Kairo - Samstag, 29. April 2017, 11:49 Uhr.
Papst Franziskus und der Patriarch der koptisch-orthodoxen Kirche, Tawadros II., haben am 28. April eine Gemeinsame Erklärung unterschrieben, welche die Taufe gegenseitig anerkennt.
CNA dokumentiert den Wortlaut der Erklärung, wie ihn Radio Vatikan publiziert hat.
1. Wir, Franziskus, Bischof von Rom und Papst der katholischen Kirche, und Tawadros II., Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhles des heiligen Markus, danken Gott im Heiligen Geist, dass er uns die frohe Gelegenheit gibt, uns erneut zu treffen, uns brüderlich zu umarmen und uns wieder im gemeinsamen Gebet zu vereinen. Wir preisen den Allmächtigen für die Bande der Brüderlichkeit und Freundschaft, die zwischen dem Stuhl des heiligen Petrus und dem Stuhl des heiligen Markus bestehen. Das Geschenk, dass wir hier in Ägypten zusammen sein können, ist ein Zeichen, dass die Festigkeit unserer Beziehung Jahr für Jahr zunimmt und dass wir in der Verbundenheit, dem Glauben und der Liebe Christi, unseres Herrn, wachsen. Wir danken Gott für dieses geliebte Land Ägypten, das „Heimatland, das in uns wohnt“, wie Seine Heiligkeit Papst Shenouda III. zu sagen pflegte, das „von Gott gesegnete Volk“ (vgl. Jes 19,25) mit seiner alten Kultur der Pharaonen, dem griechischen und römischen Erbe, der koptischen Tradition und der Präsenz des Islams. Ägypten ist der Ort, wo die Heilige Familie Zuflucht gefunden hat, ein Land von Märtyrern und Heiligen.
2. Unser tiefes Band der Freundschaft und Brüderlichkeit hat seinen Ursprung in der vollen Einheit, die in den ersten Jahrhunderten zwischen unseren Kirchen bestand und die auf viele verschiedene Weisen in den frühen ökumenischen Konzilien ausgedrückt wurde, angefangen mit dem Konzil von Nizäa im Jahre 325 und dem Beitrag des mutigen Kirchenvaters, des heiligen Athanasius, der sich den Titel „Beschützer des Glaubens” erwarb. Unsere Einheit fand ihren Ausdruck im Gebet und in einer ähnlichen liturgischen Praxis, der Verehrung der gleichen Märtyrer und Heiligen sowie in der Entwicklung und der Ausbreitung des Mönchtums nach dem Vorbild des großen heiligen Antonius, bekannt als der Vater aller Mönche.
Diese gemeinsame Erfahrung der Einheit vor der Zeit der Trennung hat eine besondere Bedeutung für unsere Bemühungen die volle Einheit heute wiederherzustellen. Die meisten Beziehungen, die in den frühen Jahrhunderten zwischen der katholischen Kirche und der koptisch-orthodoxen Kirche bestanden, wurden bis zum heutigen Tag trotz der Trennungen fortgeführt und sind in jüngster Zeit wiederbelebt worden. Sie fordern uns heraus, unter der Führung des Heiligen Geistes unsere gemeinsamen Bemühungen zu intensivieren, um im Streben nach sichtbarer Einheit in Verschiedenheit beständig fortzuschreiten.
3. Mit Dankbarkeit gedenken wir des historischen Treffens vor zweiundvierzig Jahren zwischen unseren Vorgängern, Papst Paul VI. und Papst Shenouda III. Es war eine herzliche Geste des Friedens und der Brüderlichkeit nach vielen Jahrhunderten, in denen unsere gemeinsamen Bande der Liebe auf Grund des Abstandes, der zwischen uns entstanden war, nicht mehr zum Ausdruck kommen konnten. Die gemeinsame Erklärung, die sie am 10. Mai 1973 unterzeichneten, stellte einen Meilenstein auf dem Weg der Ökumene dar, und diente als Ausgangspunkt für die Kommission für den theologischen Dialog zwischen unseren beiden Kirchen. Diese hat viel Frucht gebracht und den Weg zu einem ausgedehnteren Dialog zwischen der katholischen Kirche und der ganzen Familie der orientalischen orthodoxen Kirchen eröffnet. In dieser Erklärung anerkannten unsere Kirchen, dass sie getreu der apostolischen Tradition „einen Glauben an den einen, dreifaltigen Gott“ und „an die Gottheit des einziggeborenen Sohnes Gottes … vollkommener Gott in Bezug auf seine Gottheit, vollkommener Mensch in Bezug auf seine Menschheit“ bekennen. Es wurde auch anerkannt, dass „uns durch die sieben Sakramente das göttliche Leben gegeben ist und in uns genährt wird“, und dass wir die „Theotokos“, die „Jungfrau Maria, Mutter des wahren Lichtes, verehren“.
4. Mit großer Dankbarkeit gedenken wir unseres eigenen brüderlichen Treffens am 10. Mai 2013 in Rom, und der Einführung des 10. Mai als des Tages, an dem wir jedes Jahr die Freundschaft und die Brüderlichkeit zwischen unseren Kirchen vertiefen. Dieser erneuerte Geist der Verbundenheit ließ uns wiederum erkennen, dass wir das Band, das uns vereint, von unserem einen Herrn am Tag unserer Taufe empfangen haben. Denn durch die Taufe werden wir Glieder des einen Leibes Christi, der die Kirche ist (vgl. 1 Kor 12,13). Dieses gemeinsame Erbe ist die Grundlage unseres gemeinsamen Pilgerweges zur vollkommenen Einheit, während wir in Liebe und Versöhnung wachsen.
5. Wir sind uns bewusst, dass wir auf diesem Pilgerweg noch weit gehen müssen, aber wir erinnern uns daran, wie viel schon erreicht worden ist. Wir gedenken besonders der Begegnung zwischen Papst Shenouda III. und dem heiligen Johannes Paul II., der im Großen Jubiläumsjahr 2000 als Pilger nach Ägypten kam. Gedrängt durch die Liebe Christi, des Guten Hirten, sind wir fest entschlossen, ihren Fußspuren zu folgen in der tiefen Überzeugung, dass wir in der Einheit wachsen, wenn wir gemeinsam unterwegs sind. Mögen wir unsere Kraft aus Gott schöpfen, der vollkommenen Quelle der Einheit und Liebe.
6. Diese Liebe findet ihren tiefsten Ausdruck im gemeinsamen Gebet. Wenn Christen miteinander beten, gelangen sie zur Erkenntnis, dass das, was sie verbindet, viel größer ist, als das, was sie trennt. Unsere Sehnsucht nach Einheit erhält ihre Inspiration aus dem Gebet Christi: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21). Vertiefen wir unsere gemeinsamen Wurzeln in dem einen apostolischen Glauben durch das gemeinsame Gebet und durch die Suche nach gemeinsamen Übersetzungen für das Gebet des Herrn sowie nach einem gemeinsamen Datum für die Feier des Osterfestes.
7. Auf unserem Weg hin zu dem gesegneten Tag, an dem wir uns endlich um den gleichen eucharistischen Tisch versammeln werden, können wir auf vielen Gebieten zusammenarbeiten und konkret auf den großen Reichtum verweisen, der uns bereits vereint. Wir können gemeinsam für grundlegende Werte Zeugnis geben, wie die Heiligkeit und Würde des menschlichen Lebens, die Heiligkeit der Ehe und der Familie, die Achtung vor der ganzen Schöpfung, die uns von Gott anvertraut wurde. Angesichts vieler Herausforderungen der Gegenwart wie der Säkularisierung und der Globalisierung der Gleichgültigkeit sind wir aufgerufen, eine gemeinsame Antwort zu geben, die auf den Werten des Evangeliums und den Schätzen unserer jeweiligen Traditionen gründen. In dieser Hinsicht sind wir ermutigt, uns dem vertieften Studium der orientalischen und lateinischen Väter zu widmen sowie einen fruchtbaren Austausch in der Seelsorge zu fördern, insbesondere in der Katechese und in der gegenseitigen spirituellen Bereicherung zwischen monastischen und religiösen Gemeinschaften.
8. Unser gemeinsames christliches Zeugnis ist ein gnadenerfülltes Zeichen der Versöhnung und der Hoffnung für die ägyptische Gesellschaft und ihre Institutionen, ein Same, der gepflanzt wurde, um in Gerechtigkeit und Frieden Frucht zu bringen. Da wir glauben, dass alle Menschen nach dem Abbild Gottes geschaffen sind, mühen wir uns durch ein friedvolles Zusammenleben von Christen und Muslimen um Gelassenheit und Eintracht. So geben wir Zeugnis von Gottes Sehnsucht nach Einheit und Harmonie der ganzen Menschheitsfamilie sowie von der gleichen Würde eines jeden Menschen. Wir teilen die Sorge um das Wohlergehen und die Zukunft Ägyptens. Alle Mitglieder der Gesellschaft haben das Recht und die Pflicht, vollgültig am Leben des Landes teilzunehmen, indem sie die volle und gleiche Staatsbürgerschaft genießen und am Aufbau ihres Landes mitarbeiten. Die Religionsfreiheit, welche die Gewissensfreiheit miteinschließt und die in der Menschenwürde ihre Wurzel hat, ist der Eckstein jeder anderen Freiheit. Sie ist ein heiliges und unveräußerliches Recht.
9. Verstärken wir unser inständiges Gebet für alle Christen in Ägypten und auf der ganzen Welt, besonders im Nahen Osten. Die tragischen Erfahrungen und das Blut, das unsere Gläubigen vergossen haben, die allein wegen ihres Christseins verfolgt und getötet wurden, erinnern uns umso mehr daran, dass uns die Ökumene der Märtyrer vereint und auf dem Weg zu Frieden und zu Versöhnung ermutigt. Denn, wie der heilige Paulus schreibt: „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“ (1 Kor 12,26).
10. Das Geheimnis Jesu, der aus Liebe gestorben und auferstanden ist, ist das Herzstück unseres Weges hin zur vollen Einheit. Einmal mehr sind die Märtyrer unsere Führer. In der frühen Kirche war das Blut der Märtyrer der Same für neue Christen. So sei auch in unseren Tagen das Blut so vieler Märtyrer Same für die Einheit unter allen Jüngern Christi, ein Zeichen und Werkzeug der Einheit und des Friedens für die Welt.
11. Im Gehorsam gegenüber dem Werk des Heiligen Geistes, der die Kirche heiligt, der sie durch die Zeiten erhält und sie zur vollen Einheit führt – der Einheit, um die Jesus Christus gebetet hat, halten wir fest:
Um dem Herzen des Herrn Jesus wie auch unserer Söhne und Töchter im Glauben eine Freude zu bereiten, erklären wir, Papst Franziskus und Papst Tawadros II., heute gemeinsam, dass wir – in gleicher Gesinnung und einmütig – ernsthaft bestrebt sind, die Taufe nicht zu wiederholen, die in einer unserer Kirchen einer Person gespendet wurde und die sich der anderen anschließen möchte. Dies bekennen wir im Gehorsam gegenüber den Heiligen Schriften und dem Glauben der drei Ökumenischen Konzilien in Nizäa, Konstantinopel und Ephesus.
Wir bitten Gott, unseren Vater, uns zur vollen Einheit im mystischen Leib Christi zu führen, zu der Zeit und mit den Mitteln, die der Heilige Geist für gut erachtet.
12. Lassen wir uns also von der Lehre und dem Beispiel des Apostels Paulus führen, der schreibt: „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens! Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung: ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,3-6).