Rom, 30 August, 2019 / 7:24 PM
Wie kann die Kontroverse um das Päpstliche Institut "Johannes Paul II." für Studien über Ehe und Familie gelöst werden? Wie wird weiterer Schaden für die Betroffenen und die Hochschule verhindert – vor dem dieser Tage erneut gewarnt worden ist? Ist das Schreiben Amoris Laetitia dazu ein Schlüssel? CNA Deutsch fragte nach bei Professor Stephan Kampowski, der sowohl die Hochschule als auch die involvierten Fragen und Personen bestens kennt: Der deutsche Autor und Theologe lehrt dort philosophische Anthropologie.
Professor Kampowski, in der Kontroverse um die Änderungen am Institut spielt die Abschaffung des Lehrstuhls für Fundamentalmoral eine zentrale Rolle. Warum ist das so, und wie bewerten Sie diese Entscheidung?
Der Gründer des Instituts, der hl. Johannes Paul II., hat dem Lehrstuhl für Fundamentalmoral ganz klar eine besondere Bedeutung zugeschrieben, indem er ihn dem ersten Präsidenten des Instituts, dem späteren Kardinal Carlo Caffarra anvertraut hat.
Thematisch mit diesem Lehrstuhl verbunden gibt es seit 1997 am Institut das vom damaligen Präsidenten und späteren Kardinal Angelo Scola ins Leben gerufene Internationale Forschungsgebiet zu Fragen der Fundamentalmoral. Dieses hat seit 1998 jährlich Kolloquien oder Kongresse zur Moraltheologie organsiert, Seminare für Professoren und Doktoranden veranstaltet und den daran teilnehmenden Dozenten die Möglichkeit gegeben, sich miteinander auszutauschen und ihre persönlichen Forschungsbestrebungen miteinander zu koordinieren. Es handelt sich bei diesem Forschungsgebiet um eine seit über zwanzig Jahren äußerst fruchtbare Initiative, was nicht nur durch die äußerst gut besuchten und akademisch hervorragenden öffentlichen Veranstaltungen bezeugt, sondern auch durch die zahlreichen in diesem Kontext verfassten Veröffentlichungen der Professoren und Dissertationen der Doktoranden.
Vor ein paar Jahren hat das Forschungsgebiet seinen Themenkreis erweitert und beschäftigt sich nun generell mit Fragen der Moraltheologie. Dennoch hat es seinen grundlegenden Ansatz nicht verändert und bleibt der Fundamentalmoral verbunden. Es handelt sich hier um eine der dynamischsten und akademisch fruchtbarsten Initiativen des Instituts und mit der Abschaffung des Lehrstuhls für Fundamentalmoral bleibt ihre Zukunft ungewiss.
Für den Lehrplan ist die Absetzung der Fundamentalmoral mehr als nur ein großer Verlust. Viele der spezifischen Fragen, die sich für Ehe und Familie heute oder auch immer stellen, lassen sich nur vor dem Hintergrund der grundsätzlicheren Fragen nach Sinn und Ziel, Bedeutung und Bestimmung unserer Existenz und unseres Handelns adäquat beleuchten. Ohne die Rückführung auf die Grundlagen, ohne Einfügung in einen größeren Zusammenhang, behandelt man dann die spezifischeren Fragen wie in einem luftleeren Raum, ohne Fundament und Orientierung.
Begründet wurde der Schritt der Abschaffung des Lehrstuhls damit, Studenten müssten das alles vom Grundstudium her bereits können. Er sei somit überflüssig...
...dieses Argument ist nicht besonders stichhaltig. Auch andere Lehrstühle, die beibehalten worden sind, wie etwa die Lehrstühle für philosophische oder theologische Anthropologie, beschäftigen sich mit Themenkreisen, die schon im Grundstudium behandelt worden sind. Hier ging man allerdings davon aus, dass man bei diesen Gegenständen eigentlich nie alles gesagt haben kann, dass man sie immer weiter vertiefen kann und muss, ohne je an ein Ende zu kommen.
Das ist durchaus richtig, nur gilt das eben auch für die Fundamentalmoral, deren Themen zum Beisoiel in Johannes Pauls II. Moralenzyklika Veritatis Splendor aufgegriffen werden: die Frage nach dem Guten und die Frage nach Gott, nach der menschlichen Bestimmung, nach dem, was menschliches Handel überhaupt ist, was sein Sinn ist und was seine Grenzen sind, nach dem Zusammenhang von Wahrheit und Freiheit, nach der Bedeutung der Begegnung mit Christus und dem Stehen in seiner Nachfolge.
Wer sagt, das Anschneiden dieser Thematiken im Grundstudium mache deren Vertiefung und Anwendung auf Fragen der Ehe und Familie im Aufbaustudium überflüssig, versteht die Fundamentalmoral als ein Fach, in dem schlicht ein paar gut definierte Informationen vermittelt werden, mit denen es sich dann auch hat. Ein solches Verständnis ist natürlich angesichts der von der Fundamentalmoral behandelten Themen vollkommen unzulänglich.
Der Großkanzler, Erzbischof Vincenzo Paglia, hat das Schreiben Amoris Laetitia als "Magna Charta" des neu geschaffenen Institutes bezeichnet. Wie bewerten Sie diese Aussage vor dem Hintergrund der nun getroffenen Maßnahmen?
In seinem Schreiben Amoris Laetitia ruft Papst Franziskus die im pastoralen Dienst der Kirche stehenden Personen zu größerer Sensibilität mit den existentiellen Situationen der Menschen auf, zu größerer pastoraler Behutsamkeit, zu vorsichtiger Unterscheidung, Begleitung und Eingliederung. Meines Erachtens widerspricht die Art und Weise, wie im aktuellen Fall mit den Dozenten, Studenten und Mitarbeitern des Instituts "Johannes Paul II." umgegangen wurde, diesem fundamentalen Anliegen des Papstes.
So wurden die Professoren bei der Erarbeitung der neuen Statuten ganz bewusst ausgegrenzt (die Faktenlage vollkommen klar und leicht zu belegen). Durch das Ausgrenzen der Professoren haben sich die Institutsleiter somit in Widerspruch zu den Wünschen des Papstes begeben, der in Amoris Laetitia das Prinzip der Eingliederung hochhält. Mit dem von Franziskus gewollten Prinzip der Begleitung verhält es sich ähnlich.
Es ist eine öffentliche Tatsache, dass der Lehrplan für das neue akademische Jahr 2019/2020 schon approbiert war, und zwar auch vom Präsidenten des Instituts. Eine erste Broschüre wurde schon gedruckt und auch auf der Internetseite des Instituts veröffentlicht. Die Kurse standen schon fest mit Tag und Uhrzeit.
Im Juni 2019 haben sich die ersten schon für das neue akademische Jahr eingeschrieben. Die Dozenten haben dann genauso wie die und die Mitarbeiter Mitte Juli aus den Medien erfahren, dass nichts mehr davon gilt und dass nun für alle eine prekäre und ungewisse Zeit anfangen würde. Die Studenten haben bis heute keine aufschlussreiche Antwort auf ihre Fragen zum abrupten Umsturz des Lehrplans erhalten. Dem von Papst Franziskus in Amoris Laetitia gewünschten und dargelegten Prinzip der pastoralen Begleitung entspricht das gewählte Verfahren auf keinen Fall. Wie sollen die Studenten am Institut für einen pastoralen Dienst vorbereitet werden, der den Ansprüchen von Amoris Laetitia genügt, wenn mit ihnen selbst nicht schon auf eine entsprechende Weise verfahren wird?
Damit Amoris Laetitia wirklich die Magna Charta des Instituts werden kann, gilt es, so scheint mir, zunächst über die jüngst am Institut getätigten Amtshandlungen zu reflektieren und entstandenen Schaden zu begrenzen und, wo möglich, ihn auch wiedergutzumachen.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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