Priester warnt: Haiti droht ein „echter Völkermord“

Kind in Haiti
Tim Trad / Unsplash (CC0)

Der Leiter des Kommunikationsbüros der Erzdiözese Port-au-Prince hat in einem Interview mit ACI Prensa vor einem möglichen „Völkermord“ in Haiti gewarnt.

Pater Henry Marc Siméon rief die internationale Gemeinschaft auf, Haiti angesichts der eskalierenden Krise zu helfen, die von Gewalt und Instabilität geprägt ist.

Der vermeintliche Genozid scheint freilich selbst verübt: Pater Siméon beschrieb die düstere Realität in den Straßen von Port-au-Prince, wo Leichen ein alltäglicher Anblick sind. „Manche sagen, dass sich Port-au-Prince in einen Friedhof unter freiem Himmel verwandelt hat. Man geht die Straße entlang inmitten von Leichen. Jeden Tag, wenn man durch das Stadtzentrum geht, stößt man auf die Leichen unbekannter Menschen, die von ihren Familien oft nicht würdig bestattet werden“, erklärt er.

Der Hilferuf von Pater Siméon im Interview mit ACI Prensa, der spanischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch, erinnert an die wiederholten Appelle von Papst Franziskus, der zuletzt am 28. April beim Regina-Caeli-Gebet in Venedig betete, dass Gott „die Herzen erleuchten möge, um den Willen zum Dialog und zur Versöhnung unter allen zu fördern“.

Haiti, das nach Angaben der Weltbank das ärmste Land Lateinamerikas ist, hat mit schweren sozioökonomischen und politischen Problemen zu kämpfen. Die Geschichte des Landes ist geprägt von Kriminalität, Korruption, Naturkatastrophen und politischen Unruhen. Von dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2010 hat sich das Land bis heute nicht erholt. Ein weiteres Erdbeben der Stärke 7,2 im August 2021, gefolgt vom Tropensturm Grace, hat die Verwüstung noch verschlimmert.

Die Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 durch eine der vielen Banden im Land hat die Krise weiter verschärft.

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Trotz internationaler Bemühungen zur Stabilisierung des Landes hielten die politischen Spannungen an, die durch umstrittene Wahlen und weit verbreitete Proteste gegen die Regierung noch verschärft wurden. Am 25. April trat Premierminister Ariel Henry zurück und Michel Patrick Boisvert übernahm die Amtsgeschäfte.

Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigen fast fünf Millionen Haitianer angesichts der grassierenden Gewalt dringend Nahrungsmittelhilfe. Bandenkriege, vor allem in der Hauptstadt, stellen eine große Herausforderung dar, die notleidende Bevölkerung mit der notwendigen Hilfe zu versorgen.

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Pater Siméon wies darauf hin, dass nach Angaben der Vereinten Nationen fast 90 Prozent des Stadtgebiets von Port-au-Prince von Banden kontrolliert werden. „Wir können nicht in andere Teile des Landes reisen, ohne die von Banden kontrollierten Checkpoints zu passieren und Wegezoll zu zahlen“, erklärte er.

Entführungen sind an der Tagesordnung. Pater Siméon berichtete von einem Vorfall, bei dem kürzlich ein Fahrzeug mit Ordensschwestern und Laien an einer von einer Bande kontrollierten Mautstelle angehalten und entführt wurde.

Trotz dieser erschreckenden Bedingungen setzen einige Ordensgemeinschaften ihre Arbeit fort, wenn auch unter großen Schwierigkeiten. Entführungen von Ordensleuten sind an der Tagesordnung. In jüngster Zeit wurden unter anderem Mitglieder der Schwestern von Sainte-Anne und der Brüder vom Heiligen Herzen entführt.

Vor diesem Hintergrund arbeitet die katholische Kirche in Haiti aktiv mit der Jugend zusammen, um die Flut der Gewalt einzudämmen. „Es gibt viele Initiativen, mit denen wir die Jugendlichen unterstützen und ihnen helfen, die Realität der Gewalt, der Sicherheit und deren Auswirkungen auf ihr Leben und ihre Zukunft zu verstehen“, sagte Pater Siméon und unterstrich damit die Bemühungen der Kirche, Veränderung und Hoffnung unter der jungen Bevölkerung zu fördern.