1975 den Exorzismus, den der Salvatorianerpater Arnold Renz durchführte.

Bock betonte, der Eindruck einer Instrumentalisierung der schwer erkrankten jungen Frau dränge sich auf. „Sowohl ihrer traditionalistischen Familie als auch Michels Exorzisten dürfte eine progressive akademische Theologie, die nahezu zeitgleich den Teufel als personifiziertes Böses abschaffen wollte, suspekt gewesen sein“, sagte er. Damit stehe der Fall exemplarisch für die theologischen Frontlinien jener Jahre.

Anders als gemeinhin angenommen, beginne die kirchliche Gegenwart jedoch nicht mit den Studentenprotesten und der Enzyklika Humanae vitae, sondern mit dem, was nach der Würzburger Synode geschah.

„Die Phase der Diskussionseuphorie wich der Ernüchterung“, so Bock. „Während sich die progressiven Katholik:innen eine ‚Kirche von unten‘ dachten, gelang es den beharrenden Kräften des Katholizismus, auf struktureller Ebene stärker als zuvor Tritt zu fassen.“

Zudem wies er darauf hin, dass der Tod von Kardinal Julius Döpfner im Jahr 1976 und der Amtsantritt von Joseph Ratzinger in München eine neue Richtung markierten.

„Mit dem überraschenden Tod Kardinal Julius Döpfners (1913–1976), Erzbischof von München und Freising, im Jahr 1976 ging ein moderat reformerischer Kurs auf amtskirchlicher Ebene zu Ende“, sagte Bock. „Sein Nachfolger Joseph Kardinal Höffner (1906–1987) leitete relativ schnell einen konservativeren Kurs ein […].“ Der Entzug der Lehrerlaubnis für Hans Küng 1979 und das Scheitern der Berufung von Johann Baptist Metz seien Ausdruck dieser Wende gewesen.

Bock sieht darin die Geburtsstunde der heutigen kirchlichen Polarisierung: „Diese These übernehme ich und erweitere sie dahingehend, dass auf das anfängliche Schweigen im katholischen Feld aber recht schnell eine Frustration einsetzte, die ihrerseits zu immer geringeren Hemmschwellen zwischen – archetypisch – katholischer ‚Linken‘ und ‚Rechten‘ führte“, schrieb er.

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