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Das Jahr Johannes Pauls II.: Der erste Besuch eines Papstes in der Synagoge

Papst Johannes Paul II. mit Großrabbiner Elio Toaff am EIngang der Großen Synagoge von Rom

CNA Deutsch veröffentlicht den neuesten Beitrag aus der Artikelreihe zum 100. Geburtstag von Papst Johannes Paul II. von Angela Ambrogetti von der italienischsprachigen Schwesternagentur ACI Stampa.

"Ich denke, dass [das Judentum und das Christentum] ihre Identität gemeinsam suchen müssen; die Identität, die jeder dieser beiden Religionen eigen ist. Aber in dieser eigenen und verschiedenen Identität gibt es eine gemeinsame Wurzel, es gibt denselben Gott."

Das sind Worte Johannes Pauls II. aus einem in einem Interview, das der Journalist Lorenzo Gulli einige Zeit nach dem Besuch in der Synagoge geführt hatte.

Es war der 13. April 1986, vor 34 Jahren. Und es war der erste Besuch eines Papstes in einer Synagoge.

Johannes Paul II. erklärte, er fühle eine "tiefe Emotion, diesen Ort betreten zu können, der uns zumindest ideell in die Zeit des heiligen Petrus, der ersten Christen zurückführt. Denn auch die ersten Christen traten von der damaligen Synagoge über, sie kamen aus dieser Synagoge. Das war eine sehr bedeutsame Begegnung, bedingt durch die Tradition – vor allem des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Nachdem er an der Tür der Großen Synagoge vom damaligen Großabbiner Elio Toaff empfangen worden war, erkärte Johannes Paull II. in seiner offiziellen Ansprache in der Synagoge, er habe das Erbe Johannes XXIII. aufgegriffen, "der einmal, als er hier vorbeikam, wie der Oberrabbiner soeben erwähnt hat, das Auto anhalten hieß, um die Schar der Juden, die gerade diesen Tempel verließen, zu segnen."

Der Papst erkennt die Schuld der Vergangenheit an: "Gewiss kann und darf man nicht vergessen, dass die geschichtlichen Umstände der Vergangenheit recht verschieden gewesen sind von denen, die in den Jahrhunderten mühsam herangereift sind; zur allgemeinen Anerkennung einer berechtigten Vielfalt auf sozialer, politischer und religiöser Ebene ist man nur unter großen Schwierigkeiten gelangt. Der Blick auf die jahrhundertealten kulturellen Bedingungen kann jedoch nicht verhindern anzuerkennen, dass die Akte der Diskriminierung, der ungerechtfertigten Einschränkung der religiösen Freiheit und der Unterdrückung auch auf der Ebene der bürgerlichen Freiheit gegenüber den Juden objektiv äußerst bedauerliche Vorfälle gewesen sind."

Ebenso bringt der Papst "tiefer Verabscheuung für den während des letzten Krieges gegen das jüdische Volk beschlossenen Genozid, der zum Holocaust von Millionen unschuldiger Opfer geführt hat" zum Ausruck.

Er erinnerte daran, dass "auch die jüdische Gemeinde von Rom einen hohen Blutzoll bezahlt hat. Und es ist sicher eine bedeutungsvolle Geste gewesen, als sich in den dunklen Jahren der Rassenverfolgung die Pforten unserer Ordenshäuser, unserer Kirchen, des Römischen Seminars, der Gebäude des Heiligen Stuhles und des Vatikanstaates selbst weit geöffnet haben, um so vielen von ihren Verfolgern gehetzten Juden in Rom Zuflucht und Rettung zu bieten."

Der polnische Papst erläutert vor der jüdischen Gemeinschaft Roms und durch sie auch vor der ganzen jüdischen Welt die Konzilserklärung Nostra Aetate – anhand von drei wesentlichen Punkten:

Der erste Punkt ist der, daß die Kirche Christi ihre "Bindung" zum Judentum entdeckt, indem sie sich auf ihr eigenes Geheimnis besinnt (vgl. Nostra aetate, Nr. 4, Absatz 1). Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas "Äußerliches", sondern gehört in gewisser Weise zum "Inneren" unserer Religion. Zu ihr haben wir somit Beziehungen wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder.

Der zweite vom Konzil hervorgehobene Punkt ist der, daß den Juden als Volk keine ewig währende oder kollektive Schuld wegen der "Ereignisse des Leidens (Jesu)" (ebd., Absatz 6) angelastet werden kann, weder den Juden jener Zeit noch den späteren, noch den heutigen. Haltlos wird also jede angeblich theologische Rechtfertigung für Maßnahmen der Diskriminierung oder, schlimmer noch, der Verfolgung. Der Herr wird jeden »nach den eigenen Taten« richten. Juden wie Christen (vgl. Röm 2,6).

Der dritte Punkt, den ich in der Konzilserklärung unterstreichen möchte, folgt aus dem zweiten. Trotz des Bewußtseins, das die Kirche von ihrer eigenen Identität hat, ist es nicht erlaubt zu sagen, die Juden seien "verworfen oder verflucht", als würde dies von der Heiligen Schrift des Alten oder Neuen Testaments gelehrt oder könnte aus ihr gefolgert werden (ebd., Absatz 6). Im Gegenteil, das Konzil hatte zuvor in demselben Abschnitt der Erklärung Nostra aetate (vgl. Absatz 4), aber auch schon in der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium (vgl. Nr. 16) mit einem Zitat aus dem Römerbrief des hl. Paulus (11,28) festgestellt, daß die Juden "weiterhin von Gott geliebt werden", der sie mit einer "unwiderruflichen Berufung" erwählt hat.

Mit Blick auf die Zukunft bekräftigte der Papst: "Es bleiben zwischen uns vielleicht noch Schwierigkeiten praktischer Natur, die auf der Ebene der brüderlichen Beziehungen auf ihre Überwindung warten: Sie sind die Frucht von Jahrhunderten gegenseitigen Unverständnisses oder auch verschiedener Positionen und Verhaltensweisen, die in einer so komplexen und delikaten Materie nicht leicht zu vereinbaren sind."

"Niemandem entgeht, daß der anfängliche grundsätzliche Unterschied in der Zustimmung der Katholiken zur Person und zur Lehre Jesu von Nazaret besteht, der ein Sohn eures Volkes ist, aus dem auch die Jungfrau Maria, die Apostel — Fundament und Säulen der Kirche — und die Mehrzahl der Gläubigen der ersten christlichen Gemeinde stammen. Aber diese Zustimmung gehört dem Bereich des Glaubens an, das heißt der freien Zustimmung der Vernunft und des Herzens, die vom Geist geleitet werden. Sie darf niemals in dem einen oder anderen Sinn zum Gegenstand von äußerem Druck werden. Das ist der Grund dafür, worum wir bereit sind, den Dialog unter uns in Loyalität und Freundschaft sowie in der Achtung vor den inneren Überzeugungen der einen und der anderen zu vertiefen, indem wir die Elemente der Offenbarung, die wir als "großes geistiges Erbe" gemeinsam haben (vgl. Nostra aetate, Nr. 4), als wesentliche Grundlage nehmen.

Es gibt einen grundlegenden Plan zur Zusammenarbeit für eine bessere und gerechtere Welt: "Es gibt noch allgemeiner das moralische Problem, das große Feld der individuellen und sozialen Ethik. Wir sind uns alle dessen bewußt, wie groß in diesem Punkt die Krise in unserer heutigen Zeit ist. In einer Gesellschaft, die sich oft in Agnostizismus und Individualismus verirrt hat und die bitteren Folgen von Egoismus und Gewalttätigkeit erleidet, sind Juden und Christen Verwalter und Zeugen einer Ethik, die von den Zehn Geboten gekennzeichnet ist, in deren Befolgung der Mensch seine Wahrheit und Freiheit findet. Eine gemeinsame Besinnung und Zusammenarbeit in diesem Bereich zu fördern ist eines der großen Gebote der Stunde."

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Die Ansprache Johannes Pauls II. war keine einfache Rede - es gab auch Kritiker. Aber sie war in der Tat die wahre Tür, die geöffnet wurde für eine Neuheit in den Beziehungen zwischen Juden und Christen, über den Weg der göttlichen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.

Zu den Hintergründen des Besuches empfiehlt die Autorin des Artikels abschließend das italienischsprachige Buch Papa Wojtyla e i ''Fratelli Maggiori" vom Verlag Nova Itinera.

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