„Wir haben die größte Christenverfolgung aller Zeiten“ – Pater Karl Wallner über Kirchenreformen und Mission

Interview mit dem Nationaldirektor von Missio Österreich

Pater Karl Wallner OCist zu Besuch im Studio von EWTN Vatican in Rom
Pater Karl Wallner OCist zu Besuch im Studio von EWTN Vatican in Rom
Rudolf Gehrig / CNA Deutsch
Pater Karl Wallner OCist mit Papst Franziskus
Pater Karl Wallner OCist mit Papst Franziskus
Vatican News

In der vergangenen Woche fand in Rom die Generalversammlung der Päpstlichen Missionswerke statt. Mit dabei war auch der Nationaldirektor von Missio Österreich, Pater Karl Wallner OCist. Am Freitag sprach der Ordensmann mit CNA Deutsch über die größten Herausforderungen für die Missionierung, über die Gefahr, die vom radikalen Islam ausgeht, und auch über seine persönliche Zukunft.

Pater Karl Wallner, Sie sind nun eine Woche lang in Rom gewesen auf der Generalversammlung der Päpstlichen Missionswerke. Wie haben Sie die vergangenen Tage verbracht?

Seit 2016 habe ich an acht General Assemblies teilgenommen; es war mit acht Tagen das längste und das intensivste. Wir sind als Päpstliche Missionswerke ein Netzwerk von 128 Nationaldirektoren; 120 von ihnen konnten teilnehmen. In jedem Land, in dem die Kirche einigermaßen Freiheit hat, gibt es uns. 

Welche Erfahrungen konnten Sie miteinander austauschen?

Für mich sind die Berichte aus den Ländern immer das Interessanteste. Heuer hörten wir über die Märtyrerkirche in Kambodscha, über die Fidschi-Inseln, aber auch über die unglaublich starke Kirche in Uganda. Wenn man dann dem die Berichte aus Portugal oder Brasilien gegenüberstellt, ergibt sich ein buntes Muster. Schwierigkeiten gibt es überall, und Mut und Hoffnung ebenfalls. 

Sie haben aber auch an den neuen Statuten für die Päpstlichen Missionswerke gearbeitet. Was sind die größten Neuerungen?

Ausgangspunkt der Statuenreform ist die Reform der Kurie vor zwei Jahren, in der das Dikasterium für Evangelisierung, dem wir angehören, aufgewertet wurde. Der Papst hat dem Präsidenten konkrete Reformwünsche gesagt, die beispielsweise auch die Verwaltung hier in Rom betreffen. Wo sich die Reform aber am stärksten auswirken wird, das ist das Verhältnis der einzelnen Nationaldirektoren zu der Kirche in ihrem Land, also zu Diözesen und Bischöfen.

Ändert sich auch etwas für Missio in Deutschland und in Österreich?

Mehr in Deutschland - Österreich - Schweiz

In Österreich und vielen europäischen Ländern haben die Missionswerke des Papstes schon deshalb eine „starke“ Stellung, weil wir eine staatlich anerkannte Hilfsorganisation mit Spendenabsetzbarkeit haben. Wir haben das Spendegütesiegel. In einigen Ländern aber hat Missio eine schwache Stellung, dort sind sie praktisch eine Unterabteilung der Bischofskonferenz und führen nur die Kollekte zum Weltmissions-Sonntag durch. Die ist aber in den vergangenen Jahren – in den reichen Ländern – dramatisch gesunken, weil immer weniger in die Kirche gehen. Auch wird in vielen Ländern nicht verstanden, dass wir pastorale Initiativen anstoßen und insgesamt eine „Begeisterung“ für die Weltkirche erzeugen sollen. Jedenfalls hoffen wir, dass die mangelnde Unterstützung durch die Bischofskonferenzen in vielen Ländern durch die neuen Statuten beendet wird. Österreich ist hier gewissermaßen exemplarisch, ebenso wie Missio München und Missio Aachen, weil die Bischöfe in diesen Ländern unser Wirken sehr unterstützen. 

Welchen Auftrag, welche Impulse hat Ihnen Papst Franziskus mitgegeben?

Normalerweise endet die Generalversammlung mit dem Empfang beim Papst und seiner Ansprache. Dieses Mal war es anders: Wir sind mit dem Papst gestartet und er hat uns drei klare Weisungen gegeben: Wir müssen „communio“ im Sinne einer weltweiten Gemeinschaft der Kirche bilden; zweitens müssen wir kreativ sein; das hat er dann auch ganz besonders auf das Spendensammeln bezogen. Ich habe zwischen den Zeilen auch eine gewisse Kritik gelesen, denn andere Organisationen, kirchliche und weltliche, machen das Sammeln von Spenden viel professioneller. Wir sollen also kreativ sein und uns Neues einfallen lassen. Und drittens hat er gesagt, dass wir hartnäckig sein sollen. Das hat mich besonders gefreut, weil der Esel ja wegen seiner Sturheit das „Maskottchen“ von Missio Österreich ist.

Sie selbst sind als Nationaldirektor von Missio Österreich viel in der Welt herumgekommen. Vor der eigenen Haustüre in Österreich hat die Kirche aber zunehmend mit einem Bedeutungsverlust zu kämpfen, wie auch die Kirche in weiten Teilen Westeuropas. Wenn Sie die Ortskirche hier vergleichen mit der Ortskirche auf dem afrikanischen Kontinent, was machen die Kirchenvertreter dort anders?

Meine Besuche in den Hilfsprojekten – immer auf Einladung der Bischöfe – haben mir eine andere Kirche und eine andere Welt gezeigt. Man kann die vollen Priesterseminare in Uganda, die tanzenden Ministrantenscharen im Kongo, die Gläubigen, die zur Anbetung vor dem Allerheiligsten am Boden liegen, und vieles andere gar nicht beschreiben. Was dort anders ist? Dass es um Gott, um Jesus, um sein Wirken in unserem Leben geht. Dort wird Gott etwas zugetraut. Wir drehen uns dagegen zu sehr um uns selbst. Es gibt dort eine Liebe zum Übernatürlichen, daher eine Liebe zum Priestertum.

Wie sieht es dort mit der Beteiligung von Laien aus?

Ja, die missionarischen Laien haben mich am meisten beeindruckt. Es gibt dort Katechisten, die für den Glauben brennen, die über jedes Glaubensthema reden können. Weltweit haben wir 3,2 Millionen Katechisten. Die Kirche ist in Afrika eigentlich eine Laienkirche, aber sie ist gerade deshalb keine laisierte Kirche, sondern im Gegenteil: Die Laien-Katechisten lieben die Priester, die ihnen Jesus in den Sakramenten bringen; und die Priester schätzen die Laien und verlassen sich auf sie.  

Erzbischof Georg Gänswein hat einmal gesagtWenn die Glaubenskraft der Katholischen Kirche in Deutschland so groß wäre wie ihre Finanzkraft, wäre alles in Ordnung. Aber nicht nur in Deutschland steigen Kirchenaustrittszahlen, während die bisherigen Missionsbemühungen der Kirche in Westeuropa doch eher übersichtlich zu sein scheinen.

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Alle brauchen Geld, klar, auch die jungen Kirchen in Afrika und Asien und Südamerika. Darum brauchen sie ja auch unsere Hilfe aus dem „wohlhabenden“ Europa. Und ich muss schon ein großes Lob aussprechen, denn gerade die Kirche in Deutschland, Österreich, Schweiz ist überaus großzügig. Also da geschieht auch viel Gutes für die Weltkirche, das wir hier noch haben. Aber das Problem ist schon, dass wir die Finanzierung der Kirche „zu automatisch“ haben. Und wir verwenden es oft nicht für die Zukunft der Kirche. Dauernd kommen junge Gemeinschaften und Bewegungen, die bei uns missionarisch wirken wollen zu uns, weil sie finanziell keine – oder zu wenig – Unterstützung aus dem kirchenbeitragsfinanzierten Teil der Kirche haben. 

Ärgert es Sie, wenn Sie sehen, wie die finanziell stark aufgestellte Kirche im deutschsprachigen Raum mit ihren Ressourcen umgeht?

Das ärgert mich nicht, das schmerzt mich wahnsinnig. Denn wenn ich Zukunft haben will, dann muss ich alle Ressourcen in das Saatgut, in die Pflanzung von Neuem investieren, und nicht nur in die palliative Erhaltung bisheriger Strukturen. Zugleich gibt es aber ein Grundgesetz: Fundraising erzeugt immer zugleich Faithraising. 

Die Kirche muss missionarisch sein, sagt Papst Franziskus. Dieser Missionsauftrag steckt auch in der DNA der Päpstlichen Missionswerke. Wo sehen Sie momentan die größten Herausforderungen für eine erfolgreiche Mission? 

Ich bin kein Experte für die Weltentwicklung, aber mich besorgen zwei böse Phänomene, die die Weltkirche bedrücken und die hier kaum wahrgenommen werden. Mit unglaublicher finanzieller Unterstützung wird die Islamisierung in Afrika vorangetrieben, auch durch bewusst hohe Kinderzahlen. Nehmen wir wahr, was in Nigeria läuft, wo täglich Christen entführt oder getötet werden? Oder im Norden von Mosambik? Ich war in Madagaskar, wo es nur 10 Prozent Muslime gibt, aber die Bischöfe von einer massiven Islamisierungswelle sprechen, die man auch daran sieht, dass überall Moscheen aus dem Boden schießen, meistens gegenüber von Kirchen. Die zweite Bedrohung sind die Weltherrschaftsbestrebungen Chinas, das weite Teile Afrikas von sich abhängig gemacht hat. Ich sehe da einen brutalen Materialismus, eine Räubermentalität, die die Rohstoffe noch unverschämter stiehlt, als es die europäischen Mächte getan haben. Dazu kommt, dass Xi Jinping jede Form von Diktatur fördert.

Müsste da Kirche nicht ihre Stimme erheben? 

In meiner Kirche habe ich das Gefühl, dass wir schlafen oder uns etwas schönträumen. Es geht um Menschenrechte! Wir haben die größte Christenverfolgung aller Zeiten – und wir schweigen gegenüber der Unterdrückung von Menschenrechten.

Ihre Amtszeit als Direktor von Missio Österreich endet offiziell in zwei Jahren. Schon Pläne für die Zeit danach? Ist dann schon Zeit für den Ruhestand oder steht ein neues Kapitel im aufregenden Leben von Pater Karl Wallner an?

Ich halte mir, wie es die Benediktsregel vorsieht, täglich vor Augen, dass ich jederzeit sterben könnte. Das macht mich total locker! In zwei Jahren kann einiges geschehen, dann werde ich 63 sein. Ich bin in Gottes Hand. Mein Abt hat, denke ich, schon konkrete Pläne für mich. Es ist nicht ganz leicht, denn ich bin ein bunter Hund, habe 19 Jahre eine Hochschule geleitet; ich darf mich jetzt über das Wachsen von Missio freuen. Wenn er will, kann mich mein Abt zum Gartenmeister im Kloster machen; ich würde mich wohl auch in eine stille Aufgabe reinfinden.

Und wenn Sie einen Wunsch freihätten?

Meine Bitte an den lieben Gott ist freilich immer: „Nütze die Gaben aus, die Du mir gegeben hast.“ Erstaunlicherweise wird über die Gleichnisse Jesu von der Vermehrung der Talente ja nie gepredigt. Wir meinen, es sei „demütig“, nichts zu machen. Doch Jesus kritisiert sehr scharf diejenigen, die ihre Talente vergraben. Das habe ich immer ernst genommen. Also ich möchte mit den Fähigkeiten, die Gott mir gegeben hat, viel für die Menschen tun! Gott-sei-Dank haben mich meine Oberen immer dorthin gestellt, wo ich einen gewissen Freiraum hatte; und mit Gottes Gnade ist einiges gelungen. Darum meine Bitte an Gott: „Lass mich noch viel für die Mission der Kirche tun, wenn es Dein Wille ist.“

Wenn Sie schon jetzt ein Zwischenfazit ziehen: Was war für Sie der Höhepunkt Ihres bisherigen Wirkens als Nationaldirektor von Missio Österreich? Worauf sind Sie stolz?

Am meisten hat mich das Wort eines Pastoralamtsleiters in Österreich gefreut: „Jetzt macht Missio wieder Appetit auf die Weltmission.“ In Österreich gibt es wieder mehr Begeisterung für die Weltkirche. Dadurch, dass sich die Spenden verdoppelt haben, können wir dreimal mehr helfen. Das ist das Entscheidende. Ein tolles Team wirkt in unserer Nationaldirektion und in den Diözesen, eine echte Missio-Familie mit Power und missionarischem Eifer. Und bei jedem meiner Besuche in den Hilfsprojekten hatte ich Gänsehaut und Tränen.

Wann zum Beispiel?

Zum Beispiel, als ich mit dem Erzbischof von Lahore durch das Christenviertel in Youhanabad ging, im Ordensgewand, und die Frauen und Kinder von den Dächern gewunken und gerufen haben, weil sich diese verfolgten und bedrückten Menschen so gefreut haben, einen „weißen“ Priester zu sehen, der sich zu ihnen kommen traut. Oder als ich in Uganda eine Messe mit 1700 Kindern hielt, viele von ihnen waren von Father Johan Bashobora aus dem Müll gezogen worden. Ohne unsere Spendenaussendung würden sie nicht leben…