[Lesungen HIER]

Die entscheidenden Worte des heutigen Evangeliums lauten: „Bleibt in mir, und ich bleibe in euch. Wer in mir bleibt, und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht. Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“

Wir müssen uns gründlich mit diesem Wort Jesu befassen. Im Allgemeinen sind wir ja der Überzeugung, dass es zwischen Jesus und uns ein Gegenüber gibt. Wenn wir beten, stellen wir uns vor, dass wir Jesus wie einem Du gegenüberstehen. Es ist ein Verhältnis von einem Ich zu einem Du. Und in vielen anderen Worten Jesu wird das auch bestätigt: Bittet und ihr werdet empfangen.

Und nach unserem heutigen Text stehen wir Jesus nicht gegenüber, sondern wir sind in ihm und Jesus ist in uns. Jesus sagt: Bleibt in mir, und ich bleibe in euch. Wir stehen also nicht gegenüber, sondern sind ineinander. Wie können wir das verstehen?

Ja – es ist eine geheimnisvolle, eine mystische Sache. Es hilft vielleicht, wenn wir an das berühmte Wort des Paulus auf dem Areopag in Athen erinnern. Dort sagt Paulus den Athenern: In Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Gott ist also kein Gegenüber, sondern gleichsam ein Raum, eine Atmosphäre, ein Ambiente. Gott ist nicht oben oder unten, nicht rechts oder links, nicht fern und nicht nah. Aber man kann wohl anfügen: Gott ist sowohl draußen wie auch drinnen. Er ist außer uns, aber auch in uns.

Freilich sagt es Jesus seinen Jüngern auch noch in einem Bild, das diesen wohl vertrauter ist. Er sagt von sich: Ich bin der Weinstock, ihr – meine Jünger – seid die Reben an mir, dem Weinstock. Ihr seid also die Früchte, die der Weinstock hervorbringt. Aber ihr könnt nur gute Reben sein, wenn ihr am Weinstock bleibt. Und dann macht Jesus sprachlich einen Sprung. Er springt von dem Wort „am Weinstock“ über auf das Wort „in ihm sein“. Und das will er auch uns sagen: Wir sollen gleichsam nicht nur an ihm hangen, sondern in ihm leben, sodass wir in ihm leben und er in uns lebt. Nur wenn wir in ihm leben, können wir wahre Christen sein, also nicht nur die Gebote halten, sondern mystisch gleichsam in ihm leben.

Und dann kommt in Jesu Worten nochmal ein Sprung: Wenn wir in ihm bleiben, dann können wir bitten, was immer wir wollen, er werde es uns geben. Es bleibt also auch ein gewisses Gegenüber. Aber Voraussetzung für das bittende Gegenüber ist das in-ihm-Sein.

Ich möchte dieses Verhältnis Jesu zu einem gläubigen Menschen deutlich machen durch den Verweis auf eine unglaubliche christliche Frau unserer Tage. Ich meine die deutsche Ärztin Ruth Pfau. Ruth Pfau pflegte und heilte über 50 Jahre lang in Pakistan Leprakranke. Sie trug ständig auf der Brust einen kleinen Behälter mit einer verwandelten Hostie. Ein halbes Jahrhundert lang kümmerte sie sich um Leprakranke, pflegte und heilte sie. Sie sagte einmal: „Ich weiß nicht, wie ich das Leben bestehen könnte, wenn ich ihn nicht hätte.“ Sie lebte nicht nur beim Herrn, sondern im Herrn. Der Herr lebte in ihr. Darum geht es im eigentlichen Christenleben.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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