Redaktion - Freitag, 17. Januar 2025, 11:30 Uhr.
Eine von 13.000 Bürgern unterzeichnete Petition fordert das polnische Parlament auf, die Beichte für unter 18-Jährige zu verbieten. Eine Mitarbeiterin des Portals katholisch.de nahm die Debatte zum Anlass, sich der Forderung anzuschließen, die Beichte als Voraussetzung für die Erstkommunion abzuschaffen. Acht- oder Neunjährige seien „nicht in der Lage, Konzepte wie Schuld oder Sünde richtig zu begreifen“. Auch eine Münsteraner Professorin für Religionspädagogik schrieb, es sei „nicht in Ordnung“, wenn ein Priester darauf bestehe, dass ein Kind vor der Erstkommunion zur Beichte geht, wenn die Eltern dies nicht wollten.
Dem widerspricht der promovierte Philosoph Pfarrer Guido Rodheudt im Interview mit CNA Deutsch.
Herr Pfarrer, warum ist die Beichte vor der Erstkommunion im Kirchenrecht verankert, und welche theologischen Argumente stützen diese Praxis?
Das Kirchenrecht verordnet vor dem ersten Empfang der Eucharistie bewusst den Empfang der Beichte, weil beide Sakramente grundsätzlich – jenseits der Frage des Alters des Empfängers – in einem inneren Zusammenhang stehen. Die Gnade der Heiligen Kommunion wirkt erst in einem aufgeräumten Herzen. Und nach einem Wort des heiligen Apostels Paulus schadet sie im Falle eines unwürdigen Empfangs.
Das häufig vorgebrachte Argument, die Kommunion sei keine Belohnung für die Sündenlosen, sondern ein Heilmittel für die Sünder, ist richtig und falsch zugleich. Denn die Gnade und die Natur wirken zusammen. Weder ist der Mensch in der Lage, ohne Gottes Hilfe Heil zu erlangen – er braucht deswegen die Eucharistie als Speise zum ewigen Leben. Noch wirkt die Kommunion von alleine ohne das Zutun des Menschen. Sie ist keine geistliche Schluckimpfung mit automatischer Sündenvergebung, sondern setzt den Glauben und die durch Reue und Versöhnung disponierte Seele des Empfängers voraus. Gnade und Natur wirken nach einer theologischen Doktrin zusammen.
Die Gnade der Eucharistie kann also nur dann zum Heil sein, wenn die Natur des zu heilenden Menschen dazu bereit ist und in der Beichte das Haus für den großen Gast aufgeräumt hat. Dies gilt für alle – nicht nur für Kommunionkinder.
Wie bewerten Sie die Fähigkeit von 8- oder 9-jährigen Kindern, Konzepte wie Schuld und Sünde zu verstehen?
Analog zu der Maßgabe des Kirchenrechts, dass nur Kinder, die zum Vernunftgebrauch gelangt sind, zur Erstkommunion geführt werden dürfen, geht die Kirche zu Recht davon aus, dass Kinder, auf die diese Maßgabe zutrifft, auch ein Schuldbewusstsein haben können.
Hier befindet sich die Kirche durchaus auf dem Boden der modernen Kinder- und Jugendpsychologie. Denn neueste Untersuchungen – wie etwa eine vor vier Jahren erstellte Langzeitstudie der Universität Toronto – belegen, dass erstens Kinder aus sich heraus Schuldgefühle entwickeln und zweitens die Bestätigung und Begleitung dieses Schuldbewusstseins entwicklungspsychologisch enorm wichtig für die eine gesunde moralische Entwicklung und für ein positives Sozialverhaltens ist. Schon aus diesem erst einmal überhaupt nicht geistlichen Grund ist eine Kinderbeichte ein wichtiger Markstein in der Erziehung.
Natürlich stellt sich die Frage, ob Kinder mit acht oder neun Jahren ihr Verhalten mit einem Normenkodex in Verbindung bringen können. Die Erfahrung zeigt hier ganz klar, dass Kinder im Grundschulalter dies sehr wohl können. Zumal auch die Extensität des Fehlverhaltens im Alter der Erstkommunionjahrgänge extrem zunimmt. Noch im April hat der Deutsche Präventionstag erschreckende Befunde zum dissozialen Verhalten von Kindern im Grundschulalter zutage gefördert. Danach macht rund die Hälfte der Grundschulkinder einmal in der Woche Erfahrungen mit physischer Gewalt an ihren Schulen, die von Gleichaltrigen ausgeführt wird (49,4 Prozent). In der gleichen Häufigkeit begegnen sie dort anderen Formen dissozialen Verhaltens wie Ausgrenzungen (54,6 Prozent) und Beschimpfungen (52,3 Prozent). Hinzu kommen im außerschulischen Bereich Stehlen, Onlinemobbing und Computerspielnutzung als Quelle erhöhter Gewaltbereitschaft.
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat schon von 16 Jahren der Kinderärtzeschaft durch eine Studie zugearbeitet, deren Befunde erstmalig aufzeigten, dass durch Gewaltspiele eine Desensibilisierung im Sozialverhalten hervorgerufen wird, die nachhaltig die Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Hier greift die moderne Kinderbeichtkatechese an und bespricht das Fehlverhalten nicht bloß wie die Psychologie, sondern stellt es in den Zusammenhang der Gebote als moralischem Kodex. So wird aus wertneutralem Fehlverhalten dem Nächsten gegenüber eine Verfehlung gegen Gott, mit anderen Worten eine Sünde. Dies können Kinder sehr wohl nachvollziehen, wenn man ihnen zuvor in der Katechese einen Zugang zu den Geboten und zu Gott als Schöpfer der Gebote eröffnet, dem gegenüber man sich zu verantworten hat. Es zeigt sich dabei, dass Kinder hier durchaus eine hohe Sensibilität für die Stimme ihres Gewissens haben. Und zwar gerade diejenigen Kinder, die in ihrem Umfeld von einem erhöhten Maß an dissozialem Veralten umgeben sind.
Zu behaupten, Erstkommunikanten im dritten Schuljahr wären unfähig, Schuld und Sünde an sich selbst zu entdecken, zeugt von Unkenntnis der Sachlage oder vom mangelndem Umgang mit der entsprechenden Altersgruppe. Wer ein kindliches Sündenbewusstsein und damit die geistliche Ebene von Schuldgefühlen, die man in der Beichte betritt, in die Mottenkiste stecken will, gehört nach den aktuellen Einsichten der Kinder- und Jugendpsychologie selbst in die Mottenkiste.
Meine 36-jährige Erfahrung als Gemeindeseelsorger belegt darüber hinaus, dass Kinder, die eine profunde Beichtkatechese genossen haben, stets glücklich sind, wenn sie die Wirkung der Lossprechung an sich erfahren. Ein Grund, weshalb sie nach einer guten Katechese und derartigen positiven Erfahrungen auch als Jugendliche und junge Erwachsene dem Bußsakrament treu bleiben, das Jesus ja als Vademecum eines katholischen Lebens für alle Altersklassen eingesetzt hat.
Welche Bedeutung hat die Beichte Ihrer Ansicht nach für die spirituelle Vorbereitung auf die Erstkommunion?
Die Beichte ist der eigentliche Schlüssel für das Verständnis der Eucharistie. Denn sie ist – neben vielen anderen Aspekten – ein wesentliches Zugangsmoment zur Begegnung mit dem Leib und dem Blut Jesu Christi. Wo die Beichte als Reinigungsakt vor dem Empfang der Heiligen Kommunion gestrichen wird, wird die Eucharistie banal und etwas rein Symbolisches. Wenn vor der realen Begegnung mit dem großen Gast erst die Aussöhnung mit Ihm steht, steigert das das Bewusstsein für Seine Größe und macht den Empfang des Herrenleibes zu dem, was er ist: zu einer Verschmelzung mit der Gottheit.
In der Kritik an der Kinderbeichte korrespondieren daher die mangelhaften Erstkommunionkatechesen mit dem Totalverlust eines von Christus eingesetzten Sakramentes. Denn wenn ich nur Brot empfange, das mich an Jesus erinnert – wie es die Unterrichtsmappen landauf, landab bekunden – dann braucht es für diesen rein zeremoniellen Akt der Erinnerung keine Beichte. Denn es spielt sich – gut protestantisch – ja ohnehin alles eher im Kopf ab. Und so verwindet mit der Beichte auch ein realistisches Verständnis der Eucharistie von der Bildfläche.
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Ich empfinde dieses aktuelle Gemäkel an der Erstbeichte als einen weiteren Akt teuflischer Verwirrung, der nach dem Verlust des Beichte für die Erwachsenen nun noch das letzte Reservat dieses Sakramentes im Rahmen der Erstkommunionvorbereitung ausräuchert. Kindern, die die Beichte nicht als Zurüstung zum Kommunionempfang und damit in ihrer innere Bindung an das Sakrament der Eucharistie erfahren haben, fehlt die spürbare Verhältnismäßigkeit, die sich für uns sterbliche, sündhafte Menschen ergibt, wenn wir den ewigen Gott an uns handeln lassen. Eine Ignoranz gegenüber der menschlichen Sündhaftigkeit macht blind für die Erlösung, die wir Menschen brauchen und deren Vorgeschmack die Eucharistie ist.
Deswegen ist die Erfahrung von Sünde, Versöhnung und der Vereinigung mit dem Schöpfer, die im Rahmen der Kinderkommunion gemacht wird, unerlässlich für die Entwicklung der Kinder zu einem glaubensstarken Leben. Wenn man die Kinder im Tal der Ahnungslosen belässt, wo nur ein Keks an Jesus erinnert, wird natürlich auch die Beichte obsolet. Dass sie später im Alter von jungen Erwachsenen dann plötzlich entdeckt wird, ist ein frommer Wunsch ohne erhärteten Realitätsbezug.
Wie reagieren Priester und Gemeinden auf die öffentliche Kritik an der verpflichtenden Beichte?
Die Priester, die die Beichte schätzen – als Beichtvater und auch als selbst Beichtender – werden die Kritik bzw. die Vorbehalte bezüglich einer verpflichtenden Beichte für danebengegriffen halten. Denn in einer genuin katholischen Beichtvorbereitung findet sich nichts von dem, was gemeinhin als Vorbehalt gegen die Erstbeichte im Kindesalter in Stellung gebracht wird: weder ein übersteigert strenges Gottesbild, noch eine unangebrachte Gewissensprüfung mit Sündenregister, das nicht den Lebenshorizont der Kinder spiegelt, noch eine falsche Rolle des Beichtvaters, der sich auf eine fasche Weise im Zuspruch an die Stelle Gottes setzt.
Die aktuelle Beichtkatechese, so wie ich sie von Mitbrüdern kenne und auch selbst praktiziere, stellt Gott als den barmherzogen Vater heraus, der denjenigen, der umkehrt, mit Liebe annimmt. Der allerdings auch von ihm verlangt, den ersten Schritt zu tun. Gott wirft niemandem Seine Versöhnung hinterher, der sich nicht zu Ihm aufmacht und bekennt, schuldig zu sein. Dann aber gibt es die Erfahrung der grenzenlosen Barmherzigkeit Gottes.
In meiner Katechese gibt es deswegen nach der Erstbeichte eine Feier mit Kindern und Eltern mit Speis und Trank. Die Kinder sind dabei erkennbar glücklich über die Erfahrung, die sie im „Sakrament der Versöhnung“, wie wir die Beichte auch nennen, gemacht haben. Dies ist am Ende auch eine nachhaltige Erfahrung für die ganze Gemeinde. Deswegen verstehen Gemeinden, in denen die Beichte einen Platz hat, die Kritik nicht und empfinden sie – sofern sie sogar von kirchenamtlicher Seite kommt – als unverantwortlich.
Eine Mutter schrieb mit nach dem letzten Artikel zu dem Thema auf katholisch.de: „Kein Arzt und keine Eltern/Erzieher kleben einfach ein Pflaster auf eine schmutzige Wunde (Sünde), sondern sie schauen sich sie an, lassen das Kind erzählen, entfernen den Dreck und reinigen die Wunde (Beichte) zuvor, damit sie heilen (Jesus, Eucharistie) kann und nicht eitern muss. Bei Gott ist es doch genauso.“
Und was die Fälle von Übergriffen in der Beichte betrifft, so ist auch hier die Meinung in den Gemeinden recht einhellig: Ein missbräuchlicher Umgang mit einer Sache diskreditiert sie nicht als solche. Und die Leute spüren ebenso in letzter Zeit, dass nach dem Priester als Mittler zwischen Gott und den Menschen nun das Bußsakrament mit Verweis auf den Missbrauch diskreditiert werden soll. Ich für mich sehe das recht klar: wenn die Kinderbeichte weg ist, erstirbt der letzte katechetische Zugang zu dem Sakrament, das Jesus Seinen Aposteln nach der Auferstehung geschenkt hat. Damit ist die mutwillige Zerstörung der Sakramentalität der Kirche so gut wie zum Ziel gelangt.
Was sagen Sie zu dem Generalverdacht, unter den Priester gestellt werden können, wenn sie die Beichte von Kindern hören?
Ich sehe es analog zu dem, was ich eben sagte: der Missbrauch einer Sache macht sie in sich nicht schlecht. Und deswegen sind auch diejenigen, die etwas verwalten, was einige missbräuchlich behandeln, nicht alle gleichzeitig auch potentielle Missbrauchstäter. Wäre dem so, müsste man wegen übergriffiger Trainer den Vereinssport abschaffen oder die Geldinstitute, weil es korrupte Banker gibt. Institutionen werden nicht deswegen zu einem allgemeinen Schaden, weil es in ihnen Schädlinge gibt.
Haben Sie selbst Erfahrungen mit der Beichte aus Ihrer Kindheit gemacht? Wie haben Sie diese erlebt, und wie prägen diese Erfahrungen Ihre heutige seelsorgliche Arbeit?
Meine Erstbeichte fand in meiner Heimatgemeinde in Aachen statt – bei meinem Heimatpfarrer, der kürzlich nach einem langen und fast bis zuletzt aktiven Priesterleben im Alter von 100 Jahren gestorben ist. Ich kann mich an das mulmige Gefühl erinnern, das mich im Vorfeld befiel, das aber nichts Ungewöhnliches an sich hatte, sondern das ich auch von zuhause kannte, wenn es darum ging, etwas zuzugeben, was ich falsch gemacht hatte. Und ich kann mich vor allem an die Freude erinnern, mit der ich nach der ersten Beichte die Stufen unseres Treppenhauses hochsprang, um meine Mutter zu umarmen, weil alles sich jetzt gut und schön anfühlte.
Sie hatte mir im Vorfeld selbst von ihrer Erstbeichte erzählt und von ähnlichen Erfahrungen, um mich zu motivieren. Aus dieser Weitergabe des Glaubens habe ich reich empfangen dürfen, und es prägte nicht nur meinen Berufungsweg, sondern auch meine spätere seelsorgliche Praxis, den Menschen zu helfen, in der Beichte aus dem auszusteigen, was sie und andere belastet oder sogar krank macht.
Ich empfinde deswegen den aktuell angesagten Beschuss der Kinderbeichte unter dem Legitimationsmoment der Missbrauchsprävention als kontraproduktiv. Wer sich in diese Sichtweise verstrickt, zeigt eine bedauerliche Ahnungslosigkeit von der Schönheit des Beichtsakramentes und von der großen Hilfe, das es auch für den geistlichen Reifungsprozess von Kindern hat.
Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.