München - Sonntag, 29. September 2024, 7:00 Uhr.
André Poré ist Pfarrer der Gemeinde St. Therese vom Kinde Jesu in Kongoussi im westafrikanischen Land Burkina Faso. Seine Gemeinde hat zahlreiche Flüchtlinge aufgenommen, die wegen des Terrors durch islamistische Milizen ihre Heimat verlassen mussten. Unter ihnen sind auch 2000 Menschen aus der Region Rollo im Norden des Landes, die am 8. Mai 2023 von Terroristen vertrieben wurden.
Bei seinem Besuch in der internationalen Zentrale des weltweiten Hilfswerks „Kirche in Not“ in Königstein im Taunus schilderte der Priester aus dem Bistum Ouahigouya, das besonders vom Terrorismus betroffen ist, die dramatische Situation der Flüchtlinge, die Herausforderungen der Gemeinden, die die zahlreichen Flüchtlinge aufnehmen und die Hilfe der Kirche.
Im Mai 2023 wurden etwa zwanzig Dörfer im Departement Rollo von Terroristen eingenommen. Diese Übergriffe sind in Ihrer Diözese leider sehr häufig. Wie laufen derartige Überfälle meistens ab?
Wenn die Extremisten kommen, töten sie entweder die gesamte Bevölkerung oder sie zwingen die Menschen, ihre Häuser vor Einbruch der Dunkelheit zu verlassen, nachdem sie wahllos mehrere Menschen getötet haben, um zu zeigen, dass sie es ernst meinen. Vor allem in Rollo plünderten und verbrannten die Terroristen alles, und am nächsten Tag ermordeten sie mehrere Flüchtlinge auf der Straße. Zu den Opfern zählen auch Menschen, die in Rollo geblieben waren, um Gepäck zusammenzupacken.
Die rund 2000 Flüchtlinge mussten mitten in der Nacht etwa 40 Kilometer zu Fuß bis nach Kongoussi zurücklegen, wobei sie von Terroristen verminte Straßen nehmen mussten. Unter ihnen war auch der Pfarrer von Rollo. In der Nacht explodierte eine Mine und tötete einen Teil des Viehs, das sie mitgenommen hatten, nur wenige Sekunden nachdem die Menschen vorbeigezogen waren. Sie hätten alle sterben können. Aber die Hand Gottes war mit ihnen.
Die Bevölkerung von Rollo kam in Kongoussi, also in Ihrer Gemeinde, und in Séguénéga an – zwei Städte, die nicht darauf vorbereitet waren, so viele Vertriebene aufzunehmen.
Ja, die Menschen kamen völlig unerwartet am frühen Morgen bei uns an – müde, traumatisiert und mit leeren Händen. Aber alle machten sich daran, ihnen zu helfen, ihnen Nahrung und Kleidung zur Verfügung zu stellen, auch unsere Pfarrei St. Therese vom Kinde Jesu. Einige Geflüchtete konnten bei Verwandten in der Gegend unterkommen, aber für die meisten von ihnen war es sehr schwierig. Es dauerte Tage, bis die Vertriebenen staatliche Hilfe erhalten konnten, denn sie mussten sich erst registrieren und warten, bis ein Projekt eingerichtet wird. Daher war es uns wichtig, sofort zu reagieren. Vertrieben zu werden, ist furchtbar: Man muss das Land, das man bewirtschaftet, aufgeben und sich damit abfinden, in extremer Armut zu leben.
Wie kann man sich die Situation der Binnenvertriebenen von Rollo heute vorstellen?
Die meisten von ihnen leben in provisorischen Unterkünften, z. B. in Zelten. Es ist eine sehr schwierige Situation, vor allem für ältere Menschen, denn im Zelt ist man weder vor Regen noch vor Hitze sicher. Von März bis Mai können die Temperaturen bis zu 45 Grad erreichen. Seit Anfang des Jahres gab es bereits 400 Todesfälle unter den Vertriebenen. Die meisten von ihnen sind Opfer der schlechten hygienischen Verhältnisse. Wir helfen, wo wir können, aber wir haben nicht genug Mittel für alle.
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Die staatliche Hilfe ist im Wesentlichen punktuell; auf lange Sicht ist es notwendig, dass die Kirche eingreift. Deshalb ist die Unterstützung von „Kirche in Not“ so wertvoll für uns. Wir konnten tonnenweise Lebensmittel kaufen und die Kosten für medizinische Rezepte für die Kranken übernehmen. Ein sehr großes Dankeschön geht an alle Wohltäter.
Die Schwierigkeit, den täglichen Unterhalt zu sichern, ist ebenfalls eine große Herausforderung. Frauen sammeln Sand am Straßenrand, um ihn an Lastwagenfahrer zu verkaufen, die Baumaterial transportieren. Andere versuchen, die von ihnen gebackenen Krapfen zu verkaufen, und verdienen so einen oder 1,50 Euro am Tag. Wenn man einen Mann und drei Kinder hat, reicht das kaum für eine Mahlzeit. In der Stadt ist alles sehr teuer geworden. Die Männer versuchen, als Tagelöhner zu arbeiten. Ich denke derzeit viel über Beschäftigungsmöglichkeiten nach, denn die Pfarrei hat Land, das man bewirtschaften könnte. Dafür benötigen wir aber Wasser und Werkzeuge.
Wie hilft die Kirche den Vertriebenen, sowohl psychologisch als auch geistlich?
Den Menschen zu helfen, ihre Traumata zu heilen, ist eine sehr wichtige Aufgabe der Kirche. Dank „Kirche in Not“ konnte ein Priester aus unserer Diözese an einer Schulung zur Traumabewältigung in Kenia teilnehmen. Ziel ist es, dass er andere Menschen ausbilden kann. Geistliche Unterstützung ist auch entscheidend gegen Entmutigung. Wir wollen diese Prüfung im Glauben und in der Hoffnung leben. Seit der Ankunft der Vertriebenen aus Rollo haben wir die Seelsorge intensiviert. Wir organisieren regelmäßig Einkehrtage, einschließlich heiliger Messen und Beichten.
Werden die Vertriebenen eines Tages in ihre Dörfer zurückkehren können?
Wenn die Terroristen ein Dorf angreifen, verminen sie meistens Häuser und Straßen. Nach den Angriffen sichert die Armee diese Bereiche mit Minensuchgeräten. Wenn dies abgeschlossen ist, kehren in den meisten Fällen etwa 80 Prozent der Bevölkerung in ihre Häuser zurück. Aber tief in ihrem Inneren sind die Menschen weiterhin beunruhigt, weil es bereits an mehreren Orten vorgekommen ist, dass die Terroristen zurückgekehrt sind. Die Armee bleibt in der Nähe, um die Bevölkerung zu schützen, aber leider kann sie nicht überall sein.
Burkina Faso ist bekannt für das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen. Hat der islamistische Extremismus diese Beziehungen verschlechtert?
Nein, im Gegenteil. Für mich sind die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen gestärkt worden. Wir sitzen hier im selben Boot. Wir haben heutzutage viel mehr interreligiöse Treffen. Die Pfarrei unterscheidet bei der Verteilung der Hilfsgüter an die Vertriebenen nicht zwischen Religionszugehörigkeit. Das hat die Muslime beeindruckt und unsere Beziehungen gestärkt. Bei der humanitären Hilfe ist jeder willkommen, denn wir alle sind Gottes Geschöpfe.