16. Oktober 2017
Meine kleinste Tochter hat einen Ohrwurm. Sie singt im Supermarkt, auf der Straße, in der Badewanne-überall: "Maria breit den Mantel aus". Wahlweise schmettert sie auch voller Emotionen und Emotionen kann sie gut, "Der Mond ist aufgegangen".
Beide Lieder gehören zu unserem abendlichen Gebetsritual. Die Leute um sie herum scheinen teilweise die Lieder nicht zu kennen und finden es einfach süß, dass sie singt, ältere Menschen sind berührt, dass sie diese alten Kirchenlieder bzw christlichen Lieder kennt und wiederrum andere scheinen es etwas seltsam zu finden.
Überhaupt gerät Religion in Zusammenhang mit Kindern schnell in den Verdacht, Gehirnwäsche zu fördern. "Ich lasse mein Kind nicht taufen, es soll später selbst entscheiden", ist so eine beliebte Aussage dazu.
Doch was bedeutet das, sich entscheiden zu können. Muss man dafür nicht etwas kennen gelernt haben, etwas gespürt haben, bevor man zu einer Entscheidung befähigt ist? Mein Mann und ich haben von Anfang an mit unseren Töchtern gebetet. Rituale sind Kern des Gebets, ja sogar ein Wesen von Religion und Glaube. Unser ganzes Leben im katholischen Jahreskreis ist geprägt von Ritualen und sich immer wiederholenden Festen. Es ist etwas urchristliches und etwas urmenschliches, Rituale als heilsam, beruhigend und heimelig zu empfinden. Kinder lernen durch Wiederholungen, sie lieben es immer wieder die gleiche Geschichte zu hören und immer wieder das gleiche Spiel zu spielen. So fühlen sie sich sicher, können Verknüpfungen bilden und sich weiter entwickeln.
Neben diesen Ritualen, bin ich sicher, dass man nicht alleine glauben kann. Man braucht ein Gegenüber, eine Gemeinschaft. Daher ist es auch keine Entscheidung, die man einsam in seinem Jugendzimmer treffen kann, wie es sich diese Eltern vorstellen. Glaube ist eng mit Beziehung verknüpft. Beziehung zu Gott, Beziehung zu anderen Menschen. Durch unser Vorbild, sehen unsere Kinder nicht nur, dass es uns gut tut zu beten und dass diese Spiritualität auch unsere Familie prägt, sondern sie spüren auch, wie es uns im Umgang mit anderen Menschen leitet. "Das was du den geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan" (frei zitiert aus der Bibel), ist doch das, was ‚Glauben leben‘ ausmacht.
Unsere Große wollte letztens wissen, was es bedeutet ‚Gott ist überall‘. Sie fand die Vorstellung ein wenig gruselig und war der Meinung, es gäbe Momente, wo sie privat sei und der liebe Gott nicht einfach zur Tür herein spazieren könne. Ich musste schmunzeln. Wie viele Gedanken sich so ein kleines Mädchen schon macht und wie konkret sie erfassen will, was es mit dem lieben Gott auf sich hat. Erst bei näherer Betrachtung konnte sie dem Gutes abgewinnen. Ich versuchte für sie eine Verbindung zu ihrer Lebenswirklichkeit herzustellen. Gott ist in allen Begegnungen mit Menschen, Gott ist bei uns, wenn du mit deinen Freundinnen spielst, wenn ihr lacht und wenn ihr streitet. Gott spricht zu dir, wenn du durch den Regen tanzt und dein Herz vor Freude hüpft. Gott hat dir Talente gegeben, du siehst ihn in jedem Bild, welches du malst, du hörst ihn in jedem Lied, dass du singst und in jedem freundlichen Wort, dass du an andere richtest.
Damit konnte sie etwas anfangen und ihre Neugierde und kindliche Fantasie waren geweckt. Uns ist es wichtig, dass unsere Kinder mit Glauben und Gebet aufwachsen. Während unserer Trauung sagte uns der Priester, dass wir unsere Ehe nicht alleine leben müssen, sondern dass wir darauf vertrauen können, dass Gott immer bei uns ist und jeden Weg mit uns geht. Das ist eine wunderbare Zusicherung, die ich auch meinen Kindern weitergeben möchte.
Daher haben wir ritualisierte Gebetszeiten mit den Kindern. Vor jeder Mahlzeit und vor dem Schlafen gehen, sprechen wir ein Gebet und singen mit den Kindern. Im Bett werden beide Mädchen noch gesegnet, manchmal auch die ganze Herde Kuscheltiere inkl aller Puppen, aber dann sind sie zufrieden, atmen noch einmal tief aus und können schlafen. Ich bin sicher, dass unsere Töchter den Segen spüren und ihn in seinem Wesen begriffen haben. Es ist keine Gehirnwäsche, keine Zauberei, sondern ein Zeichen, dass wir ihnen aus tiefster Liebe und Fürsorge spenden in dem Vertrauen darauf, dass Gott bei ihnen ist.
Wenn wir auf unseren Spaziergängen an einer Kirche vorbei kommen, muss eine Kerze angezündet werden. Für alle Menschen, die wir lieb haben, manchmal auch für ganz konkrete Anliegen. Unsere Töchter brauchen dafür keine Anleitung, sie tun dies aus intrinsischer Motivation heraus und tunken zum Abschluss ihre Hände in das Weihwasserbecken am Ausgang, um sich zu segnen und vergessen meist auch nicht Mama und Papa ein Kreuz auf die Stirn zu zeichnen. "Damit du gut beschützt bist, Mama", sagt unsere Große dann gerne dazu.
Das ist doch wunderbar, wenn Kinder sich immer behütet wissen, wenn sie im Gebetsritual Heimat finden und sich im Gespräch mit Gott anvertrauen können. Ich würde Eltern, die ihre Kinder aus Gründen der Selbstbestimmung nicht taufen lassen entgegnen, dass Glaube Liebe bedeutet und Liebe niemals erzwungen werden kann. Das Wesen des Glaubens ist Freiheit und das spüren auch schon Kinder, die ganz gewiss nicht einfach nur ihren Eltern nachplappern, sondern wissen: Wer betet ist nie allein.
Elisabeth Illig bloggt jeden Montag bei CNA Deutsch. Sie ist Mutter von bald drei Kindern. Die gelernte Erzieherin hat ihr Theologiestudium bewußt unterbrochen, um sich um die Familie zu kümmern. Eine Übersicht ihrer Beiträge finden Sie hier.
NEU: "Wie selten ich Menschen so offen und vorurteilsfrei begegne!" Eine Lektion fürs Leben https://t.co/EH4bxmwCua #blog #motherhood