Jesuiten in Bolivien: Orden bestreitet Tagebuch-Fälschung im Missbrauchsskandal

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Mario Azzi / Unsplash (CC0)

Der Jesuitenorden in Bolivien hat öffentlich erklärt, das Tagebuch des mutmaßlichen Kinderschänders Pater Alfonso Pedrajas nicht zensiert oder anderweitig verändert zu haben, bevor es der Staatsanwaltschaft übergeben wurde.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom 24. Juni wurden offenbar Teile des Tagebuchs entfernt und andere geschwärzt. Das Tagebuch des als "Padre Pica" bekannten Verstorbenen soll mehrere andere Jesuiten belasten, die offenbar von dem mutmaßlichen Missbrauch durch Pedrajas wussten.

Nach Angaben des Ordens in Bolivien hat der Jesuitenpater Alfonso Pedrajas das Tagebuch am 20. Juni der Generalstaatsanwaltschaft übergeben, "so wie wir es erhalten haben, ohne seinen Inhalt zu kennen oder zu bewerten".

Es handelt sich um das Tagebuch, in dem der inzwischen verstorbene spanische Jesuit nach bisherigen Erkenntnissen über 85 Missbrauchsfälle notiert hat, die er in seiner Zeit als Pater in Bolivien begangen hat.

Im Rahmen des Verfahrens erhielten die Jesuiten in Bolivien das Tagebuch nach eigenen Angaben von der Generalkurie der Gesellschaft Jesu in Rom — und übergaben es der Staatsanwaltschaft.

Die Leiterin der Staatsanwaltschaft, Daniela Cáceres, bestätigte auf einer Pressekonferenz, am 24. Juni von der Gesellschaft Jesu in Bolivien eine Kopie des Tagebuchs von Pedrajas in einem versiegelten Umschlag erhalten zu haben.

Sie stellte jedoch fest, dass das Material ihrer Meinung nach "nicht vollständig ist, es gibt Seiten, die übersprungen wurden, und Abschnitte, die durchgestrichen und gelöscht wurden".

Um den Vorfall aufzuklären, kündigte die Untersuchungsbehörde an, einen Weg zu suchen, um an das vollständige Dokument zu gelangen. Man erwäge, die spanische Staatsanwaltschaft um Kooperation zu bitten.

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Die Gesellschaft Jesu gab daraufhin eine Erklärung ab, der zufolge das Tagebuch "der Staatsanwaltschaft in einem versiegelten Umschlag übergeben wurde, so wie es aus Rom angekommen war".

"Die Übergabe des Tagebuchs, so wie es ankam, ohne seinen Inhalt zu kennen oder zu bewerten, war ein klares Zeichen der Transparenz und des Willens der Gesellschaft Jesu, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, zum Wohle der Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Alfonso Pedrajas und andere Jesuiten", heißt es weiter.

Der Orden in Bolivien wisse nicht, "wie dieses Dokument in das Dikasterium für die Glaubenslehre gelangt ist".

Der bolivianische Zweig der Jesuiten wisse auch nicht, "ob es in seiner Gesamtheit oder in einem vollständig lesbaren Zustand übergeben wurde", wie die Staatsanwaltschaft behauptet.

"Dieser Aspekt müsste vom Dikasterium geklärt werden", so die Jesuiten in Bolivien.

Der Umschlag sei von der Generalkurie der Gesellschaft Jesu in Rom an den Provinzial in Bolivien geschickt worden, der ihn wiederum vom vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre erhalten habe. Dieses Dikasterium wird von einem Jesuiten geleitet: Kardinal Luis Ladaria Ferrer wurde 2017 von Papst Franziskus — ebenfalls ein Jesuit — zum Nachfolger von Kardinal Gerhard Ludwig Müller ernannt.

Andererseits betonte der Orden, dass er bis heute keine Kopie des Tagebuchs erhalten habe, um die er die Staatsanwaltschaft bei der Übergabe förmlich gebeten habe.

Der 2009 verstorbene Jesuitenpater Alfonso Pedrajas hatte nach Enthüllungen der spanischen Tageszeitung El Pais Anfang Mai in Bolivien unter anderem eine Schule für Jungen aus armen Familien betrieben und sich so immer neue wehrlose Opfer für seine Sexualverbrechen gesucht.

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Der als "Padre Pica" bekannte Mann soll demnach mindestens 85 Minderjährige schwer missbraucht und unter anderem auch in einer homosexuellen Beziehung gelebt haben, so El Pais.

Die Enthüllungen belasten auch die Jesuiten schwer, heißt es: Sowohl sein Orden als auch befreundete Jesuitenpatres hätten von Pedrejas Verbrechen gewusst, sie aber offenbar nie verhindert, berichten Medien.

Inzwischen sind weitere Missbrauchsvorwürfe gegen Jesuiten in Bolivien bekannt geworden. Auch in Spanien steht der einst vom heiligen Ignatius von Loyola gegründete Orden, dem auch Papst Franziskus angehört, unter Druck, jahrelange Vorwürfe sexueller Gewalt durch Jesuiten aufzuklären.

Übersetzt und redigiert von der deutschen CNA-Agentur ACI Prensa.