Regensburg, 03 Februar, 2021 / 5:04 PM
Bald schon ein Jahr ist es her, dass die Covid‐19‐Pandemie die Menschheit in Atem hält. Deutschland erlebt gerade den zweiten Lockdown, ein Ende ist nicht in Sicht. Alle Bereiche des Lebens sind davon betroffen, auch der Bildungsbereich. Aber wie funktioniert eigentlich die Umsetzung des Religionsunterrichts? Wie erleben die Schüler und Lehrkräfte den Schulalltag in dieser schwierigen Zeit? Wir haben uns mit Edgar Rothammer von der Hauptabteilung Schule/Hochschule, Religionslehrern im Kirchendienst und einer Schülerin der St. Marienschule in Regensburg darüber unterhalten.
Religionsunterricht hat nicht an Bedeutung verloren
Edgar Rothammer ist Schulamtsdirektor im Kirchendienst. Er ist für die Planung und Organisation des katholischen Religionsunterrichts an staatlichen und privaten Schulen im Bistum Regensburg zuständig. Er ist im regelmäßigen Kontakt mit den 620 kirchlichen Lehrkräften, darunter Geistliche und pastorale Mitarbeiter, die alle im Religionsunterricht eingesetzt sind. An nahezu allen Schulen im Bistum wird Religionsunterricht angeboten. Das zeigt eine jüngste Umfrage bei den Lehrerinnen und Lehrern. Der Religionsunterricht hat während der Pandemie nicht an Bedeutung verloren, erklärt Edgar Rothammer. Denn Religion ist nach dem Grundgesetz ordentliches Lehrfach, genau so wie Deutsch oder Mathematik. Das Schulwesen obliegt der Aufsicht des Staates. Dank des Konkordates kann die Kirche in Bayern an bestimmten Schularten eigenes Personal in die Schulen entsenden, um den Religionsunterricht zu erteilen. In den kirchlichen Schulen zieht sich die religiöse Wertevermittlung aber darüber hinaus wie ein "goldener Faden" durch den gesamten Schulalltag.
Seit dem zweiten Lockdown gibt es wieder konfessionellen Religionsunterricht. Als im Herbst die Fallzahlen sprungartig nach oben gestiegen waren, wurde festgelegt, dass für einen begrenzten Zeitraum ein kooperativer Unterricht eingerichtet wird. Das bedeutet, die evangelischen und katholischen Schüler blieben im Klassenverband zusammen, auch Ethikschüler nahmen am Unterricht teil. "Wir haben die einzelnen Lehrpläne miteinander verglichen und geschaut, wo gibt es Schnittmengen? Beispielsweise der Umgang mit unserer Schöpfung, also der Umweltschutzgedanke, die Weltreligionen oder die großen Fragen der Menschheit: Wo komme ich her, wo gehe ich hin? Und die festen, meist vom Christentum geprägten Feiertage tauchen auch im Ethikunterricht auf. Diese Themen wurden sodann schwerpunktmäßig gemeinsam behandelt", so Edgar Rothammer.
Fortbildungen im digitalen Bereich für die Lehrkräfte
Aber wie sieht eine Unterrichtseinheit nun aus? Christine Krämer ist Religionslehrerin im Kirchendienst an mehreren staatlichen Schulen im Bistum Regensburg: an der Grundschule und Mittelschule in Bad Abbach, an der Mittelschule in Kelheim sowie an Grundschule und Gymnasium der Swiss International School in Regensburg. "Die Schülerinnen und Schüler wissen laut Stundenplan Bescheid, wann das gemeinsame Meeting beginnt. Alle treffen sich auf der Plattform Microsoft Teams (Anm. d. Red.: in den Schulen werden verschiedene Softwarelösungen genutzt) und starten dort ihre Stunde." Das Erfreuliche, so Krämer: Alle Schüler nehmen teil und beteiligen sich am Unterricht. Gemeinsam wird ein Bibeltext gelesen und besprochen, Unklarheiten werden geklärt, abschließend bekommt jeder einen Arbeitsauftrag. "Ich lade die Arbeitsblätter für die Schüler hoch, die Mädchen und Jungen drucken diese aus oder bearbeiten die Aufgabe schriftlich, fotografieren das Ganze und laden das Dokument wieder zurück in die Plattform."
Edgar Rothammer sorgt mit seinen Kolleginnen und Kollegen von der Hauptabteilung Schule/Hochschule dafür, dass die Lehrer fit für die neuen Herausforderungen sind: "Bereits vor der Pandemie haben wir hier im Referat Schule damit begonnen, für unsere Lehrkräfte Fortbildungen im digitalen Bereich anzubieten. Dazu zählt die Einführung von Whiteboards, etc. Diese Annäherung an das digitale Lehren kam uns beim digitalen Unterricht, also beim Homeschooling, sehr zu gute. Auf der Homepage des Religionspädagogischen Seminars wurde ein Link eingerichtet, mit dem Kolleginnen und Kollegen digitales Unterrichtsmaterial, das sie selbst erstellt haben, anderen Kollegen zum Download zur Verfügung stellen können." Ein positiver Nebeneffekt, so Rothammer, ist, dass das Schulbuch wieder an Bedeutung gewonnen hat. Denn: Jeder Schüler hat für die einzelnen Fächer ein Buch und man kann auf bestimmte Bilder und Texte zurückgreifen, ohne Materialien einscannen oder digital aufbereiten zu müssen. Aber Rothammer betont auch besonders: Präsenzunterricht ist durch keinen noch so guten digitalen Unterricht zu ersetzen.
Religionsunterricht ist mehr als bloße Stoffvermittlung
Das sieht auch Christine Krämer so: "Die Schüler sind technisch fit und haben auch durchgehend die notwendigen Voraussetzungen. Man spürt, dass sich die Schüler auf den Religionsunterricht freuen. Ich denke aber, dass ihnen die Rituale fehlen, die wir sonst haben, um beispielsweise eine Stunde zu eröffnen. Religionsunterricht ist einfach mehr als bloße Stoffvermittlung. Das unterscheidet ihn von Kernfächern wie Mathematik oder Physik. Wir haben einen Raum, um miteinander zu diskutieren und sprechen offen über mögliche Wege, damit die Schüler gut durch die Pandemie kommen."
Der Unterschied zum gewohnten Präsenzunterricht ist groß, sagt auch Alice Fischer. Sie besucht die 12. Klasse des St. Mariengymnasiums in Regensburg: Man muss darauf achten, wo muss man welche Konferenz anschauen? Welcher Lehrer schickt welche Arbeitsaufträge? Habe ich eine stabile Internetverbindung? "Aber die Pandemie zeigt auch,
dass wir untereinander sehr solidarisch sind. Funktioniert bei einem die Verbindung nicht, ruft man sich an und hilft sich gegenseitig. Wir schauen aufeinander!", so Alice.
Einfach wieder ein Stück Normalität erleben können
Ihre Mitschülerinnen, erzählt Alice, nehmen die Situation teils gelassen hin, teils herrscht eine gewisse Aufregung. Denn neben der Tatsache, dass alle bald Abitur schreiben, kommen noch die ungewohnten Umstände hinzu. Es ist eine Frage, wie man damit umgeht, resümiert die 18‐jährige. "Wir tauschen uns online aus, beispielsweise über WhatsApp oder andere Chatplattformen. Aber das kann den richtigen sozialen Kontakt nur schwer ersetzen. Treffen und Spaziergänge mit einer Person, mit der man sich gut versteht, das hat mir sehr gut durch diese Zeit geholfen und hilft mir noch immer: Dass man seine Kontakte zwar auf ein Minimum reduziert aber trotzdem noch ein paar Menschen außerhalb der Familie zu Gesicht bekommt." Seit dem 1. Februar hat für die Prüfungsklassen wieder der Präsenzunterricht begonnen. "Das war wirklich schön. Ich habe mich sehr darauf gefreut, einfach auch wieder ein Stück Normalität erleben zu können. Auch wenn wir jetzt im Wechselunterricht arbeiten und ich weiß, dass ich nächste Woche wieder zuhause sein muss, hat man doch das Gefühl, etwas kommt wieder in Gang. Erst jetzt begreift man, wie sehr man die sozialen Kontakte eigentlich vermisst." Während des ersten Lockdowns sei es noch schwierig gewesen, sich zu organisieren. Einfach deswegen, weil man die Situation noch nicht gewohnt war, erklärt die Schülerin. "Man musste sich erst zurechtfinden. Mittlerweile haben wir uns besser auf die Verhältnisse eingespielt: Man strukturiert sich mehr. Teilweise habe ich das auch als positiv wahrgenommen. Der Schulweg beispielsweise fällt weg, damit spart man sich viel Zeit", so Alice Fischer.
Aus dem Glauben heraus eine Perspektive anbieten
Domvikar Andreas Albert ist Alices Religionslehrer an der St. Marienschule. Er stellt fest, dass man durch die Herausforderungen der Pandemie grundsätzlich zwei Aspekte betrachten müsse: Auf der einen Seite des Unterrichts stehe selbstverständlich die Kenntnissicherung. Das sei in allen Fächern der Fall. Auf der anderen Seite stehe, und im Religionsunterricht im speziellen, auch der emotionale Bereich. "Die Vereinsamung, die Fragen, die sich stellen. Man meint zunächst nur die jüngeren Schüler betrifft das. Sie stellen ganz offen die Fragen. Mitten in einer Videokonferenz sagt einer ‚wieso muss es das Corona geben?‘ Dann lässt man ganz bewusst den eigentlichen Unterricht bei Seite, da man dieses Gesprächsbedürfnis unbedingt befriedigen muss", erklärt Andreas Albert. Bis hinauf in die Oberstufe sei im Digitalunterricht die Versuchung sehr stark, den Unterricht von Anfang bis Ende durchzuziehen. Man sehe nicht, ob die Schüler bereits total erschöpft sind. Das zu thematisieren ist ein ganz wichtiger Aspekt, hebt der Religionslehrer hervor.
"Wir sind gut beraten, wenn wir aus dem Glauben heraus eine Perspektive anzubieten haben. ‚Seid nicht ängstlich. Der Herrgott ist auf jeden Fall bei Euch‘. Im Rahmen der Schulseelsorge schaffen wir es auch, uns einfach zu einem "Ratsch" zu treffen", so Albert. Bereits im ersten Lockdown beobachtete Domvikar Andreas Albert, dass die Schülerinnen sich auf den verschiedensten digitalen Kanälen treffen. Schnell machte er das Angebot, dass man sich nach Absprache auch gerne mit ihm "treffen" könne, um über Gott und die Welt zu sprechen. Nicht selten unterhält er sich seitdem mit vier bis fünf Schülerinnen gleichzeitig. "Das kann dann schon einmal eineinhalb Stunden dauern. Es sind Gespräche, wie man sie auch auf dem Pausenhof führt. Aber es geht auch um Fragen, die einen in der jetzigen Situation umtreiben. Das tut uns allen gut." Als Religionslehrerin im Kirchendienst wünscht sich Christine Krämer, endlich die Kinder und Jugendlichen wiedersehen zu können und für alle einen normalen Schulalltag. "Ich glaube sogar, dass den Schülern das Schreiben von Prüfungen fehlt. Dann wissen sie, wo sie stehen im Vergleich zu anderen, um die eigene Leistung besser beurteilen zu können."
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Das Gespräch führten Harald Beitler und Jakob Schötz.
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