Brüssel - Freitag, 27. September 2024, 11:30 Uhr.
Papst Franziskus ist an seinem ersten vollen Tag in Belgien auf Schloss Laeken mit Vertretern der Regierung und der Zivilgesellschaft zusammengekommen. Zuvor hatte er bereits dem belgischen König Philippe einen Höflichkeitsbesuch abgestattet und mit Premierminister Alexander De Croo zusammengetroffen war. Der Pontifex war am Donnerstagabend nach einigen Stunden Aufenthalt in Luxemburg nach Belgien weitergereist, wo er bis zum Sonntag bleiben wird.
„Ich freue mich sehr, Belgien zu besuchen“, konstatierte Franziskus zu Beginn seiner Ansprache vor den Regierungsvertretern und der Zivilgesellschaft am Freitagmorgen.
„Belgien ist kein sehr großer Staat, aber seine besondere Geschichte hat unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dazu geführt, dass die müden und erschöpften Völker Europas, die sich auf einen ernsthaften Weg der Befriedung, der Zusammenarbeit und der Integration begaben, Belgien als natürlichen Sitz der wichtigsten europäischen Institutionen angesehen haben“, erinnerte er. Das Land sei „als idealer Ort“ erschienen, „beinahe wie eine Synthese Europas, von der aus man den materiellen, moralischen und geistigen Wiederaufbau beginnen konnte“.
Belgien sei also wie eine „Brücke, die es ermöglicht, dass sich Eintracht verbreitet und die Streitigkeiten zurückgehen. Eine Brücke, auf der ein jeder mit seiner Sprache, seiner Denkweise und seinen Überzeugungen dem anderen begegnet und das Wort, den Dialog und den Austausch als Mittel wählt, um miteinander in Beziehung zu treten.“
Das Land sei außerdem ein „Ort, an dem man lernt, die eigene Identität nicht zu einem Götzen oder zu einer Barriere zu machen, sondern zu einem gastfreundlichen Raum, von dem aus man aufbricht und zu dem man zurückkehrt, wo wertvolle Begegnungen gefördert werden, wo gemeinsam nach neuem Ausgleich gesucht wird und wo man zu neuen Schlussfolgerungen gelangt. Eine Brücke, die den Handel fördert, die Kulturen miteinander in Austausch bringt und zum Dialog führt. Eine Brücke also, die unverzichtbar ist, um Frieden zu schaffen und Krieg zu vermeiden.“
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„Europa braucht Belgien, um auf dem Weg des Friedens und der Geschwisterlichkeit unter seinen Völkern weiterzugehen“, zeigte sich Papst Franziskus überzeugt. „Dieses Land erinnert alle anderen daran, dass man die Büchse der Pandora öffnet, dass alle Winde heftig zu wehen beginnen und das Haus erschüttern und zu zerstören drohen, wenn man unter den verschiedensten und unhaltbaren Vorwänden beginnt, Grenzen und Verträge nicht mehr zu respektieren und es den Waffen überlässt, Recht zu schaffen und das geltende Recht umzustoßen.“
„Die Geschichte, die magistra vitae, die allzu oft kein Gehör findet, ruft Europa von Belgien aus dazu auf, wieder seinen Weg aufzunehmen, sein wahres Gesicht wiederzuentdecken, neu in die Zukunft zu investieren, indem es sich dem Leben und der Hoffnung öffnet, um den demografischen Winter und die Hölle des Krieges zu besiegen!“, betonte der Pontifex.
Ausdrücklich ging Franziskus auf das Thema Missbrauch ein und erklärte, die Kirche lebe in einer „immerwährenden Koexistenz von Licht und Schatten“ zwar „oft mit beachtlicher Großzügigkeit und wunderbarer Hingabe“, aber manchmal komme es „leider auch zu schmerzhaften Gegenzeugnissen. Ich denke dabei an die dramatischen Ereignisse des Kindesmissbrauchs, einer Geißel, gegen die die Kirche mit Entschiedenheit und Entschlossenheit vorgeht, indem sie den Leidtragenden zuhört und sie begleitet und in der ganzen Welt umfassende Präventionsprogramme realisiert.“
„In diesem Zusammenhang machen mich die ‚Zwangsadoptionen‘, die auch hier in Belgien in den 50er bis 70er Jahren stattgefunden haben, sehr traurig“, fügte er hinzu.
Am Nachmittag wird sich Papst Franziskus nach Leuven (Löwen) begeben, um vor den dortigen Universitätsdozenten an der Katholischen Universität eine Ansprache zu halten. Die Rückkehr nach Brüssel ist für den Abend geplant.