29. März 2021
Der etwas sperrige Begriff der "Vulnerabilität" ist durch die Corona-Pandemie verstärkt erörtert worden. Als eine Art Brandbeschleuniger wird dieser von einigen prominenten Vertretern von Theologie, Klerus und Laienverbänden in Deutschland die Erklärung der vatikanischen Glaubenskongregation angesehen, mit der Segensfeiern für homosexuelle Lebenspartnerschaften – mit ausdrücklicher Zustimmung von Papst Franziskus – nicht national, sondern global untersagt wurden.
Viele Christenmenschen empören sich. Nicht in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, sondern als Ortsbischof von Limburg hat Bischof Dr. Georg Bätzing in einem Interview davon gesprochen, dass viele Menschen durch die Kirche verletzt würden und empört seien: "Ich kann das Unverständnis verstehen und teile es ausdrücklich. Das Dokument aus Rom vom 15. März gibt den altbekannten Stand der Lehre wieder. Es wird aber in der Breite nicht mit einer Akzeptanz und einer entsprechenden Befolgung rechnen können. Ein Dokument, das sich in seiner Argumentation so eklatant einem Erkenntnisfortschritt theologischer und humanwissenschaftlicher Art verschließt, wird dazu führen, dass die pastorale Praxis darüber hinweggehen wird." Er wirbt für eine "Weiterentwicklung" der kirchlichen Lehre auf der Grundlage ungenannter, anscheinend absolut richtiger "Erkenntnisfortschritte" in den unbestimmt wie summarisch gefassten Humanwissenschaften und in der Theologie.
Bätzing fährt sodann fort: "Es besteht kein Zweifel daran, dass wir beim Synodalen Weg in Verbindung mit der Weltkirche bleiben werden. Von Rom erbitte ich jedoch auch Respekt für die Ernsthaftigkeit unserer Auseinandersetzung mit wichtigen Themen, vor die wir uns in der hiesigen pastoralen Situation gestellt sehen." Geht Rom etwa respektlos mit den Ortskirchen um? Das mag ich nicht glauben. Vielleicht mangelt es auch bisweilen manchen Katholiken an Demut und Respekt gegenüber Rom.
Dass sich bei manchen Kritikern und Skeptikern des Synodalen Wegs in dieser Zeit Gedanken an die Segenspraxis der alt-katholischen Kirche – die auch heute "in Verbindung", also in Gesprächen, aber nicht in Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche steht – in Deutschland einstellen, kann indessen nicht verwundern. Die Alt-Katholiken legen dar: "Die Bistumssynode 2003 hatte beschlossen, die in zahlreichen Gemeinden damals bereits im Gebrauch befindlichen Segensriten für Partnerschaftssegnungen zu sammeln und Interessierten zur Verfügung zu stellen. Damit wurde die Praxis der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften de facto durch die Synode anerkannt." Das erinnert sehr an gegenwärtige Diskussionen und Statements im Umfeld des Synodalen Wegs.
Nun haben sich etliche deutsche Bischöfe, darunter der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, ausdrücklich zur Lehre der Kirche bekannt und die klärenden Worte aus Rom begrüßt, gleichzeitig betont, dass es notwendig sei, seelsorglich für alle Menschen präsent, offen und ansprechbar zu sein. Zugleich aber macht es nachdenklich, dass Bischof Bätzing die Verletzungen betont, die die Kirche scheinbar Menschen zufügt. Die Verletzungen, die gegenwärtig entstehen und sich ausbreiten, bestehen auf anderen Ebenen: Wer immer wieder abweichende Standpunkte zur Lehre der Kirche verständnisvoll oder offensiv äußert, vertieft Spaltungen. Dem katholischen Frieden – horizontal wie vertikal, zeitlich wie überzeitlich – ist mit solchen Bekundungen in keiner Weise gedient.
Unbedingte Unterstützung hingegen verdient, was Kardinal Woelki zu der neuen Kontroverse ausgeführt hat. Der "Bonner Generalanzeiger" berichtete am 23. März 2021, dass der Kölner Erzbischof sich "weiterhin dafür einsetzen" werde, "dass wir Menschen einander – gleich welcher sexuellen Orientierung auch immer – mit Respekt, gegenseitiger Achtung und Wertschätzung begegnen". Es bleibe "für uns die Aufgabe, die mit der kirchlichen Beheimatung und Seelsorge für Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung verbundenen Fragen weiterzuführen". Das ist völlig richtig und begrüßenswert – und natürlich im Einklang mit Papst Franziskus und der vatikanischen Glaubenskongregation: "Die Erklärung der Unzulässigkeit von Segnungen der Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts ist daher weder eine ungerechte Diskriminierung noch enthält sie die Absicht, eine solche zu sein, sondern ruft die Wahrheit des liturgischen Ritus in Erinnerung und das, was dem Wesen der Sakramentalien zutiefst entspricht, so wie die Kirche sie versteht. Die christliche Gemeinschaft und die geistlichen Hirten sind aufgerufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen mit Respekt und Takt aufzunehmen; sie werden im Einklang mit der kirchlichen Lehre die am besten geeigneten Wege zu finden wissen, um ihnen das Evangelium in seiner Fülle zu verkünden. Diese Personen mögen gleichzeitig die aufrichtige Nähe der Kirche anerkennen – die für sie betet, sie begleitet, mit ihnen den Weg des christlichen Glaubens teilt – und ihre Lehren mit aufrichtiger Bereitwilligkeit annehmen. Die Antwortannehmen. Die Antwort auf das vorgelegte Dubium schließt nicht aus, dass Segnungen einzelnen Personen mit homosexueller Neigung gespendet werden, die den Willen bekunden, in Treue zu den geoffenbarten Plänen Gottes zu leben, wie sie in der kirchlichen Lehre vorgelegt werden; sie erklärt jedoch jede Segnungsform für unzulässig, die dazu neigt, ihre Verbindungen anzuerkennen."
Viele Katholiken in Deutschland beobachten die kirchenpolitischen Themen und gesellschaftlichen Fragen, die derzeit in der Kirche kursieren, aber etliche vermissen Gespräche über die Gottesfrage und die Verkündigung des Evangeliums. Vergessen wir also nie, dass Papst Franziskus am 30. Januar 2021 in einer Ansprache davor warnte, den Weg der Alt-Katholiken zu gehen: "Das ist Lehramt: Das Konzil ist Lehramt der Kirche. Entweder bist du auf der Seite der Kirche und folgst deshalb dem Konzil. Oder wenn du dem Konzil nicht folgst oder es auf deine Weise interpretierst, so wie du willst, dann bist du nicht auf der Seite der Kirche. In diesem Punkt müssen wir anspruchsvoll, streng sein. Über das Konzil darf nicht verhandelt werden, um mehr zu haben von etwas… Nein, das Konzil ist so. Und dieses Problem, das wir erleben, das Problem der Selektivität in Bezug auf das Konzil, hat sich im Lauf der Geschichte bei anderen Konzilien bereits wiederholt. Mich macht es sehr nachdenklich, dass nach dem Ersten Vatikanum eine Gruppe von Bischöfen weggegangen ist, eine Gruppe Laien, einige Gruppen, um die »wahre Lehre« fortzusetzen, die nicht die Lehre des Ersten Vatikanums war: »Wir sind die wahren Katholiken.« Heute weihen sie Frauen. Die strengste Haltung, um den Glauben ohne das Lehramt der Kirche zu bewahren, führt dich in den Ruin. Bitte, keine Zugeständnisse für diejenigen, die eine Katechese präsentieren wollen, die nicht mit dem Lehramt der Kirche übereinstimmt." Wenn Christen glauben, dass sie die "wahren Katholiken" sind – gestern und heute –, mögen sie von der Richtigkeit ihrer falschen Meinung überzeugt sein. Sie müssen also subjektiv wie objektiv ertragen, dass sie vom Lehramt der Kirche korrigiert werden. Bischöfe bleiben dazu berufen – wie jeder Weltchrist – treu zum Evangelium Jesu Christi, zum Credo und zur Lehre der Kirche zu stehen, im Leben und im Sterben. Ob uns persönlich das gefällt oder nicht, es ist, wie der Kirchenvater Ambrosius lehrte: "Ubi Petrus, ibi ecclesia (= Wo der Papst ist, ist die Kirche)." Wir alle müssen zudem immer wieder neu und immer mehr lernen, den katholischen Frieden untereinander, in der Ortskirche und mit Rom zu bewahren, zu festigen und zu vertiefen.
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