Ein gesprächsweise mitgeteiltes Wort des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber hat Eugen Kogon aufgenommen und zitiert: "Erfolg ist keiner der Namen Gottes." Wir hören von lokaler Kirchentwicklung aus Ordinariaten und bezeugen lokale Kirchenschließungen. Wir hören von Aufbrüchen und sehen Abbrüche. Leise Traurigkeit ist in die Gesichter so vieler Weltchristen und Kleriker eingezeichnet, deren Erinnerung zurückreicht in die Zeiten, als die Kirchenbänke noch gefüllt waren, wenn die Glocken zur heiligen Messe riefen. Heute sind viele Kirchen, besonders in der Diaspora, profaniert und einer weltlichen Nutzung überlassen worden.

Indessen scheint es ratsam zu sein, sich davor zu hüten, die vermeintlich prachtvolle Vergangenheit zu verklären und sich über die Symptome der Gegenwart zu beklagen – so verständlich der Kummer über den Schwund des Glaubens im Herzen Europas auch ist. Die verbliebenen Gläubigen schauen dem oft ohnmächtig zu. Aber einige Suchende klopfen noch immer an, an unsere Portale, an unsere Herzen. Werden die Suchenden gehört? Oder verharren sie skeptisch vor der Tür und ziehen weiter, weil die wieder aufgefrischte Litanei der kirchlichen Selbstbeschäftigung nach außen dringt? Die Suchenden klopfen an, oft kaum hörbar, aber sie sind da, weil sie – vielleicht nur ahnungsvoll und auch noch verborgen vor sich selbst – sich nach dem Brot des Lebens verzehren. Weil Gott sie angerührt hat, rühren sie sich, zaghaft, leise, kaum sichtbar. Der, der in das menschliche Herz sieht, biblisch gesprochen: der die ganze Person sieht und erkennt, ist unruhig nach seinen geliebten Kindern – und die Suchenden hoffen nicht auf eine Provinzbühnenfestspiele, nicht auf Talkshows mit Bischöfen, nicht auf das neue Dialog- und Diskurstheater "Aufbruch 2019plus" und nicht auf die Umsetzung der Agenda, von der so viele Etablierte glauben, dass sie zugleich die "Zeichen der Zeit" verstanden und einen Nerv getroffen haben.

Ohnmächtig schauen wir zu – Gläubige und Suchende –, kopfschüttelnd, ratlos, schweigend und auch missvergnügt. Einige wollen fortwährend reden, andere möchten nur beten. Oder zu beten beginnen. Und wenn sie nicht beten möchten oder können, dann möchten sie vielleicht nur schweigend in einer Kirche sitzen, nicht weil sie einer Dialogveranstaltung beiwohnen möchten, sondern einfach dort sitzen, vielleicht knien, sich umschauen, auf das Kreuz schauen und warten. Schweigend vor dem Tabernakel verharren. Ja, so viele Suchende warten vielleicht noch immer auf den, mit dem manche Angehörige der katholischen Parallelgesellschaft längst nicht mehr zu rechnen scheinen.

Ganz normale Katholiken sind auch müde geworden, wenn sie sehr wunderliche Deutungen des Neuen Testaments vernehmen müssen. Es gab Machtmissbrauch schon unter den Jüngern? Wir hören davon aufs Neue in diesen Tagen: "Jesus hatte Stress mit den Jüngern. Er fragt sie einmal: »Worüber habt ihr gestritten?« Die Antwort: »Wer der Größte unter uns sein kann.« Man sieht hier, dass das Streben nach Macht und damit auch verbunden der Missbrauch von Macht so alt ist wie die Kirche selbst. Deshalb die Aussage, dass der Machtmissbrauch zur DNA der Kirche gehört." Exegetisch ist richtig, dass vom Streben nach Macht die Rede ist. Nicht nur exegetisch, auch schlicht logisch falsch ist, dass der Wille zur Macht identisch ist mit dem Besitz und Missbrauch von Macht. Wir vernehmen ohnmächtig Worte wie diese. Leicht ist zu sehen, dass die Verkehrtheit der so oft wiederholten, umstrittenen Aussage offen zutage tritt: Wenn schon das Machtstreben einzelner Jünger nicht dasselbe und auch nicht verbunden mit dem Missbrauch von Macht ist, wie kann dann Machtmissbrauch zur "DNA der Kirche", zu ihrem Wesen gehören? Vom Streben nach Macht, Geltung und Einfluss, ja von Sünde ist im Evangelium die Rede, nicht aber vom Machtmissbrauch, der in den genetischen Code der Kirche eingeschrieben sei. Zu erinnern ist an ein Wort des Regensburger Bischofs Dr. Rudolf Voderholzer: "Ich kann auch nicht verstehen, wie man … behaupten kann, der Missbrauch von Macht sei Bestandteil des Erbguts der Kirche. Tatsache ist, dass Auflehnung gegen Gott, Versuchbarkeit und Neigung zur Selbstverkrümmung zum Erbgut des Menschen in Adam und Eva gehören."

Die Kirche ist nicht eine von Menschen erdachte und gestaltete Einrichtung, sondern die Stiftung unseres Herrn Jesus Christus. Was in die Gemeinschaft der Jünger eingezeichnet ist, neben dem Streben nach Macht, sind Unsicherheit und Zweifel – auch dann, als der Auferstandene ihnen erscheint und begegnet. So heißt es in Mt 28,16-18: "Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde."

Wir können gewiss sein, dass eine theologische Aufklärung über virulente exegetische Meinungen wie diese und kirchenpolitische Thesen auf dem "Synodalen Weg" nicht erfolgen wird. Wir können ebenso vollkommen gewiss sein: Es gibt nur einen einzigen Herrn der Kirche – und das ist Jesus Christus. Ihm gegenüber bleiben alle, ob sie sich wortmächtig artikulieren, auf Erden mit Ämtern und Macht versehen oder einfache Bettler vor Gott sind, ohnmächtig. Auch Papst Franziskus übrigens sprach in der Generalaudienz vom 12. Juni 2019 vom Wesen der Kirche – postmodern gesagt: von der "DNA" – und erinnerte an eine ganz andere Wirklichkeit:

"Auch wir müssen die Schönheit wiederentdecken, den Auferstandenen zu bezeugen, indem wir aus selbstbezogenen Haltungen herauskommen und darauf verzichten, die Gaben Gottes für uns zu behalten, und nicht der Mittelmäßigkeit nachgeben. Die Wiederherstellung des Apostelkollegiums zeigt, dass in die DNA der christlichen Gemeinde die Einheit und die Freiheit von sich selbst eingeschrieben sind, die es gestatten, die Vielfalt nicht zu fürchten, sich nicht an die Dinge und die Gaben zu hängen und »martyres« zu werden, also leuchtende Zeugen des lebendigen Gottes, der in der Geschichte wirkt."

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