Vatikanstadt - Donnerstag, 9. Januar 2025, 13:00 Uhr.
In einer langen Botschaft hat sich Papst Franziskus am Donnerstagvormittag an die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter gewandt, die zur traditionellen gemeinsamen Audienz in den Vatikan gekommen waren. Es sei „ein Moment, in dem sich die Familie der Völker durch Ihre Anwesenheit symbolisch zusammenfindet, um geschwisterliche Glückwünsche auszutauschen, um die trennenden Auseinandersetzungen hinter sich zu lassen und stattdessen das zu entdecken, was verbindet“, so der Pontifex.
Der Papst verlas aus gesundheitlichen Gründen nur den Beginn seiner Ansprache selbst.
„Leider beginnen wir dieses Jahr in einer Zeit, in der die Welt von zahlreichen mehr oder weniger bekannten großen und kleinen Konflikten zerrissen wird, aber auch von der Wiederkehr abscheulicher Terrorakte, wie sie sich kürzlich in Magdeburg in Deutschland und in New Orleans in den Vereinigten Staaten ereignet haben“, sagte Franziskus.
Insgesamt habe man es „mit zunehmend polarisierten Gesellschaften zu tun, in denen ein allgemeines Gefühl der Angst und des Misstrauens gegenüber dem Mitmenschen und der Zukunft um sich greift. Verschärft wird dies durch die ständige Schaffung und Verbreitung von fake news, die nicht nur die Realität verfälschen, sondern auch das Bewusstsein verzerren, falsche Wahrnehmungen der Realität hervorrufen und ein Klima des Misstrauens schaffen, das den Hass schürt, die Sicherheit der Menschen untergräbt und das zivile Zusammenleben sowie die Stabilität ganzer Nationen gefährdet.“
Papst Franziskus warnte ausdrücklich vor „der immer realer werdenden Gefahr eines Weltkriegs“. Der Dialog sei „der einzige Weg, um die Ketten des Hasses und der Rache zu sprengen, die gefangen halten, und um die Waffen des menschlichen Egoismus, des Stolzes und der Überheblichkeit zu entschärfen, die die Wurzel jedes kriegstreibenden und zerstörerischen Strebens sind“.
Diplomatie der Hoffnung
Sodann skizzierte der Pontifex eine „Diplomatie der Hoffnung“, „zu deren Boten wir alle berufen sind, damit die dichten Wolken des Krieges von einem neuen Wind des Friedens hinweggefegt werden können“.
„Noch nie hat die Menschheit so viel Fortschritt, Entwicklung und Reichtum erlebt wie in dieser Zeit, und vielleicht noch nie hat sie sich so allein und verloren gefühlt wie heute, wobei sie nicht selten Haustiere Kindern vorzieht“, schilderte er die Lage, um dann zu betonten: „Es besteht dringender Bedarf an einer frohen Botschaft. Eine Verkündigung, die uns Gott aus christlicher Sicht in der Weihnachtsnacht anbietet! Aber jeder – auch wer nicht gläubig ist – kann zum Überbringer einer Botschaft der Hoffnung und der Wahrheit werden.“
Diplomatie der Wahrheit
Eine „Diplomatie der Hoffnung“ sei „zuallererst eine Diplomatie der Wahrheit. Wo die Verbindung zwischen Realität, Wahrheit und Wissen fehlt, können die Menschen nicht mehr miteinander sprechen und sich verstehen, weil die Grundlagen einer gemeinsamen, in der Realität der Dinge verankerten und damit allgemein verständlichen Sprache fehlen.“
„Der Zweck der Sprache ist die Kommunikation, die nur gelingt, wenn die Worte präzise sind und die Bedeutung der Begriffe allgemein akzeptiert wird“, unterstrich Franziskus. „Die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel zeigt, was passiert, wenn jeder nur mit ‚seiner‘ Sprache spricht.“
In diesem Zusammenhang warnte der Papst davor, „multilaterale Dokumente zu instrumentalisieren – indem die Bedeutung von Begriffen verändert oder der Inhalt von Menschenrechtsverträgen einseitig umgedeutet wird –, um spalterische Ideologien zu fördern, die die Werte und den Glauben der Völker mit Füßen treten“. Eine solche „echte ideologische Kolonisierung“ gebe „einer cancel culture Raum“ und vernachlässige die Pflichten „gegenüber den Schwächsten und Verletzlichsten“.
Es sei „beispielsweise unannehmbar, von einem sogenannten ‚Recht auf Abtreibung‘ zu sprechen, das den Menschenrechten, insbesondere dem Recht auf Leben, widerspricht. Das ganze Leben muss geschützt werden, in jedem Moment, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, denn kein Kind ist ein Fehler oder hat Schuld an seiner Existenz, genauso wenig wie ein alter oder kranker Mensch der Hoffnung beraubt und ausgesondert werden darf.“
Viele multilaterale Institutionen seien „reformbedürftig“. Gleichzeitig fehle es nicht „an ermutigenden Zeichen, wenn guter Wille vorhanden ist“.
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Diplomatie der Vergebung
„Eine Diplomatie der Hoffnung ist auch eine Diplomatie der Vergebung, die in einer Zeit voller offener oder latenter Konflikte in der Lage ist, durch Hass und Gewalt zerbrochene Beziehungen zu kitten und so die Wunden der gebrochenen Herzen zu vieler Opfer zu lindern“, fuhr der Pontifex fort.
In diesem Teil seiner Ansprache sagte er: „Ich wünsche mir für das Jahr 2025, dass die ganze internationale Gemeinschaft vor allem darauf hinarbeitet, den Krieg zu beenden, der die gepeinigte Ukraine seit fast drei Jahren blutig quält und der eine enorme Zahl von Opfern, darunter viele Zivilisten, gefordert hat.“ Und: „Ebenso erneuere ich meinen Appell für einen Waffenstillstand und die Freilassung der israelischen Geiseln im Gazastreifen, wo eine überaus ernste und beklagenswerte humanitäre Situation besteht, und ich fordere, dass die palästinensische Bevölkerung jede Hilfe erhält, die sie benötigt.“
„Krieg ist immer eine Niederlage!“, so Franziskus. „Wir können nicht im Geringsten akzeptieren, dass Zivilisten bombardiert oder die für ihr Überleben notwendigen Infrastrukturen angegriffen werden. Wir können nicht hinnehmen, dass Kinder erfrieren, weil Krankenhäuser zerstört oder das Energienetz eines Landes beschädigt wurde.“
Der Papst forderte, dass „das Prinzip der Menschlichkeit wirklich zur Grundlage des Handelns wird“. Man müsse weiter darauf hinarbeiten, „dass die Nichteinhaltung des humanitären Völkerrechts nicht länger eine Option ist“.
Die Bedeutung der Religionsfreiheit für den Frieden hob Papst Franziskus eigens hervor, nachdem er eine Reihe von Konfliktgebieten in aller Welt namentlich erwähnt hatte: „Tatsächlich gibt es keinen wirklichen Frieden, wenn nicht auch die Religionsfreiheit gewährleistet ist, die die Achtung vor dem Gewissen des Einzelnen und die Möglichkeit einschließt, den eigenen Glauben und die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft öffentlich zu bekunden. In diesem Sinne sind die zunehmenden antisemitischen Äußerungen, die ich aufs Schärfste verurteile und die immer mehr jüdische Gemeinden in der ganzen Welt betreffen, sehr beunruhigend.“
Mit Blick auf Europa sprach er von „den ‚subtileren‘ Formen der Einschränkung der Religionsfreiheit“, „wo Rechtsnormen und Verwaltungspraktiken zunehmen, welche ‚die Rechte, die die Verfassungen den einzelnen Gläubigen und religiösen Gruppen formell zuerkennen, einschränken oder de facto aufheben‘.“
Diplomatie der Freiheit
Ferner sprach Franziskus von der „Diplomatie der Hoffnung“ als einer „Diplomatie der Freiheit“. In diesem Zusammenhang sprach er von Sklaverei, Drogensucht und Menschenhandel, aber auch über Migranten. Man habe es bei letzteren „mit Menschen zu tun“, „die aufgenommen, geschützt, gefördert und integriert gehören“.
„Mit großer Enttäuschung stelle ich jedoch fest, dass die Migration immer noch von einer dunklen Wolke des Misstrauens umhüllt ist, anstatt als Quelle der Bereicherung angesehen zu werden. Migranten werden nur als ein Problem betrachtet, das es zu bewältigen gilt“, fuhr Papst Franziskus fort. „Sie können nicht zu Objekten gemacht werden, die man unterbringen muss, sondern sie haben eine Würde und verfügen über Ressourcen, die sie anderen anbieten können; sie haben ihre Erlebnisse, Bedürfnisse, Ängste, Hoffnungen, Träume, Fähigkeiten und Talente.“
„Entscheidend bleibt auch die Bekämpfung der Ursachen von Abwanderung, damit das Verlassen der eigenen Heimat zur Suche einer neuen eine Entscheidung ist und nicht eine ‚Überlebensfrage‘“, stellte er klar. „In diesem Sinne halte ich ein gemeinsames Engagement für Investitionen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit für entscheidend, um zur Beseitigung einiger der Ursachen, die Menschen zur Migration veranlassen, beizutragen.“
Diplomatie der Gerechtigkeit
„Die Diplomatie der Hoffnung ist schließlich eine Diplomatie der Gerechtigkeit, ohne die es keinen Frieden geben kann“, sagte der Papst schließlich. Hier wiederholte er seine vielfach geäußerten Forderungen, den ärmeren Staaten die Schulden zu erlassen sowie die Todesstrafe abzuschaffen.
„Auch im Blick auf die ökologische Schuld ist es wichtig, wirksame Wege zu finden, um die Auslandsverschuldung der armen Länder in wirksame, kreative und verantwortungsvolle Formen der Politik und in Programme für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung umzuwandeln“, so Franziskus.