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Kommentar: Nicht lustig – Diskriminierung von Christen

"Christus trägt das Kreuz" von Hieronymus Bosch. Das Gemälde entstand zwischen 1490 und 1535.

In diesen Tagen diskutiert nicht nur Deutschland, sondern auch seine Nachbarländer über die Frage, was Satire darf und was nicht. Die Kunst- und Meinungsfreiheit ist in der Bundesrepublik nicht absolut. Ganz anders ist das in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo jeder sagen, schreiben und filmen kann, was er will: Sogar Neo-Nazis dürfen ungestraft im Internet Hitler verherrlichen, den Holocaust leugnen und unerträgliche Judenkarikaturen verbreiten.

Gott sei Dank besteht in Deutschland ein gesellschaftlicher Konsens, dass solche Äußerungen keinen Raum in den Medien haben dürfen. Dann wird’s aber schwierig. Was darf ­ wann und wie ­ Satire? Unsere Sensibilität hat hier ganz unterschiedlich Maßstäbe.

Nehmen Sie den (recht harmlosen) Satz: XY sind zu dumm zum Schuhebinden. Und dann setzen Sie verschiedene Gruppen ein: Weiße, Schwarze, Männer, Frauen, Europäer, Amerikaner, Inder, Moslems, Christen, Migranten, Bayern… Instinktiv empfinden wir einige Sätze akzeptabel, andere dagegen beleidigend und diskriminierend. Warum? Verdient nicht jeder die gleiche Wertschätzung? Vielleicht denken wir, dass gesellschaftliche Minderheiten besonderen Schutz und Respekt verdienen. Das ist sicher richtig. Bedeutet das aber, dass man Mehrheiten schamlos beleidigen darf?

Satire kennt Grenzen. Nur bei einer Gruppe darf kräftig zugeschlagen werden: den Christen. Ein gekreuzigter Frosch, die Fotomontage eines inkontinenten Papstes, eine Marienstatue unter einen Kondom, ein mit Kot beschmiertes Christusbild im Theater, derbe Witze über den Zölibat… alles scheint im Namen der Kunst und Meinungsfreiheit erlaubt, wenn es um die Jesus und seine Jünger heute geht.

Provokation und Beleidigung

Allein die Tatsache, dass Christen in Europa historisch eine numerische Mehrheit darstellen, rechtfertigt nicht, Akte von Vandalismus stillschweigend zu übergehen, während Synagogen und Moscheen – und das ohne Zweifel zu Recht – mit großer Aufmerksamkeit bedacht werden. Sicherlich wird nicht jedes Graffiti aus direktem Hass gegen die Religion an christliche Grabsteine und Kirche gesprüht. Immer jedoch ist es – im Gegensatz zu Schmierereien an Schulen und Bahnhöfen – auch ein Mangel an Respekt vor dem, was anderen heilig ist. Es geht hier um mehr als um die Zerstörung fremden Eigentums. Es geht um Provokation und Beleidigung religiöser Gefühle und Überzeugungen, deren Schutz ein wesentlicher Beitrag zum sozialen Frieden ist. In noch deutlicherer Weise tritt die Verletzung christlicher Überzeugungen und, was wie gesagt in gewisser Weise noch beunruhigender ist, das Schweigen politischer und gesellschaftlicher Verantwortungsträger bei blasphemischen Aussagen, die oft als Kunst oder Satire getan werden, zu Tage.

Während – und das ganz zu Recht – Mohammed-Karikaturen als unanständig und beleidigend gebrandmarkt werden, bleibt eine öffentliche und laute Kritik aus, wenn Christen und ihr Glaube in den Dreck gezogen werden. Das Titelblatt des französischen Heftes Charliehebdo – dessen Zeichner und Redakteure Opfer eines grausamen Racheaktes für ihre Satire über den Islam geworden sind – haben vor wenigen Jahren, die Personen der göttlichen Dreifaltigkeit in einem homosexuellen Akt dargestellt. Und gerade in der letzten Ausgabe, unmittelbar vor dem schrecklichen Attentat, fanden sich obszöne Zeichnungen der Mutter Christi. Wo blieb der gesellschaftliche Aufschrei?

Noch immer – trotz heftiger Kritik – kursiert auf YouTube ein Video, das blasphemische Bilder von Jesus und Maria zeigt und zur Brandstiftung an Kirchen und zur Gewalt an Priestern aufruft, die hasserfüllt "weisse Bastarde" (in Anspielung auf die liturgische Kleidung) genannt werden. Kann man sich vorstellen – machen wir ruhig noch einmal das Gedankenexperiment –, dass ein Clip nicht aus dem Internet genommen wird, wenn es zu Gewalt gegen Schwarze, Frauen, oder Juden aufruft? Gott sei Dank, undenkbar.

Hier geht es nicht nur um religiöse Gründe, sondern um die soziologische Tatsache, dass, wenn eine gesellschaftliche Gruppe beinahe immer beleidigt und blossgestellt wird, so sinkt die Hemmschwelle für Straftaten. Dieses Prinzip wird zu Recht – gerade in Schule und Jugendarbeit – angewendet, um etwa Witze über Afrikaner, Juden oder Homosexuelle zu ächten. Hier gilt der Grundsatz "Wehret den Anfängen", während es bei Christen scheinbar heisst: "Feuer frei!".

Wehret den Anfängen

Satire darf (fast) alles, aber sie wird zur Gefahr, wenn sie Personen und Gruppen "vogelfrei" erklärt. Im Dritten Reich war das Methode: Neben brutalen Parolen hat man versucht mit verächtlichen Karikaturen Juden zuerst als lächerliche Witzfiguren, dann aber auch als böse, verschlagene Gestalten darzustellen. Gott sei Dank, sind Christen heute in keinster Weise in einer vergleichbaren Situation, und doch ist es erschreckend, wie wenig die Gesellschaft auf Spott und Hohn gegenüber Gläubigen reagiert. Gibt es in unserer toleranten Gesellschaft wirklich eine Gruppe, die man immer wieder an den Pranger stellen und öffentlich beleidigen darf? Und wenn Straftaten geschehen, so werden diese in unserem Rechtsstaat zwar verfolgt und zumeist geahndet, aber eine breite gesellschaftliche Reaktion bleibt aus. Ich glaube nicht, dass es in Deutschland jemals Lichterketten als Solidaritätsaktion gab, wenn eine katholische Kirche aus nachweislich religionsfeindlichen Motiven niedergebrannt wurde. Antichristliche Akte geschehen vor den Augen der Medien, die ­- und wieder lohnt der Vergleich ­ sehr aufmerksam antisemitische oder islamophobe Taten sofort wahrnehmen und ausführlich berichten. Es braucht wohl keiner neuen Gesetze, aber ganz sicher eines neuen Bewusstseins des Respekts und der Achtung.

Es geht nicht drum, sich als Christen in die Opferrolle zu drängen oder beleidigt zu sein, wenn bestimmte Positionen der Kirche scharf hinterfragt, vielleicht sogar heftig kritisiert werden. Schon gar nicht dürfen wir mit Gewalt reagieren. Auch Satire – von mir auch manchmal bissig und provokativ – kann es geben. Gläubige müssen und können Widerspruch aushalten. Grobe Beleidigungen, Schmierereien an Kirchen und Friedhöfen, und immer wieder auch Gewalt gegen Personen, sind aber nicht nur Verletzungen frommer Gefühle, sondern Straftaten, deren Ahndung man genauso fordern muss, wie man das bei anderen Gruppen tut. Satiriker haben Verantwortung. Sie können Personen und Gruppen für immer "fertig machen". Sie sollen unterhalten, mahnen, provozieren und ihnen darf kein Maulkorb verpasst werden, wenn Sie unangenehme Dinge pointiert sagen. Und doch gibt es auch für sie keine absolute "Narrenfreiheit".

Die Grenze hat ihr Gewissen zu ziehen. Wir Christen dürfen gesellschaftlichen Respekt erwarten und einfordern – wie alle anderen auch. Aber dazu müssen zuerst wir aufstehen und protestieren und nicht darauf warten, dass moslemische Demonstranten den "Propheten Jesus" verteidigen, wenn er wieder einmal in Kino oder Theater in obszöner Weise dargestellt wird.

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