Redaktion - Montag, 10. Juni 2024, 15:30 Uhr.
Martin Mosebach – einer der renommiertesten deutschen Schriftsteller und Autor von Werken wie „Häresie der Formlosigkeit“ – hat in einem Artikel für die katholische Zeitschrift Communio die moderne sakrale Kunst der Gegenwart scharf kritisiert. Gleichzeitig forderte er, sich an der Ikonographie der Ostkirche zu orientieren.
„Wenn die Kirche nicht mehr weiß, wie sie sich zum historischen Jesus von Nazareth stellen soll – zum Christus, zum Gottmenschen, zur zweiten Person der Trinität –, wenn sie ferner nicht weiß, wie sie es mit ihrer Überlieferung halten will, insbesondere mit dem Versuch der frühen Christenheit, ein authentisches Bild Jesu zu tradieren – wie kann man dann von Künstlern anderes erwarten als schwächlich skizzierte Kadaver oder augenlose starre Puppen, die vor Kreuze montiert sind?“, fragte Mosebach.
Im Gegensatz zur orthodoxen Kirche habe die katholische Kirche geglaubt, „in der verweltlichten Kunst keine Gefahr erblicken zu müssen“. Sie sei der Orthodoxie nicht gefolgt in ihrer „Ikonen-Theologie“.
Die orthodoxe Kirche habe dagegen strenge Maßstäbe an die Darstellung angelegt, weil sie „im heiligen Bild die physische Repräsentanz des darauf Dargestellten erkannte“.
„Was die Kraft der Vergegenwärtigung angeht, tritt die Ikone in der Ostkirche beinahe gleichberechtigt neben die auf dem Altar gewandelten Opfergaben. Verständlich also, dass die Ikonen-Malerei künstlerischem Genietreiben nicht ausgeliefert werden durfte“, so Mosebach.
Das Amt des sakralen Kirchenmalers werde in der Ostkirche bis heute nur von Männern des niederen Klerikerstandes ausgeübt. Diese würden das Bild unter genau festgelegten Gebeten anfertigen und segnen am Ende.
Die katholische Kirche hingegen habe eine regelrechte Kunstexplosion ausgelöst, die dazu führte, „dass die Künstler sich nicht mehr belehren ließen, wie ein Bild auszusehen habe, das für den Kirchenraum bestimmt war, um über einem Altar das liturgische Geschehen zu verdeutlichen“.
Vor allem nach der Aufklärung wandten sich viele Künstler von der Kirche ab und orientierten sich „an einer neuen Theologie, welche das Evangelium ins Abstrakt-Philosophische oder Säkular-Politische auflöste“, so Mosebach.
Die neue Doktrin der sakralen Künstler in der katholischen Kirche lautete: „So wie es jahrtausendelang tradiert wurde, kann es keinesfalls gewesen sein.“ Diese neue Kunst entspreche eher einer „sich dem areligiösen Zeitgeist beständig annähernden Kirche“.
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Selbst das Kreuz sei vielen „Ästheten“ in der Kirche schon „zu aufdringlich“: „Wie man einen Mann an dies Gebilde nageln könnte, bleibt ungeklärt und soll es vielleicht sogar – zu schauerlich riecht der Foltertod des Erlösers nach Blut und Opfer; ohnehin werden inzwischen Kreuze ohne Corpus favorisiert.“
Ein positives Beispiel moderner Sakralkunst sei das Werk von Michael Triegel. Triegel ist ein deutscher Maler, der etwa für die Vollendung des Cranach-Altars im Naumburger Dom bekannt ist. Er habe eine gelungene Version des Barmherzigen Christus der Schwester Faustyna gemalt.
„Das Gesicht folgt den alten sacro volto-Bildern, die sich an der vera icon ausrichten – aber während Hände, Füße und das Gewand realistisch aufgefasst sind, hat er das Gesicht vergoldet: das Jesus-Antlitz erkennbar“, schrieb Mosebach über das Werk von Triegel.
Bei Triegels Werk handle es sich um den „sehr ernsten Versuch ein echtes Andachtsbild herzustellen, das sich an alle Gläubigen wendet, auch an Kinder, Ungebildete und die sprichwörtliche rosenkranzbetende alte Frau“. Dabei gebe Triegel jedoch nicht die geistliche Tradition und „die ihr entsprungene europäische Kunst“ preis.
Allerdings sei dieses Werk nur ein „mutiger und intelligenter Einzelfall“, der „noch nicht von einem Umdenken der Kirche zeugt“.
Dafür brauche es Bilder, „die von unwürdiger Hand gemalt worden sind und die auf den für die neuere Kunst unabdingbaren Originalitätsgedanken grundsätzlich verzichten“. Die sakrale Kunst müsse zudem das Element der Ikone, den mit Blattgold überzogenen Hintergrund der Figuren, wiederentdecken.
„Es ist das Gold, das die heiligen Gestalten erst in den wahren Zusammenhang stellt: die Übernatur, den Himmel, die Verklärung. Das Gold macht unmissverständlich klar, dass der leidende Christus auch der Sieger ist“, erklärte Mosebach.
Mosebach hielt abschließend fest, dass das Christentum niemals „höher und weiter als ins erste christliche Jahrtausend“ gelangen werde, sowohl mit Blick auf die christliche Malerei als auch sonst.