„Stärken und Schwächen“: Theologe Hauke über Vatikan-Text zu Marientitel „Miterlöserin“

Manfred Hauke
Foto: Peter Düren

Der Theologe Manfred Hauke, der in Lugano lehrt und im Bereich der Mariologie weltweit hohes Ansehen genießt, hat die „Stärken und Schwächen“ des vatikanischen Dokuments über den Marientitel „Miterlöserin“ analysiert. Es wäre, so Hauke, „nicht überraschend, wenn nach einiger Zeit etwas Ähnliches geschehen sollte wie nach dem Dokument Fiducia supplicans über diverse Segnungen, wo der Leiter des Dikasteriums noch einige Präzisierungen nachreichte“.

Die lehrmäßige Note des vatikanischen Dikasteriums für die Glaubenslehre vom 4. November hatte betont: „Angesichts der Notwendigkeit, die Christus gegenüber untergeordnete Rolle Marias im Erlösungswerk darzulegen, ist die Verwendung des Titels der Miterlöserin immer unangebracht, wenn es darum geht, Marias Mitwirkung daran zu definieren.“

Der Marientitel (in lateinischer Sprache coredemptrix) berge „die Gefahr in sich, die einzigartige Heilsvermittlung Christi zu verschleiern und kann daher zu Verwirrung und einem Ungleichgewicht in der Harmonie der christlichen Glaubenswahrheiten führen, denn ‚in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen‘ (Apg 4,12).“

In einem Beitrag für die katholische Wochenzeitung „Die Tagespost“ betonte Hauke demgegenüber, die „dogmatischen Bedenken“ gegenüber der Bezeichnung „Miterlöserin“, die es vor 100 Jahren gegeben habe, seien „weithin geschwunden durch das Marienkapitel des Zweiten Vatikanums, das überaus deutlich von einer einzigartigen Mitwirkung Mariens an der Erlösung spricht (Lumen gentium 61). Im Geheimnis der Erlösung wurde Maria nach dem Zeugnis der Kirchenväter ‚nicht bloß passiv von Gott benutzt‘, sondern hat ‚in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt‘.“

Tatsächlich habe die Theologische Kommission des Zweiten Vatikanischen Konzils den Titel „Miterlöserin des Menschengeschlechtes“ als „vollkommen richtig (verissimus)“ bezeichnet, „verwandte ihn aber nicht im vorgestellten Text mit Rücksicht auf die Protestanten (Acta synodalia I, 99)“.

„Interessant sind hier die Hinweise von Karl Rahner SJ während des Konzils“, fuhr Hauke fort. „Der Jesuit betonte beispielsweise während einer Unterkommissionssitzung am 3. Juni 1964 im Hinblick auf die Verwendung des Titels ‚Mittlerin‘: Maria ist ‚mediatrix‘ und folglich auch ‚coredemptrix‘. Tags zuvor hatte er auch in der Vollversammlung der Konzilskommission über Glauben und Sitten angemerkt, dass Lumen gentium (jetzt in den Nummern 55–59) die Lehre von der Miterlösung darstelle (L. Olsen, Maria & the Church at Vatican II. The Untold Story of Lumen Gentium VIII, Steubenville, Ohio 2024, 112 & Anm. 627, 118, 200, mit bislang unbekannten Belegen aus dem Tonbandarchiven des Konzils).“

An anderer Stelle erläuterte Hauke: „Die Bemühung, den Begriff der ‚Miterlöserin‘ zu verdrängen, wird freilich anscheinend schon von Kardinal Fernández selbst relativiert durch den einleitenden Hinweis, die lehrmäßige Note wolle keineswegs die Verehrung des gläubigen Volkes Gottes korrigieren. Dort ist aber die Rede von Maria als ‚Miterlöserin des Menschengeschlechtes‘ weit verbreitet; vor allem seit dem Pontifikat Leos XIII., der ein Ablassgebet mit dem Titel approbierte.“

„Der Begriff findet sich seit dem 16. Jahrhundert bei Theologen und Heiligen“, führte der Theologe aus. „Der kürzlich zum Kirchenlehrer ernannte heilige John Henry Newman verteidigte die Bezeichnung Mariens als ‚Miterlöserin‘ gegen den Anglikaner Edward Pusey: Wenn er als Kenner der Kirchenväter Begriffe wie ‚zweite Eva‘, ‚Mutter der Lebendigen‘ und ‚Gottesmutter‘ anerkenne, seien dies doch viel kräftigere Begriffe als der kritisierte Titel. Mögliche Missverständnisse gibt es etwa auch beim Titel der ‚Gottesgebärerin‘, den selbst die Note des Dikasteriums trotz der protestantischen Einsprüche als selbstverständlich erwähnt.“

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