Die heilige Wiborada von St. Gallen, die erste in einem offiziellen römischen Verfahren heiliggesprochene Frau, wurde um das Jahr 900 als Tochter einer vornehmen alemannischen Familie geboren. Schon früh zeigte sich ihre tiefe religiöse Hingabe.

Zusammen mit ihrem Bruder Hitto, der in der Klosterschule von St. Gallen unterrichtet wurde, lernte Wiborada die Psalmen auswendig. Eine Wallfahrt zu den sieben Pilgerkirchen in Rom festigte ihren Glauben.

Nach dem Tod ihrer Eltern begann Wiborada ein streng asketisches Leben. Im Jahr 912 zog sie sich mit zwei weiblichen Dienern in eine kleine Zelle in der Georgskirche bei St. Gallen zurück.

Vier Jahre später, zu Pfingsten 916, entschied sie sich endgültig für ein Leben als Reklusin. Eine Reklusin ist eine Frau, die sich aus religiösen Gründen freiwillig in eine Zelle oder ein kleines Zimmer zurückzieht, um in völliger Abgeschiedenheit zu leben. Dieses asketische Leben in Einsamkeit und Gebet, abgetrennt von der Außenwelt, war darauf ausgerichtet, sich ganz auf die geistige Beziehung zu Gott zu konzentrieren.

Bischof Salomon von Konstanz sperrte sie in eine Zelle in der Magnuskirche in St. Mangen. Hier lebte sie abgeschieden von der Welt, doch ihre spirituelle Weisheit zog viele Menschen an, die bei ihr Rat und Trost suchten.

Beim Ungarneinfall in St. Gallen 926 spielte Wiborada eine entscheidende Rolle: Mit klarem Blick erkannte sie die drohende Gefahr und riet den Mönchen, die wertvolle Klosterbibliothek auf die Insel Reichenau zu evakuieren.

Dank ihres Rates konnte die Bibliothek, die das älteste Buch in deutscher Sprache aus dem Jahr 720 und das älteste Liederbuch der Welt enthält, vor der Zerstörung bewahrt werden.

Während die Mönche in eine nahe gelegene Fluchtburg flohen, blieb Wiborada ihrem Gelübde treu und weigerte sich, ihre Zelle zu verlassen. Ihr Mut brachte ihr den Märtyrertod: Die einfallenden Ungarn erschlugen sie mit Streitäxten. Bereits ein Jahr nach ihrem Tod wurde ihr Andenken in St. Gallen geehrt und der 2. Mai zu ihrem Gedenktag bestimmt.

Um 965 verfasste Ekkehart IV., der Dekan des Klosters, ihre Lebensgeschichte auf der Grundlage von Zeugnissen, unter anderem von ihrem Bruder Hitto.

Papst Clemens II. sprach Wiborada 1047 als erste Frau in einem offiziellen römischen Verfahren heilig. Ihr Andenken wird durch ihre Attribute – ein Buch, das für die gerettete Bibliothek steht, und eine Hellebarde, das Werkzeug ihres Martyriums – lebendig gehalten.

Heute gilt Wiborada als Patronin der Pfarrhaushälter, der Köche, der Bibliotheken und der Bücherfreunde sowie des Bistums St. Gallen.

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