Redaktion, 08 Dezember, 2025 / 9:00 AM
Gott will jedem Menschen begegnen, um ihn zu erlösen und ihm seine Liebe zu schenken. Kardinal Anders Arborelius, der Bischof von Stockholm, macht klar, dass diese Aussage für ihn nicht abstrakt oder belanglos ist, sondern „eine große Aufgabe der Kirche“. Bei einer Veranstaltung des Erzbistums Köln gab er Empfehlungen zur Umsetzung.
Anlass war das 50-jährige Jubiläum des päpstlichen Schreibens Evangelii nuntiandi. Dominik Heringer, der Priester und Lehrstuhlinhaber für Kirchengeschichte an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie ist, berichtete zunächst über die Entstehung dieses „bedeutendsten Lehramtsdokumentes nach dem Konzil“. Es handelte sich um das erste „postsynodale Schreiben“ der Kirchengeschichte, so Heringer. Es erschien am 8. Dezember 1975 wenige Wochen nach der dritten ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode.
Diese verabschiedete damals eine Sammlung von Vorschlägen, aber kein Schlussdokument. Dafür richtete sie die Bitte an den Papst, ein eigenes päpstliches Dokument zu erstellen, berichtete Heringer. Bei der Bischofssynode sei es „wie nie zuvor gelungen, die weltkirchlichen Stimmen zu Gehör zu bringen“.
Evangelii Nuntiandi habe eine „gute Aufnahme“ in der weltweiten Kirche gefunden, sagte er. Der Begriff „Evangelisierung“ sei in einem sehr weiten Sinn verwendet worden und habe Erstverkündigung, Katechese, Seelsorge, und Weltzeugnis umfasst. „Es zeigt darüber hinaus den roten Faden der Konzilstexte“, betonte Heringer. Papst Johannes Paul II. habe hervorgehoben, dass dieses Schreiben die Bedeutung vieler Enzykliken übertreffe. Und Papst Franziskus bezeichnet das Schreiben sogar als die „Magna Carta der Evangelisierung“, das Wichtigste, das jemals über Fragen der Pastoral geschrieben worden sei.
Kardinal Arborelius stellte am Wochenende eine außerordentliche persönliche Nähe zum Thema Evangelisierung unter Beweis. Er verzichtete auf theologische Erörterungen und versetzte sich stattdessen intensiv in die Berichte über die besondere Art, wie Jesus den Menschen begegnete. Deshalb legte er den 120 anwesenden Teilnehmern sowie den Zuschauern der Online-Übertragung zuerst nahe, selbst Jesus zu begegnen und sich von ihm verwandeln zu lassen.
„Um zu evangelisieren, müssen wir zuerst selbst evangelisiert werden – mit Hilfe des Geistes, mit Hilfe der Spiritualität“, sagte er. „Wir brauchen die Weisheit und die Gaben des Heiligen Geistes, um das Evangelium glaubwürdig vermitteln zu können.“ Menschen könnten in ihrem innersten Wesen dort am besten erreicht werden, wo sie am verletzlichsten und zugleich am offensten für Gott sind. „Deshalb müssen wir selbst zuerst ganz offen für den Geist sein und in seinem Dienst stehen.“
Wie wichtig dem Kardinal die besondere Art ist, mit der Jesus den Menschen begegnete, ging aus seinen mahnenden Worten hervor. Der Sohn Gottes sei Mensch geworden, „um jedem Menschen als der einzigartigen Person zu begegnen, die er oder sie ist“. Jesu Blick habe auf ihnen geruht, Jesu Ohren hätten ihnen zugehört, Jesu Mund habe zu ihnen gesprochen. „Wir sind eingeladen, den Menschen auf dieselbe Weise zu begegnen“, betonte Arborelius.
Das Herz der Menschen mit dem Evangelium berühren zu können, gelinge nur durch die eigene unauflösliche Vereinigung mit Jesus. Deshalb ging der Kardinal ganz intensiv auf das Verhalten Jesu ein.
„Oft hört man Menschen sagen, dass sie sich nicht gesehen fühlen. Das Evangelium ist genau die frohe Botschaft, dass Gott jeden Menschen mit unendlicher Liebe anschaut“, sagte er. „Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden, um jeden Menschen mit seinem rettenden Blick anzusehen.“ Schon durch seinen Blick schenkte er ihnen seine Gnade und Fürsorge. Er sehe jeden als einzigartiges Geschöpf an.
Jesus kenne zwar die Schwächen und Sünden, die verborgenen Wunden der Menschen, doch sein Blick sei immer heilend. Als Beispiel nannte er die Begegnung Jesu mit der samaritanischen Frau. „Wenn wir das Evangelium aufmerksam und nachdenklich lesen, lernen wir zu verstehen, wie Jesu Blick Menschen verwandeln kann.“
Er schaue die Menschen an, um das Beste, das tief in ihnen verborgen sei, hervorzulocken. „Durch seinen Blick wachsen wir und werden emporgehoben.“ Deshalb wolle der von ihm berührte Mensch um jeden Preis seinen Blick erwidern.
„Evangelisierung kann geschehen, wenn wir Menschen mit Jesu Blick ansehen und das Beste und Schönste in ihnen hervorlocken“, so Arborelius. Durch ihre Augen könnten die Menschen Jesu liebevollen Blick vermitteln. Dazu machte er besonders Mut, denn „das Evangelium ist nicht abgeschlossen. Es setzt sich in unserem Leben fort!“
Der Kardinal hob anschließend ein zweites Merkmal Jesu hervor, nämlich das Zuhören. „Viele Menschen unserer Zeit begegnen nie jemandem, der Zeit und Lust hat, ihnen zuzuhören und sich in das hineinzuversetzen, was sie bewegt.“ Die Begegnung mit Gott sei ein gegenseitiges Zuhören. „Maria ist das Urbild des hörenden Menschen. Natürlich sehen wir diese Grundhaltung auch in Jesus selbst.“ Und der Kardinal wies eindringlich darauf hin: „Im Evangelium sehen wir, wie Jesus in jeder Begegnung versucht, in das innere Wesen des Menschen hineinzuhören und zu erkennen, wonach er sich sehnt und worauf er hofft.“
„Das Evangelium muss den Menschen genau dort erleuchten und heilen, wo er am offensten, bedürftigsten und verletzbarsten ist“, betonte Arborelius. „Je stiller und hörender wir im Gebet werden, desto mehr können wir Gottes Liebe empfangen und von ihr erfüllt werden.“
Als drittes Merkmal Jesu betonte er schließlich das Sprechen. In der Stille, im Empfangen lerne der Christ viel mehr darüber, wer Gott ist und was er ihm sagen möchte. Deshalb empfahl der Kardinal, im inneren Gebet zu üben und zu lernen, „Gottes stille Ansprachen zu hören, die oft fast unhörbar und doch deutlich und klar sind“.
Evangelisierung sei immer Dialog. „Das Evangelium muss ausgesprochen und vermittelt, aber auch empfangen und fruchtbar werden.“ Deshalb sei es wichtig, zuerst selbst vom Evangelium verwandelt zu werden. „Besonders in unserer Zeit hungern viele danach, gesehen und gehört zu werden. Wir müssen dies immer respektieren, wenn wir einem Menschen persönlich begegnen, den wir mit Jesu Liebe erreichen möchten.“
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, sagte in seiner per Video übertragenen Grußbotschaft, Evangelisierung sei „die große Aufgabe, von der wir als Kirche in unserer Zeit stehen“. Für eine erfolgreiche Evangelisierung braucht es Dreierlei: Erstens das gut verantwortete Nachdenken darüber, wie die Weitergabe des Glaubens gelingen könne; zweitens die Nähe und den erfahrbaren Beistand des Herrn im Gebet und in den Sakramenten; und drittens das Hinausgehen in die Welt. Es bestehe ein enger Zusammenhang von Reflexion, Gebet und praktischer Missionsarbeit.
„Der gemeinsame Aufbruch als missionarische Jüngerinnen und Jünger ist mir ein besonderes Herzensanliegen, das durch nichts zu ersetzen ist“, sagte Woelki. „Ich habe Sehnsucht nach einer Kirche im Aufbruch – einer Kirche, in der wir aus der Eucharistie und der Heiligen Schrift gemeinsam leben und glauben. In der wir als missionarische Jüngerinnen und Jünger alle Menschen, die mit uns gehen, mit Jesus Christus in Kontakt bringen.“
Die Veranstaltung unter dem Motto „Taten und Worte – Inspirationen aus Evangelii Nuntiandi“ wurde gemeinsam vom Erzbischöflichen Missionarischen Priesterseminar Redemptoris Mater Köln, einer vom Neokatechumenalen Weg geführten Einrichtung, sowie dem Katholischen Bildungswerk Köln und dem Bereich Strategie und Evangelisierung im Erzbischöflichen Generalvikariat Köln durchgeführt.
Daniel Weisser, der Fachbereichsleiter im Erzbischöflichen Generalvikariat, betonte gegenüber CNA Deutsch: „Das 50-jährige Jubiläum von Evangelii nuntiandi ist für uns kein Anlass zu einem nostalgischen Blick zurück, sondern zur Frage: Wie können wir das päpstliche Schreiben heute umsetzen?“ Das Erzbistum habe dazu bewusst kein wissenschaftliches Symposium veranstaltet, sondern den Tag unter den Titel „Taten und Worte“ gesetzt.
Nach den Vorträgen teilten sich die 120 Anwesenden in Gruppen auf: zwei befassten sich strategisch mit dem Thema, darunter mit Konzepten zur Evangelisierung in pastoralen Einheiten; vier Gruppen setzten es nach einer kurzen Aussendungsfeier praktisch um mit Straßenaktionen und dem Besuch eines Altenheims.
In der Kölner Innenstadt beteiligten sich einige an einer Nikolausaktion, andere veranstalteten auf dem benachbarten Weihnachtsmarkt ein Adventssingen. Dazu wurden kleine Schoko-Nikoläuse und Einladungen zum Abschlussgottesdienst verteilt. Eine weitere Gruppe traf sich in einer Seitenkapelle der Basilika St. Aposteln zur eucharistischen Anbetung mit Fürbittgebet. Nach der Rückkehr berichteten Teilnehmer über ihre Eindrücke und Erfahrungen.
In einem Interview mit dem Kölner Domradio trug Kardinal Arborelius das Thema „Evangelisierung“ in eine breitere Öffentlichkeit. Durch Taufe und Firmung seien alle Katholiken Zeugen des Evangeliums, sagte er. „Evangelisierung ist eine Aufgabe für jede getaufte Person, denn durch mein Leben mit Christus kann ich anderen Menschen helfen, ihn und seine Frohe Botschaft zu finden.“ Das zeige sich in seiner Heimat Schweden, einer sehr säkularen Gesellschaft, deutlich.
„Wir merken, dass sich immer mehr Menschen für die Kirche interessieren, auch junge Leute. Das säkulare Klima hat auch positive Folgen: Die Menschen sind einfach nicht zufrieden, allein mit dem Materiellen und dem, was Spaß macht. Sie verlangen nach mehr!“ Viele lernten als Erwachsene den Glauben kennen durch die Heiligen, die Mystiker, das Gebet und die Spiritualität.
„Paradoxerweise hilft die hedonistische Gesellschaft den Menschen dabei, die Innerlichkeit zu entdecken.“ Es sollte für jeden Christen etwas Natürliches sein, einfach durch das alltägliche Leben die Zuversicht aufscheinen zu lassen, die der Glaube gebe, betonte der Bischof von Stockholm.
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