Vatikanstadt, 14 Januar, 2016 / 1:08 PM
Schon die Ansprache von Papst Franziskus beim Neujahrsempfang an die ausländischen Diplomaten, die im Vatikan akkreditiert sind, enthält einen Verweis darauf: Es geht um den ersten humanitären Weltgipfel, der von den Vereinten Nationen einberufen wurde.
Der Gipfel wird in Istanbul am 23. und 24. Mai dieses Jahres stattfinden – und auch für die Entwicklung der Menschenrechte ein wichtiger Moment sein; ein Thema, für das sich der Heilige Stuhl besonders einsetzt.
Die zur UN gehörenden Staaten und viele Nichtregierungsorganisationen beteiligen sich: Es gab eine "Vorversammlung" zum Gipfel, die vom 14. bis 16. Oktober vergangenen Jahres in Genf stattfand. Sie nannte sich "Globale Konsultation" und stellte die Vorbereitung auf den Gipfel dar.
Fünf Handlungsbereiche, von “Würde” bis “Sicherheit”
Im Treffen wurden fünf Handlungsbereiche skizziert: Würde, Sicherheit, Resilienz, Zusammenarbeit und Finanzen. Das heißt: wie kann man die Würde der Menschen, die humanitäre Hilfe erhalten, verbessern; wie kann man ihre Sicherheit implementieren; wie einen positiven humanitären Trend schaffen; wie kann man die verschiedenen NROs in Zusammenarbeit verbinden und auf welche Weise kann man sie finanzieren.
Kampf um vermeintliche “neue” Menschenrechte aus der Gender-Ideologie
Es handelt sich um einen weitreichenden Einsatz. Der Kampf des Heiligen Stuhles ist es, die Würde der Menschen zu bewahren, dabei aber zweideutige diplomatische Entschlüsse zu vermeiden. In den Begriff "Menschenwürde" werden nämlich oft sogenannte “neue Rechte” mit eingeschlossen, vor allem hoch problematische Forderungen der Gender-Ideologie. Der Heilige Stuhl wird darauf abzielen, einen Ansatz zu stärken, der auf der menschlichen Natur und dem humanitären Völkerrecht gründet und jede Art von Ideologisierung beiseite lässt, auch und gerade von Gender.
Das ist der Ansatz, den die Kirche seit jeher vertritt. Der Heilige Stuhl, der unter den ersten Unterzeichnern des Übereinkommens über Streumunition von Dublin im Jahr 2008 war, hat ein besonderes Recht auf Unterstützung der Opfer einfügen lassen, das bis dato in den internationalen Abkommen nicht vorgesehen war. Es handelte sich um eine Neuerung mit starkem Einfluss im Humanitären Völkerrecht. In der Phase der Verhandlungen wurde diese Neuerung mit einem kleinen Zusatzparagraphen ergänzt, der die Anerkennung "Hilfe zu leisten auf Grundlage des Alters und der Gendersensibilität der Opfer von Streumunition und sich besonders den verletzbareren Gruppen zu widmen" vorsah.
Das ist die Art und Weise, wie Ideologien ins Völkerrecht eingeschmuggelt werden. Teile der Diskussion zum Thema fanden schon in der Vorversammlung in Genf statt und es ist voraussehbar, dass es weitere geben wird.
Völkerrecht und die Konsequenzen von Kriegen
Trotzdem – und gerade deshalb - handelt es sich auch um einen wichtigen Moment für den Heiligen Stuhl, einen Beitrag zur Entwicklung der Funktionsweise des humanitären Systems in der Welt zu leisten. Angesichts des Scheiterns der Vereinten Nationen, die nur selten eine produktive Rolle in den Kriegsgebieten spielen, scheint die Entwicklung des Völkerrechts das einzige Mittel zu sein, zu versuchen, den Krieg "menschlicher" zu machen; eine Utopie, von der auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin gesprochen hatte, als er an die Vereinbarung von Helsinki erinnerte, aus der die OSZE entstand.
Eine Reform der Art, wie sich die humanitäre Hilfe in einer Welt, die durch immer fragmentiertere Konflikten charakterisiert ist, darstellt, scheint notwendig. Aber noch mehr, sagen Experten: Nämlich die Notwendigkeit, über die humanitären Konsequenzen der Kriege nachzudenken.
Umgang mit Atomwaffen
Auch in diesem Fall steht der Heilige Stuhl an vorderster Front und hat mit Interesse an den Konferenzen von Oslo, Nayarit und Wien zu den humanitären Folgen der Atomwaffen teilgenommen. Die Konferenz wurde ausgeweitet und schloss auch Nationen ein, die aktuell ein Kernwaffenarsenal besitzen und der Heilige Stuhl konnte, in einem artikulierten Vorschlag, seine Idee der Umwandlung zur Geltung bringen. Eine Umwandlung, die eine Bekehrung des Herzens ist, aber auch eine Umwandlung der Waffen. Nicht zufällig ist der Heilige Stuhl unter den Gründungsmitgliedern der Internationale Atomenergie-Organisation und schlägt einen ausgewogenen Ansatz in der Atomfrage vor: ja zur Atomtechnologie, nein zu Atomwaffen.
Schwerpunktthema Migration
Auch dieser ganze Hintergrund ist in der Diskussion, die zum humanitären Weltgipfel von Istanbul führt, präsent. Große Aufmerksamkeit wird dem Thema der Migrationen gewidmet werden, wie man dem umfangreichen Vorbericht, der von der Internationalen Organisation für Migration (einer anderen Organisation, deren Mitglied der Heilige Stuhl ist) erstellt worden war, entnimmt.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Der Beitrag der Heiligen Stuhles wird also sein, das Gewissen der Völker und Interessengruppen zum Gemeinwohl hin zu orientieren, bedenkend, dass es sich um circa 60 Millionen Menschen handelt (davon die Hälfte Kinder) und sich die Kosten für die Hilfsleistungen auf über 300 Milliarden belaufen.
Über das "Kosten-Nutzen"-Problem hinaus ist eine Herausforderung jene, ein humanitäres Völkerrecht zu schaffen, das frei von Ideologismen ist und die grundlegenden Freiheiten der Menschenrechtserklärung berücksichtigt. Und dabei zu den Rechten der ersten Generation zurückkehrt – und nicht zu jenen der dritten und vierten Generation, die in der Diskussion sehr fragwürdig sind – so Vertreter der vatikanischen Diplomatie.
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