Augsburg, 10 Januar, 2022 / 8:35 AM
Menschen persönlich fit und innerlich stark machen, damit sie gewappnet sind, um als kraftvolle Persönlichkeiten in Gegenwart und Zukunft zu bestehen: Das war das übergreifende Thema der diesjährigen „Weniger“- Konferenz. Der Augsburger Gebetshaus-Gründer und Theologe Johannes Hartl nahm dazu besonders die Sozialen Medien ins Visier.
Hat das Christentum der Gesellschaft überhaupt noch etwas zu sagen? Gibt es wichtige Themen, auf die Christen schneller reagieren als andere und mit denen sie vorne liegen? Wer sich an diesem Wochenende Zeit für die „Weniger“-Konferenz nahm, konnte sich bei einer der zahlenmäßig größten kirchlichen Veranstaltungen davon überzeugen.
Wie sozial sind Soziale Medien?
Vor zwei Jahren noch gab es die „Mehr“-Konferenz des Augsburger Gebetshauses als Präsenzveranstaltung mit mehr als 12.000 Teilnehmern in Augsburg sowie vielen weiteren Zuschauern im Online-Livestream. Diesmal sollte es anders werden, mit „weniger“ Teilnehmern – aufgrund von Corona. Doch kurz vor der Veranstaltung vereitelten die aktualisierten strengeren Regeln die Pläne der Vor-Ort-Veranstaltung im kleineren Rahmen. So wurden kurzfristig die Anmeldungen abgesagt und Karten umgetauscht. Alle Teilnehmer erhielten – jetzt auf dem Postweg – ein Mitmach-Buch, dessen Auflage von 5.000 Exemplaren allerdings schon Tage vor der Veranstaltung vergriffen war. Geschätzt 10.000 Teilnehmer waren nun online zugeschaltet; wer nicht rechtzeitig ein Buch erhalten hatte, konnte es sofort herunterladen – per Post kommt es als Nachdruck später.
Also wieder erfolgte eine riesige Resonanz. Im Augsburger Gebetshaus wird seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen gebetet, es bildet schön länger einen geistlichen Magneten in Deutschland. Die „Mehr“-Konferenz 2018 hat bereits als Video 687.000 Youtube-Klicks, einzelne Videos des Gebetshauses überschreiten die Drei-Millionen-Grenze. Und Gründer Johannes Hartl erreicht mit seinen Videos regelmäßig sechsstellige Zugriffsraten.
Der Erfolg der Veranstalter des Gebetshauses in den Sozialen Medien hielt Johannes Hartl aber keineswegs davon ab, einen übertriebenen Umgang mit Smartphone und Co. zu kritisieren, im Gegenteil. Ihre intensive Nutzung führt nach seiner Ansicht zu mehreren riskanten Megatrends.
„Die Lebensgeschwindigkeit nimmt rapide zu, nicht linear, sondern fast exponentiell“, sagte Johannes Hartl. Das weltweite Wissen verdoppelte sich in einer bislang unbekannten Geschwindigkeit. Das menschliche Gehirn könne dies aber nur verarbeiten, indem es die Informationsfülle oberflächlicher arbeite. Menschen hätten zwar mehr Daten, würden aber kaum noch dazu kommen, sie persönlich auszuwerten und zu beurteilen.
Durch die zunehmende Beschleunigung würden die gesellschaftlichen Fliehkräfte größer. Es sei einfacher, Technik zu beherrschen als Beziehungen zu gestalten. „Eile ist der Killer für Beziehungen.“ Die wachsende Unübersichtlichkeit in der Fülle an Informationen begünstige Angst sowie Gruppendynamik und Herdenreaktionen. Dies würde einen weiteren Megatrend auslösen, nämlich die zunehmende Emotionalisierung.
Johannes Hartl nannte mehrere Verstärker: „Bewegte Bilder berühren die Menschen mehr und verursachen stärkere Emotionen als alles andere. Dinge werden ohne sachlichen Grund mit Gefühlen aufgeladen.“
Menschen, die sich nicht emotional anstecken lassen, würden als auffällig gelten und geraten in Gefahr, sozial isoliert zu werden. Der Diskurs werde damit denjenigen überlassen, die lauter seien. Eine weitere Reaktion sei es, sich anzupassen. „Niemand ist frei davon, nach sozialer Anerkennung zu suchen.“ Politisch besonnen Ansichten würden sich weniger durchsetzen als emotionalisierte.
Lösungen und Ermunterung
„Wissen Sie, dass fünf der sechs wertvollsten Unternehmen weltweit mit Daten handeln?“ fragte Johannes Hartl. „Sie leben von unserer Aufmerksamkeit. Wenn ihre Nutzung teils kostenlos ist, dann sind wir die Ware!“ Die Betreiber wüssten, wie ihre Nutzer emotional reagieren, und könnten sie dazu bringen, immer mehr Zeit mit Mediennutzung zu verbringen. „Große Firmen arbeiten ununterbrochen daran, uns in virtuelle Scheinwelten zu ziehen, in denen sich Menschen mehr wohlfühlen als in realen Beziehungen“, beschrieb der promovierte Theologe. „Wer meine Aufmerksamkeit fesselt, gewinnt mein Herz“, sagte der Gebetshausgründer, der empfahl, sich diesem Trend zumindest teilweise zu entziehen und ihn zu kultivieren. „Lieber gebe ich Gott meine Aufmerksamkeit!“
Er forderten dazu auf, sich nicht einfangen zu lassen, die Reaktionen zu verlangsamen, nicht zu jedem Thema eine Meinung zu äußern, auch andere Meinungen zu hören und im kirchlichen Bereich einen Raum zu schaffen, wo unterschiedliche Meinungen ausgetauscht werden könnten, also eine versöhnte Verschiedenheit zu leben.
Als wichtigste Reaktion empfahl er die Anbetung, also Zeit in der Gemeinschaft mit Gott, sowie klare Lebensregeln, die gepflegte Gemeinschaft in Familien und sozialen Gruppen, digitales Fasten, Autorität durch Liebe und Furchtlosigkeit.
Die „Weniger“-Konferenz bot zwei weitere Höhepunkte: die Lebenszeugnisse der Zisterzienser-Brüder Kilian und Isaak Maria aus dem Kloster Neuzelle (Brandenburg), und den Vortrag der Ärztin und Psychotherapeutin Margarita Seiwald. Pater Kilian berichtete über seinen Ausstieg aus einem Leben mit Party, Sex und Drogen, das ihn in eine schwere Sinnkrise führte. Eine Auszeit im Kloster Heiligenkreuz vermittelte ihm eine Christus-Begegnung, die sein Leben völlig umkrempelte. Auch Pater Isaak Maria erlebte eine Bekehrung, die er als ein „Zusammenspiel von unendlicher Wahrheit und unendlicher Liebe“ bezeichnete. Er wandte sich gegen einen Dualismus als Konkurrenz von Leib und Seele. „Unser Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes“, betonten beide Priester. Sie riefen zu einem authentischen Lebensstil auf, mit innerer Freiheit und Souveränität: „Räumt die Götzen weg!“ forderten sie auf.
Mystik und Lobpreis
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Margarita Seiwald widmete ihren Vortrag der Stärkung der seelischen Gesundheit. Sie wies darauf hin, dass psychische Erkrankungen durch Gehirnfunktionen ausgelöst würden, die dem Willen des Menschen entzogen seien. Anhand zahlreicher Beispiele und Beschreibungen aus ihrem eigenen Leben schilderte sie alltägliche seelische Verwundungen, die in unterschiedlichen Ausprägungen bei jedem Menschen vorhanden seien. Durch Wahrnehmung und Kommunikation könnten innere Verletzungen ihre negative Wirkung verlieren.
In einem weiterem Vortrag stellte Johannes Hartl eine Reihe von Mystikerinnen und Mystikern vor, die durch ihre Gotteserfahrungen zu innerer Kraft und Stärke fanden. Und er befasste sich mit „inneren Antreibern“, die uns herausfordern und nach einer Reaktion verlangen.
Eingebettet waren die Vorträge und praktischen Übungen in Lobpreis- und Anbetungszeiten mit Veronika Lohmer und Band sowie mit Joy und Markus Fackler.
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