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Im Wortlaut: Papst Franziskus in der syrisch-katholischen Kathedrale Unserer Lieben Frau

Begegnung mit Papst Franziskus in der syrisch-katholischen Kathedrale in Bagdad am 5. März 2021

Eure Seligkeiten, Eure Exzellenzen, 

liebe Priester und Ordensleute, 

liebe Brüder und Schwestern! 

In väterlicher Zuneigung umarme ich euch alle. Ich bin dem Herrn dankbar, dass er in seiner  Vorsehung unsere Begegnung heute möglich gemacht hat. Ich danke Seiner Seligkeit Patriarch Ignace  Youssif Younan und Seiner Seligkeit Kardinal Louis Sako für die Willkommensworte. Wir sind in dieser  Kathedrale Unserer Lieben Frau von der Erlösung versammelt und empfangen Segen durch das Blut unserer  Brüder und Schwestern, die hier den äußersten Preis für ihre Treue zum Herrn und zu seiner Kirche bezahlt  haben. Das Gedenken an ihr Opfer ermutige uns, unser Vertrauen auf die Kraft des Kreuzes und seiner  heilbringenden Botschaft von Vergebung, Versöhnung und Wiedergeburt neu zu stärken. Der Christ ist  nämlich gerufen, die Liebe Christi allerorts und zu allen Zeiten zu bezeugen. Dies ist das Evangelium, das  auch in diesem geschätzten Land verkündet und verkörpert werden muss.  

Als Bischöfe und Priester, als Ordensmänner und Ordensfrauen, als Katecheten und verantwortliche  Laien teilt ihr die Freuden und Leiden, die Hoffnungen und Ängste der Christgläubigen. Die Bedürfnisse  des Volkes Gottes und die schwierigen pastoralen Herausforderungen, denen ihr euch täglich stellt, haben  sich in dieser Zeit der Pandemie verschlimmert. Doch niemals darf unser apostolischer Eifer gelähmt oder  vermindert werden; ihr bezieht ihn aus uralten Wurzeln, aus der ununterbrochenen Präsenz der Kirche in  diesen Ländern seit ihren Anfängen (vgl. BENEDIKT XVI., Apostolisches Schreiben Ecclesia in Medio  Oriente, 5). Wir wissen, wie einfach es ist, vom Virus der Mutlosigkeit angesteckt zu werden, das sich  manchmal um uns herum auszubreiten scheint. Und doch hat uns der Herr einen wirksamen Impfstoff gegen  dieses böse Virus gegeben: Es ist die Hoffnung, die aus dem beharrlichen Gebet und der täglichen Treue  zu unserem Apostolat erwächst. Mit diesem Impfstoff können wir mit stets neuer Energie voranschreiten,  um als missionarische Jünger und lebendige Zeichen der Gegenwart des Reiches Gottes, des Reiches der  Heiligkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens die Freude des Evangeliums zu teilen.

Wie sehr ist es nötig, dass die Welt um uns diese Botschaft hört! Vergessen wir nie, dass Christus  vor allem durch das Zeugnis eines Lebens verkündet wird, das von der Freude des Evangeliums verwandelt  wurde. Wie wir aus der altehrwürdigen Geschichte der Kirche in diesen Ländern ersehen können, ist ein  lebendiger Glaube an Jesus „ansteckend“ und kann die Welt verändern. Das Beispiel der Heiligen zeigt  uns, dass Jesus Christus zu folgen »nicht nur etwas Wahres und Gerechtes, sondern etwas Schönes ist, das  sogar inmitten von Prüfungen das Leben mit neuem Glanz und tiefem Glück erfüllen kann« (Apostolisches  Schreiben Evangelii gaudium, 167). 

Die Schwierigkeiten gehören zur alltäglichen Erfahrung der irakischen Gläubigen. In den letzten  Jahrzehnten habt ihr und eure Mitbürger euch den Folgen des Krieges und der Verfolgungen stellen müssen  wie auch der unzureichenden Grundinfrastruktur und dem stetigen Kampf um wirtschaftliche und persönliche Sicherheit, der oftmals zu internen Vertreibungen und zur Migration vieler, auch von Christen,  in andere Länder der Erde geführt hat. Ich danke euch, liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, dass ihr  eurem Volk nahe geblieben seid und es unterstützt habt: Ihr habt euch bemüht, die Bedürfnisse der  Menschen zu befriedigen, und habt jedem geholfen, seinen Beitrag im Dienst am Gemeinwohl zu leisten.  Das Apostolat eurer Teilkirchen im Bereich der Erziehung und der Caritas stellt eine wertvolle Ressource  für das Leben sowohl der kirchlichen Gemeinschaft als auch der gesamten Gesellschaft dar. Ich ermutige  euch, diesen Einsatz beharrlich fortzuführen, um zu gewährleisten, dass die katholische Gemeinschaft im  Irak, auch wenn sie klein ist wie ein Senfkorn (vgl. Mt 13,31-32), den Lauf des Landes in seiner Gesamtheit  weiterhin bereichere.  

Die Liebe Christi verlangt von uns, jede Art von Egozentrik und Konkurrenz beiseitezulassen; sie  drängt uns zur universalen Zusammengehörigkeit und ruft uns zur Bildung einer Gemeinschaft von Brüdern  und Schwestern, die einander annehmen und füreinander sorgen (vgl. Enzyklika Fratelli tutti, 95-96). Ich  denke an das vertraute Bild eines Teppichs. Die verschiedenen Kirchen hier im Irak, jede mit ihrem  jahrhundertealten geschichtlichen, liturgischen und spirituellen Erbe, sind wie viele einzelne bunte Fäden,  die miteinander verflochten einen einzigen wunderschönen Teppich ergeben, der nicht nur unsere  Geschwisterlichkeit bezeugt, sondern auch auf ihre Quelle zurückverweist. Denn Gott selbst ist der  Künstler, der diesen Teppich entworfen und geduldig gewebt hat, der ihn sorgfältig flickt in dem Wunsch,  dass wir als seine Söhne und Töchter untereinander gut verflochten sind. Immer mögen wir die Mahnung  des heiligen Ignatius von Antiochien beherzigen: »Nichts sei unter euch, das imstande wäre, euch zu  spalten, sondern bei eurer Versammlung sei ein Gebet, eine Bitte, ein Sinn, in untadeliger Freude« (Ad  Magnesios, 6-7; PL 5,667). Wie wichtig ist dieses Zeugnis geschwisterlicher Einheit in einer oft  zersplitterten und von Spaltungen zerrissenen Welt! Jede unternommene Anstrengung, zwischen  kirchlichen, pfarrlichen und diözesanen Gemeinschaften und Einrichtungen Brücken zu bauen, wird  nützlich sein als prophetische Geste der Kirche im Irak und als fruchtbare Antwort auf das Gebet Jesu, dass  alle eins sein sollen (vgl. Joh 17,21; BENEDIKT XVI., Apostolisches Schreiben Ecclesia in Oriente, 37). 

Hirten und Gläubige, Priester, Ordensleute und Katecheten teilen, wenn auch auf verschiedene  Weise, die Verantwortung, die Sendung der Kirche voranzubringen. Zuweilen mögen Missverständnisse  auftreten und können wir Spannungen erleben – es sind die Knoten, die das Flechten der  Geschwisterlichkeit behindern. Es sind Knoten, die wir in uns tragen; im Übrigen sind wir alle Sünder.  Doch diese Knoten können von der Gnade, von einer größeren Liebe gelöst werden; sie können von der  Vergebung und dem geschwisterlichen Dialog aufgeschnürt werden, wenn einer des anderen Last trägt (vgl.  Gal 6,2) und man sich in den Augenblicken der Prüfung und der Schwierigkeiten gegenseitig stärkt. 

Nun möchte ich ein besonderes Wort an meine Brüder im Bischofsamt richten. Ich denke gern an  unseren bischöflichen Dienst im Sinne von Nähe: unser Bedürfnis, bei Gott zu bleiben im Gebet und bei  den unserer Sorge anvertrauten Gläubigen und unseren Priester. Seid besonders euren Priestern nahe. Sie  mögen euch nicht als Verwalter oder Manager sehen, sondern als Väter, die darum besorgt sind, dass es  ihren Söhnen gut geht, und bereit sind, ihnen offenen Herzens Unterstützung und Ermutigung zu bieten.  Begleitet sie mit eurem Gebet, mit eurer Zeit, mit eurer Geduld, wertschätzt ihre Arbeit und lenkt ihr  Wachstum. Auf diese Weise werdet ihr für eure Priester sichtbares Zeichen Jesu, des Guten Hirten, sein,  der seine Schafe kennt und das Leben für sie hingibt (vgl. Joh 10,14-15).  

Liebe Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Katecheten sowie Seminaristen, die ihr euch auf  den künftigen Dienst als Priester vorbereitet: Ihr alle habt die Stimme des Herrn in euren Herzen  vernommen und wie der junge Samuel geantwortet: »Hier bin ich« (1 Sam 3,4). Diese Antwort – ich lade  euch ein, sie jeden Tag zu erneuern – lasse einen jeden von euch die Frohe Botschaft mit Begeisterung und  Mut weitergeben. Lebt und wandelt dabei immer im Licht des Wortes Gottes, das zu verkünden uns  geschenkt und aufgetragen ist. Wir wissen, dass unser Dienst auch einen Teil an Verwaltung mit sich bringt,  aber dies bedeutet nicht, dass wir unsere ganze Zeit in Sitzungen oder hinter einem Schreibtisch verbringen  müssen. Es ist wichtig, hinauszugehen mitten unter unsere Herde und für die Gläubigen in den Städten und  Dörfern da zu sein und sie zu begleiten. Ich denke an alle, die Gefahr laufen zurückzubleiben, vor allem an  die Jugendlichen, an die älteren Menschen, an die Kranken und die Armen. Wenn wir dem Nächsten mit  Hingabe dienen, wie ihr es tut, im Geist des Mitleids, der Demut, der Freundlichkeit und in Liebe, dann  dienen wir wirklich Jesus, wie er selbst es uns gesagt hat (vgl. Mt 25,40). Und wenn wir Jesus in den anderen dienen, entdecken wir die wahre Freude. Entfernt euch nicht vom heiligen Volk Gottes, in dem ihr  geboren wurdet. Vergesst nicht eure Mütter und eure Großmütter, die euch im Glauben „gestillt“ haben,  wie der heilige Paulus sagen würde (vgl. 2 Tim 1,5). Seid Hirten, Diener des Volkes und nicht Staatsbeamte.  Immer im Volk Gottes, niemals abgehoben, als wärt ihr eine privilegierte Klasse. Verleugnet nicht dieses  edle „Geschlecht“, das heilige Volk Gottes.  

Nun möchte ich auf unsere Brüder und Schwestern zurückkommen, die beim Terroranschlag in  dieser Kathedrale vor zehn Jahren ums Leben gekommen sind und deren Seligsprechungsverfahren läuft.  Ihr Tod erinnert uns nachdrücklich daran, dass Anstiftung zum Krieg, Haltungen des Hasses, Gewalt und  Blutvergießen mit den religiösen Lehren unvereinbar sind (vgl. Enzyklika Fratelli tutti, 285). Und ich  möchte an alle Opfer von Gewalt und Verfolgung, welcher religiösen Gemeinschaft sie auch angehören,  erinnern. Morgen werde ich in Ur die Oberhäupter der religiösen Traditionen hier in diesem Land treffen,  um noch einmal unsere Überzeugung kundzutun, dass die Religion der Sache des Friedens und der Einheit  unter den Kindern Gottes dienen muss. Heute Abend möchte ich euch für euren Einsatz als Friedensstifter  innerhalb eurer Gemeinschaften und mit den Gläubigen anderer religiöser Traditionen danken; dadurch  streut ihr Samen der Versöhnung und des geschwisterlichen Zusammenlebens aus, die zu einem  Wiederaufleben der Hoffnung für alle führen können.  

Ich denke vor allem an die junge Menschen. Überall sind sie Träger von Verheißung und Hoffnung,  ganz besonders in diesem Land. Hier gibt es nämlich nicht nur ein unschätzbares archäologisches Erbe,  sondern auch einen unermesslichen Reichtum für die Zukunft – es sind dies die jungen Menschen. Sie sind  euer Schatz, und man muss sich um sie kümmern, ihre Träume nähren, ihren Weg begleiten, ihre Hoffnung  mehren. Denn obwohl sie jung sind, wurde ihre Geduld von den Konflikten der letzten Jahre bereits hart  auf die Probe gestellt. Doch denken wir daran, zusammen mit den älteren Menschen sind sie die Juwelen  des Landes, die schmackhaftesten Früchte des Baumes: Es liegt an uns, sie im Guten anzupflanzen und mit  Hoffnung zu gießen. 

Brüder und Schwestern, durch Taufe und Firmung, durch Weihe oder Ordensprofess seid ihr dem  Herrn geweiht und gesandt, missionarische Jünger in diesem Land zu sein, das so eng mit der  Heilsgeschichte verbunden ist. Ihr seid Teil dieser Geschichte, wenn ihr treu Zeugnis von den Verheißungen  Gottes gebt, die niemals enttäuschen, und versucht, eine neue Zukunft aufzubauen. Euer Zeugnis, das in  den Widrigkeiten gereift ist und durch das Blut der Märtyrer gestärkt wurde, möge ein Licht sein, das im  Irak und darüber hinaus aufstrahlt, um die Größe des Herrn zu verkünden und den Geist dieses Volkes über  Gott, seinen Retter, jubeln zu lassen (vgl. Lk 1,46-47). 

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Noch einmal danke ich dafür, dass wir uns treffen konnten. Unsere Liebe Frau von der Erlösung  und der heilige Apostel Thomas seien euch Fürsprecher und mögen euch immer beschützen. Von Herzen  segne ich einen jeden von euch und eure Gemeinschaften. Und ich bitte euch, für mich zu beten. Vielen  Dank! 

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