Redaktion - Mittwoch, 12. März 2025, 14:15 Uhr.
„Heute wird in der Gesellschaft mehr und strenger gefastet als in den Klöstern“, betonte die in der Schweiz lehrende Religionswissenschaftlerin Isabelle Jonveaux in einem Interview mit dem Nachrichtenportal kath.ch. Sie forscht über das Klosterleben in Europa und Afrika sowie über neue Formen der Askese.
„Ich habe zunächst untersucht, wie asketisch heutige Mönche und Nonnen leben. Dabei habe ich festgestellt, dass die Mönche gar nicht so viel fasten“, erklärte Jonveaux. Die Mönche selbst hätten den Eindruck, das „Fasten sei im Kloster nicht mehr so wichtig“. Zwar schreibe die Benediktsregel vor, dass man kein Fleisch im Kloster essen dürfe. Dennoch essen die meisten Benediktiner heutzutage Fleisch.
„In Österreich gibt es Klöster, wo die Mönche sogar in der Fastenzeit Fleisch essen. Heute wird in der Gesellschaft mehr und strenger gefastet als in den Klöstern“, sagte die Religionswissenschaftlerin.
Jonveaux erklärte weiter: „Ursprünglich bezog sich das Fleischfasten im Klosterleben sowohl auf sexuelle Enthaltsamkeit als auch auf Armut.“ Fleisch habe als „Verstärker der sexuellen Energie“ und als ein „Symbol von Macht und Reichtum“ gegolten.
Heute habe sich diese Sichtweise jedoch verändert, und Fleisch sei manchmal günstiger als Fisch. Zudem werde der Fleischverzicht inzwischen stärker aus „ökologischer Perspektive“ begründet, so Jonveaux.
„Heutige Formen“ des Fastens könnten den völligen Verzicht auf feste Nahrung umfassen, wobei lediglich Flüssigkeiten wie Gemüsebrühen, Säfte oder Tee konsumiert würden. Diese Methode sei von den Ärzten Otto Buchinger und Hellmut Lützner entwickelt bzw. verbreitet worden.
Während katholische Gläubige am Sonntag während der Fastenzeit nicht fasten müssten, um die Auferstehung Christi zu feiern, verzichteten „neue Gruppen“ auch an diesem Tag auf Nahrung, um die positiven Wirkungen des Fastens nicht zu unterbrechen.
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Was bedeutet Askese?
Die katholische Askese gründet sich auf drei zentrale Aspekte: spirituelle Reinigung, Christusnachfolge und gemeinschaftlicher Heilsweg. Ihr Ziel ist es, die Sünde zu überwinden und die Seele für die göttliche Gnade zu öffnen.
Bußpraktiken wie Fasten, Nachtwachen und freiwillige Armut dienen dazu, weltliche Begierden abzutöten und innere Freiheit zu erlangen. Durch den Verzicht auf körperliche Bedürfnisse wie Nahrung und Sexualität soll der Gläubige Unabhängigkeit von irdischen Bindungen gewinnen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Nachahmung des Leidens Jesu, um Anteil an seiner Erlösungstat zu gewinnen. Asketische Übungen wie Keuschheitsgelübde und strenge klösterliche Regeln sollen den Willen nach göttlichem Vorbild formen.
Anders als moderne, individuell geprägte Askese ist die katholische Enthaltsamkeit stets in die kirchliche Gemeinschaft eingebettet. Sakramentale Begleitung, Seelenführung und liturgische Rhythmen wie die Fastenzeit strukturieren die Praxis und heben sie von säkularen Formen der Selbstoptimierung ab.
Während heutige Askese oft gesundheitlich oder psychologisch motiviert ist, bleibt ihr kirchlicher Sinn stets auf Transzendenz und Gemeinschaft ausgerichtet.