[Lesungen HIER]

Liebe Schwestern und Brüder,

am heutigen Palmsonntag wird als Evangelium die Passionsgeschichte Jesu gelesen. Ich möchte nur drei Punkte herausgreifen, die mir persönlich wichtig erscheinen. Erstens: Jesu Gang nach Jerusalem; zweitens: Jesu Leiden am Ölberg; und drittens: Sein Wort am Kreuz „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“.

Erstens: Jesus hat sich lange in Galiläa aufgehalten, auch in Judäa. Das entscheidende für ihn war aber dann sein Weg nach Jerusalem. Er wollte schließlich sein ganzes Volk und dessen Führer für das Reich Gottes gewinnen. Entscheidend war sein Ringen um die heilige Stadt und den Tempel. Es ging auch um die Konfrontation mit den Führern seines Volkes, mit den Theologen seines Volkes. Und er hatte mehrfach vorausgesagt, dass er in Jerusalem leiden werde. Er ging also seinem Leiden entgegen. Er wusste, was auf ihn zukam, aber er musste um sein Volk und die Erfüllung seines Auftrages ringen. Die Jünger warnten ihn teilweise vor der Konfrontation. Einmal sagten sie ihm, er solle nicht nach Jerusalem gehen, denn dort würde er ja gesteinigt. Aber Jesus kannte eben seinen Auftrag, sein Volk zu gewinnen. Es reichte nicht, ein paar Anhänger in Galiläa und Judäa gewonnen zu haben. Es ging um das ganze Volk – auf Leben und Tod. Es war sein Lebensdrama.

Und dann als Zweites: Jesu Ringen am Ölberg. Diese Szene bewegt mich seit langem am meisten. Denn wenn wir im Rosenkranz beten: „Der für uns Blut geschwitzt hat“, dann ist das für uns vielleicht fern und ein wenig unverständlich. Mir ist vor Jahren aufgegangen: Hier hat Jesus mit der Versuchung gerungen, im Dunkel des Abends und der Nacht zu fliehen, sich auf und davon zu machen. Er wusste ja, welches Leiden auf ihn zukommen würde. Er rang mit der Versuchung, dem Leiden noch einmal zu entkommen. Und es kamen ihm vielleicht die Gedanken: Ich fliehe jetzt, um die Verkündigung des Reiches Gottes noch einmal neu in Galiläa zu versuchen. Es ist mir bisher nicht gelungen. Ich hatte keinen Erfolg. Auch habe ich vielleicht die falschen Jünger ausgewählt, denn sie zeigen sich als zu einfältig und zu feige. Und er geht zu ihnen in seinem Ringen. Und er findet sie schlafend. Also: Es waren offenbar nicht die richtigen Personen. Sie hatten offenbar die ganze Dramatik noch nicht verstanden. Dreimal ging er zu ihnen, vielleicht suchte er bei ihnen sogar Hilfe und Rat. Aber sie schlafen. Und dann heißt es, dass ein Engel kam, Jesus zu trösten. Ich erlaube mir die Frage: War es vielleicht seine Mutter Maria? Es ist doch höchst wahrscheinlich, dass sie ihm in der Ferne gefolgt war. Es ist doch höchst wahrscheinlich, dass sie seit langem gefühlt hatte: Er geht in seinen Tod. Sie war innerlich bei ihm, während seine Jünger schliefen.

Und schließlich rang Jesus sich durch, zu bleiben. „Vater, dein Wille geschehe, nicht der meine.“ Es war nicht nur ein frommes Beten, es war ein schweres Ringen und dann die Anerkennung des Willens Gottes. Es ging Jesus um das Heil der Menschen.

Und schließlich kommen wir zum dritten Punkt von Jesu Leiden. Mich bewegt besonders das Wort Jesu am Kreuz: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Diese Worte spricht jeder Christ, der abends das kirchliche Abendgebet betet. Dort in der Komplet heißt es: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Auch Christen haben ja oft Angst. Es ist gut, nicht mit Angst einzuschlafen. Daher ist es gut, vor dem Zu-Bettgehen und vor dem Einschlafen zu beten: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Es ist ein Zeichen und Gebet des Vertrauens. Der Vater wacht über dem Einschlafenden und auch über dem Sterbenden. Der Geist des Menschen fällt nicht ins Nichts. Er lässt seinen Geist in die Hände des Vaters fallen. Und die Anrede an Gott als Vater ist auch extrem wichtig. Auf die Frage der Jünger: „Herr, wie sollen wir beten?“, lehrt Jesus die Jünger das Vaterunser. Gott ist und bleibt zwar ein unendliches Geheimnis, ein Mysterium. Aber Jesus lehrt uns, Gott „Vater“ zu nennen. Das ist die Grundlage des Vertrauens und der Kraft. Jesus ruft am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Aber auch „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“. Beten wir in all der Not unserer Zeit, bei all den Fragen, die uns umtreiben, wie Jesus am Ende des Tages: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Amen.

Pater Eberhard von Gemmingen SJ war von 1982 bis 2009 Redaktionsleiter der deutschen Sektion von Radio Vatikan.

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