6. Juli 2019
"Steht die katholische Kirche in Deutschland vor einem epochalen Wandel?" Diese Frage mag sich so mancher von uns nach den Worten von Kardinal Reinhard Marx gestellt haben. Pointiert sagte er am vergangenen Mittwoch: "Wer das nicht sieht, hat sein geistiges und intellektuelles Auge nicht richtig justiert." Sind viele Katholiken in Deutschland mit Blindheit geschlagen? Leiden wir an Realitätsverlust? Ausgerechnet am Apostelfest, also am Tag des heiligen Thomas, appellierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz entschlossen an alle deutschen Katholiken, die "Zeichen der Zeit" wahrzunehmen, zu verstehen und – wie sonst? – "im Licht des Evangeliums" zu deuten.
Nun wurde der "grobe Fahrplan" für den "Synodalen Weg" vorgestellt. Fragen ergeben sich. Ob die ganz normalen Katholiken, die ihre Lichter in den Kirchen anzünden, eine Stimme haben werden? Ob die Beter gesehen werden, die still und zurückgezogen, verborgen vor der Welt, den Rosenkranz beten oder mit dem heiligen Bruder Konrad denken: "Das Kreuz ist mein Buch"? Ob die aufrichtige Sehnsucht der Menschen – oft nur ganz leise und zaghaft angedeutet – bemerkt wird, die nicht von Reformvorhaben bewegt werden, sondern Halt und Orientierung suchen, den allein Gott und der Glaube der Kirche schenken kann? Ob an ängstliche, vereinsamte, traurige Schüler gedacht wird, die inmitten unserer aufgeklärten, liberalen Gesellschaft ihres Glaubens wegen verspottet, verhöhnt und diskriminiert werden? Ob an Liebende gedacht wird, die einander nicht weniger lieben als die Kirche des Herrn? Ob Kinder in den Blick genommen werden, die an der schmerzhaften Entzweiung ihrer Eltern leiden? Ob jemand wagen wird, vom Lebensschutz zu sprechen und für diesen konsequent einzustehen? Ob die Beteiligten vielleicht einen gemeinsamen Ausflug nach Berlin machen – und am "Marsch für das Leben" teilnehmen? Ob Katholiken gehört werden, die sich nichts lieber wünschten, als dass ihnen in der Predigt das Evangelium des Sonntags ausgelegt – und nicht die neueste kirchenpolitische Meinung mitgeteilt würde? Ob nur von der "DNA der Kirche" oder auch wirklich vom dreifaltigen Gott die Rede sein wird, so wie in dieser hörenswerten Predigt von Pater Engelbert Recktenwald? Ob inmitten dieser regionalen Dialoge die weltkirchliche Dimension gegenwärtig sein wird – und die Not der verfolgten Christen ins Bewusstsein tritt? Wenn Sie denken, dass ständig so viel und noch mehr von der Kirche in Deutschland und so wenig von der Welt die Rede ist, schauen Sie doch einfach mal auf die Homepage von "Open Doors".
Ja, der "grobe Fahrplan" steht für den "Synodalen Weg" in Deutschland. Mögen alle Beteiligten, die wir gewiss im Gebet begleiten werden, die "Zeichen der Zeit" erkennen und im "Licht des Evangeliums" deuten. Kein Bischof, so hat Kardinal Marx erklärt, könne zur Umsetzung der gefassten Beschlüsse verpflichtet werden. Das stimmt, aber zugleich gilt: Jeder Bischof – und mit ihm jeder einfach gläubige römische Katholik – ist verpflichtet, auf den Heiligen Vater zu hören. Papst Franziskus hat am 17. Oktober 2015 dargelegt, wie ein "Synodaler Weg" gestaltet sein soll: "Der Weg der Synode setzt sich fort im Hinhören auf die Hirten. Durch die Synodenväter handeln die Bischöfe als authentische Hüter, Ausleger und Zeugen des Glaubens der ganzen Kirche, wobei sie verstehen müssen, diesen von den oft wechselhaften Strömungen der öffentlichen Meinung zu unterscheiden. … Und schließlich gipfelt der synodale Weg im Hören auf den Bischof von Rom, der berufen ist, als »Hirte und Lehrer aller Christen« zu sprechen: nicht von seinen persönlichen Überzeugungen ausgehend, sondern als oberster Zeuge der fides totius Ecclesiae [des Glaubens der gesamten Kirche], als »Garant des Gehorsams und der Übereinstimmung der Kirche mit dem Willen Gottes, mit dem Evangelium Christi und mit der Überlieferung der Kirche«. Die Tatsache, dass die Synode immer cum Petro et sub Petro handelt – also nicht nur cum Petro, sondern auch sub Petro – ist keine Begrenzung der Freiheit, sondern eine Garantie für die Einheit."
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