Sofia, 06 Mai, 2019 / 7:28 PM
Auf dem Podium am zentralen Nezavisimost-Platz brannte eine Kerze, daneben stand ein kleiner Olivenbaum - und zum Auftakt sang ein Kinderchor "We are the World": In der bulgarischen Hauptstadt hat zum Abschluss seines zweiten und letzten Tages in Bulgarien Papst Franziskus an einem interreligiösen Friedenstreffen teilgenommen, gemeinsam mit Vertretern des Islam, des Judentums sowie verschiedener christlicher Konfessionen.
"Heute Abend sind wir hier, um vor diesen Fackeln zu beten", sagte Papst Franziskus, der seine Zuhörer daran erinnerte dass der Frieden ein Geschenk und eine Aufgabe sei. Die Fackeln symbolisierten dabei "das Feuer der Liebe, das in uns brennt und das zu einem Leuchtturm der Barmherzigkeit, der Liebe und des Friedens in unseren Lebensbereichen werden muss".
"Wir möchten, dass es ein Leuchtturm sei, der die ganze Welt erhellt. Mit dem Feuer der Liebe wollen wir das Eis der Kriege schmelzen."
Der Nezavisimost-Platz, auch Unabhängigkeitsplatz genannt, ist von ehemaligen Gebäuden der kommunistischen Partei umgeben. Der rote Stern und andere kommunistische Symbole wurden im Zug der Demokratisierung Bulgariens nach dem Fall der Sowjetunion 1989 von den Gebäuden entfernt.
"An diesem Ort kamen über Jahrhunderte die Bulgaren Sofias, die verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen angehören, zusammen, um sich zu treffen und miteinander zu reden. Möge dieser symbolträchtige Ort ein Zeugnis des Friedens darstellen", sagte Papst Franziskus.
Nicht anwesend bei der Veranstaltung am heutigen 6. Mai war die größte Religionsgemeinschaft der Nation: Die bulgarisch-orthodoxe Kirche nahm an der Veranstaltung nicht teil. Ihre Führung hatte dem Papst bereits am gestrigen Sonntag einen höflich-distanzierten Empfang bereitet, bei dem auch kritische Aussagen über den Kurs der Kirche unter Franziskus gemacht wurden.
Nach den Christen ist die größte Religionsgemeinschaft Bulgariens der Islam, dem laut einer Volkszählung des Jahres 2001 zehn Prozent der Bevölkerung angehören. Katholisch sind offiziellen Zahlen zufolge nicht einmal 0,8 Prozent der Bevölkerung.
Apostolische Balkanreise
Als zweiter Papst der Geschichte besucht Franziskus auf seiner 29. Auslandsreise, die vom 5. bis 7. Mai dauert, Bulgarien - und am morgigen Dienstag auch Nordmazedonien. Der Papst verbringt den größten Teil der Reise in den bulgarischen Städten Sofia und Rakowski, bevor er am 7. Mai in Skopje landet.
CNA Deutsch dokumentiert den vollen Wortlaut der Ansrpache des Papstes, wie sie der Vatikan zur Verfügung gestellt hat.
Liebe Brüder und Schwestern,
wir haben für den Frieden gebetet mit Worten, die vom heiligen Franz von Assisi inspiriert sind, der ganz von der Liebe zu Gott, dem Schöpfer und Vater aller, erfüllt war. Diese Liebe hat er mit gleicher Leidenschaft und ehrlicher Achtung gegenüber der Schöpfung und jedem Menschen, dem er auf seinem Weg begegnete, bezeugt. Diese Liebe hat seinen Blick verwandelt, da sie ihm das Bewusstsein dafür schenkte, dass in jedem ein »Lichtstrahl« vorhanden ist, »der aus der persönlichen Gewissheit hervorgeht, jenseits von allem grenzenlos geliebt zu sein« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 6). Diese Liebe brachte ihn dazu, echter Erbauer des Friedens zu sein. Auch ein jeder von uns ist gerufen, auf seinen Spuren zu einem Erbauer, einem "Handwerker" des Friedens zu werden. Wir müssen um diesen Frieden bitten und dafür arbeiten; er ist Gabe und Aufgabe zugleich, Geschenk und ständiges Bemühen jeden Tag, um eine Kultur aufzubauen, in der auch der Friede ein Grundrecht ist. Es ist ein aktiver Friede, der gegen alle Formen von Egoismus und Gleichgültigkeit gewappnet ist, die uns dazu führen, der unveräußerlichen Würde jeder Person die kleinlichen Interessen einiger überzuordnen. Der Friede erfordert und verlangt, dass wir den Dialog als Weg nehmen, die allgemeine Zusammenarbeit zu unserer Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis zur Methode und zum Maßstab machen (vgl. Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen, Abu Dhabi, 4. Februar 2019), um uns in dem, was uns vereint, zu begegnen, um in dem, was uns trennt, einander zu respektieren und um einander zu ermutigen, die Zukunft als Raum der Chancen und der Würde zu betrachten, insbesondere für die künftigen Generationen.
Heute Abend sind wir hier, um vor diesen Fackeln zu beten, die von unseren Kindern gebracht wurden. Sie symbolisieren das Feuer der Liebe, das in uns brennt und das zu einem Leuchtturm der Barmherzigkeit, der Liebe und des Friedens in unseren Lebensbereichen werden muss. Wir möchten, dass es ein Leuchtturm sei, der die ganze Welt erhellt. Mit dem Feuer der Liebe wollen wir das Eis der Kriege schmelzen. Wir begehen diese Feier für den Frieden über den Ruinen des antiken Serdica in Sofia, dem Herzen Bulgariens. Von hier aus können wir die Gotteshäuser der verschiedenen Kirchen und Glaubensbekenntnisse sehen: St. Nedelja unserer orthodoxen Brüder und Schwestern, St. Josef von uns Katholiken, die Synagoge unserer älteren Brüder und Schwestern, der Juden, sowie die Moschee unserer muslimischen Brüder und Schwestern und in der Nähe die Kirche der Armenier.
An diesem Ort kamen über Jahrhunderte die Bulgaren Sofias, die verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen angehören, zusammen, um sich zu treffen und miteinander zu reden. Möge dieser symbolträchtige Ort ein Zeugnis des Friedens darstellen. In diesem Augenblick vereinen sich unsere Stimmen und bringen einstimmig die brennende Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck: Der Friede verbreite sich auf der ganzen Erde! In unseren Familien, in einem jeden von uns und besonders an den Orten, wo viele Stimmen vom Krieg zum Schweigen gebracht wurden, von der Gleichgültigkeit erstickt und angesichts des erdrückenden Einvernehmens von Interessensgruppen nicht beachtet wurden. Alle mögen an der Realisierung dieses Strebens nach Frieden mitwirken: die Vertreter der Religionen, der Politik, der Kultur. Jeder kann dort, wo er sich befindet und die Aufgabe erfüllt, die ihm zukommt, sagen: "Mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens." Es ist der Wunsch, dass sich der Traum des heiligen Johannes XXIII. von einer Erde, auf der der Friede zu Hause ist, erfüllt. Wir wollen seiner Sehnsucht folgen und mit unserem Leben sagen: Pacem in terris! Friede auf Erden allen Menschen, die Gott liebt."
HINWEIS: Korrektur der Zahlen der Angehörigen religiöser Gruppen im Land am 9. Mai 2019.
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