Genf - Montag, 3. April 2017, 10:52 Uhr.
"Islam und Christentum, die große Konvergenz: Gemeinsam für gleiche Bürgerrechte": Unter diesem Motto fand Mitte März an den Vereinten Nationen in Genf eine Nebenveranstaltung während der 34. Sitzung des Menschenrechtsrats statt.
Organisiert wurde die Zusammenkunft vom "Zentrum für Menschenrechtsförderung und globalen Dialog", mit Unterstützung der ständigen Vertretungen Algeriens, des Souveränen Malteserordens, des Libanons und Pakistans.
Ziel des Tages war es, gleiche Bürgerrechte zu fördern durch die Bestätigung religiöser Vielfalt und Konzentration auf die durch die gemeinsamen Grundwerte bedingten großen Konvergenzen zwischen Islam und Christentum.
Radikalität als Bildungsproblem
Lakhdar Brahimi, früherer Minister Algeriens und Mitglied der NGO "The Elders” ist der Meinung, dass man im Mittleren Osten jetzt besser verstehe, "was mit unseren jungen Menschen passiert– oder mit einer Minderheit unter unseren jungen Menschen. Es gibt Bildungsprobleme. Es gibt auch Probleme mit ihren Rechten, einschließlich ihrer wirtschaftlichen Rechte. Manche schließen sich aus einer Not heraus diesen Terrorgruppen an, aus Armut. Und manche treten ihnen bei, weil sie nicht gut gebildet wurden."
William Lacy Swing, Generaldirektor der Internationalen Organisation für Migration betonte: "Wir müssen jetzt vorankommen, das bedeutet, versuchen, uns diese zwei großen, alten Religionen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Lehren… dass wir beide die gleiche Geschichte von der Erschaffung einer Menschheit unter einem Gott erzählen. Aus welcher Ecke sie auch kommen mag, sie erzählt uns, dass Männer und Frauen Kinder Gottes sind und Mitglieder einer weltweiten Familie - fundamentale Dinge".
Von einer Kombination der moralischen Autorität dieser beiden führenden Weltreligionen erwarte man Verbesserungen hinsichtlich der Gewährung gleicher Bürgerrechte für Minderheiten – und die Förderung der Umsetzung der Resolution 16/18 des UN Menschenrechtsrats, nach der "Intoleranz, negatives Stereotypisieren und Stigmatisierung von und Diskriminierung, Hassrede und Gewalt gegen Personen aufgrund von Religion oder Glauben" bekämpft werden sollen.
"Nur die Staaten, die auf dem Rechtsstaatsprinzip basieren, nur Staaten, die gleiche Bürgerrechte zusichern, können garantieren, dass die Menschen in Frieden zusammenleben. Weil alle Gruppen, ob Christen, Muslime oder alle anderen Gruppen, versucht sind, einander zu ignorieren oder sogar miteinander in Konflikt zu treten, wenn sie sich bedroht, an den Rand gedrängt und machtlos fühlen," so Minister Tarek Mitri, früherer Außenminister des Libanon, Direktor des Issam Fares Instituts für Staatstätigkeit und internationale Angelegenheiten.
All diese Herausforderungen können in einem Konzept zur Förderung gleicher Bürgerrechte zusammengefasst werden, um damit eine Kultur des Friedens und Dialogs zwischen den Zivilisationen zu erreichen. Es werden Lösungen gesucht, die die Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum herausstellen und gemeinsame grundlegende Menschenrechte aufzeigen.
Gemeinsamkeiten und Austausch
Botschafter Idriss Jazairy, Geschäftsführer des Genfer Zentrums und Moderator der Veranstaltung: "Wenn wir mit vereinten Kräften daran arbeiten, gleiche Bürgerrechte zu fördern, dann müssen wir vielleicht überhaupt nicht mehr von Minderheiten sprechen. Minderheiten, besonders religiöse Minderheiten, werden dann nur noch ein Kennzeichen der Vielfalt sein, die die Schönheit jeder Nationalität ausmacht und in der vereint die gemeinsame Gestalt, und die gemeinsame Sehnsucht die Persönlichkeit, die Nationalität eines jeden Menschen oder jeder Gruppe von Menschen darstellen."
Interreligiöse Veranstaltungen in Moscheen und Kirchen, die den Teilnehmern Einsicht in die Glaubenspraxis der anderen Religion ermöglichen, können helfen, Aspekte dieser Konvergenzen zu erkennen und zu befürworten. Auch sind christliche und muslimische Führungspersönlichkeiten aufgerufen, verstärkt Zusammenkünften einzuberufen, um über die wenig betonten und neu erkannten Gemeinsamkeiten nachzudenken und offen über gesellschaftliche Themen zu diskutieren - mit der Absicht, interreligiöses Verständnis zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen zu pflegen.
Die Staatsministerin für Toleranz in den Vereinigten Arabischen Emiraten , Sheika Lubna Khalid Al Qassimi zielt darauf ab die Jugend gegenüber Radikalisierung zu immunisieren, indem man auf Familienwerte in den Vereinigten Arabischen Emiraten schaut , " Gleichzeitig aber auch an ähnlichen, internationalen Veranstaltungen wie dieser teilzunehmen und Gemeinsamkeiten im Glauben und den Dialog in der Welt zu suchen. Dadurch verbinden wir unsere Werte und verstehen unseren Ursprung besser. Dies ist ein Weg Frieden, Wohlstand und Zusammenleben zu fördern."
“Wir haben die gleichen Werte, die gleichen Wurzeln”
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Hanif Hassan Ali Al Qassim, Vorsitzender des Genfer Zentrums für Menschenrechtsförderung und globalen Dialog sagt das die beiden bedeutenden und großen Religionen so viele Dinge gemeinsam haben. " Wir haben die gleichen Werte, die gleichen Wurzeln. Und wir haben so viele Dinge, die wir eigentlich gemeinsam tun können. Die Aufgabe von Religion ist es, Menschen zusammenzuführen, um diese Art von Frieden und Harmonie für ihre Anhänger zu schaffen, anstatt sie aufgrund einiger Unterschiede zu spalten."
Marie-Thérèse Pictet-Althann, Botschafterin der ständigen Vertretung des Malteserordens bei den Vereinten Nationen in Genf: "Da der Malteserorden weltweit in 120 Ländern aktiv ist, arbeiten wir definitionsgemäß mit Muslimen und anderen Religionen zusammen. Es ist für uns extrem wichtig, zur Verständigung zwischen Muslimen und Christen - und natürlich auch anderen Religionen – beizutragen."
Für Befürworter des praktischen wie theologischen Dialogs kommt hinzu, dass das Christentum und Islam annähernd die Hälfte der Weltbevölkerung stellen; für sie haben beide Religionen durch ihr abrahamitisches Erbe ähnliche Ausgangspunkte. So wird mit Blick auf einen interreligiösen Dialog auf die Sure “Al-Hujurat” (49:13) im Koran verwiesen – was wiederholt der Päpstlichen Rat für interreligiösen Dialog bestätigt habe, etwa in seinen "Richtlinien für einen Dialog zwischen Christen und Muslimen" des Jahres 1970.
Fragen und Missverständnisse
Ein solcher Experte ist Mark Siljander, früherer US-Abgeordneter und UN-Botschafter, heute Vorsitzender von "Bridges to Common Ground". Er sagt: "Meine Arbeit hat sich während der letzten 18 Jahre auf die Wissenschaft der Linguistik konzentriert. Und wie man die semitische Linguistik des Hebräischen im Alten Testament, Aramäisch, die Muttersprache Jesu im Neuen Testament und natürlich das Arabisch des Koran auslegen kann. Sie sind alle verwandt. Und es gibt tatsächlich Konvergenz in den Sprachen. Es gibt Berührungspunkte in den Heiligen Büchern. So dynamisch, dass wir entdecken, dass die Vielzahl der sogenannten Häresien wie zum Beispiel ‘ist Jesus Gottes Sohn?’, ‘ist Allah der Gott der Bibel?’, die Dreifaltigkeit und all diese Fragen tatsächlich überbrückt werden können”. Siljander bezeichnet diese als “tödliche Missverständnisse" – und hat ein Buch mit gleichem Titel darüber geschrieben.
Missverständnisse gibt es aber auch anderer Art – und manche werden aus politischen Gründen gepflegt, etwa von Kulturkämpfern. Wie Carole Hillenbrand, Professorin für islamische Geschichte der University of St. Andrews in Schottland, betonte, werden so historische Ereignisse oft verfälscht dargestellt: "Wenn die Menschen an die Kreuzzüge denken, denken sie ‘Krieg’: Dass Europäer kommen, Muslime angreifen, sich Jerusalem schnappen und so weiter. Aber das ist nur ein Teil der ganzen Sache, weil die Kreuzritter fast 200 Jahre im Heiligen Land und in Syrien geblieben sind. Während dieser Zeit gab es lange Perioden mit Handel und gegenseitigen Kontakt, und es gab auch auch Bräuche, die die Kreuzfahrer von den Muslimen übernahmen und an der muslimischen Art, zu leben, bewunderten. Auch beim Kochen bekamen sie Lust auf muslimisches Essen und brachten es danach mit nach Europa."
“...dass wir an einen Gott glauben”
Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des Weltrats der Kirchen (WCC): "Unsere Aufgabe ist, uns zusammenzuschließen, aber auch zu zeigen, dass der wahre Glaube noch ein anderes Gesicht hat und dass wir an einen Gott glauben. Deshalb glauben wir auch, dass Gott die ganze, eine Menschheit geschaffen hat und wir deshalb zusammen leben müssen."
Der Dominikaner-Pater Timothy Radcliffe zeigte sich mit dem Inhalt und Ziel der Veranstaltung sehr zufrieden:
"Es war eine schöne Maßnahme. Erstens, weil ich denke, dass wir in großer Aufrichtigkeit über die Herausforderungen, vor denen wir stehen, gesprochen haben, aber auch mit großer Hoffnung. Und ich denke, dass wir bei Gelegenheiten wie dieser erkennen, dass wir uns eine große Stütze sein können. Wir machen uns Mut in einer Situation, die manchen Leuten hoffnungslos erscheint. Ich fand dies war ein weiterer, grosser Schritt vorwärts und es hat mich sehr gefreut, dass man mich hierher eingeladen hat."
Das Hauptergebnis dieser Nebenveranstaltung ist die Verabschiedung einer Agenda für eine Weltkonferenz, die zum gleichen Thema in naher Zukunft stattfinden soll.
Dieser Bericht wurde von unserem U.N.-Korrespondenten Christian Peschken, Pax Press Agency in Genf, verfasst. Der Bericht wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vaticano'. Weitere Informationen zu Pax Press Agency unter www.paxpressagency.com
Hinweis: Dieser Blogpost und die darin wiedergegebenen Ansichten sind ein Beitrag des Autors, nicht der Redaktion von CNA Deutsch.