München - Montag, 30. November 2015, 11:53 Uhr.
Fast zeitgleich mit den Gesprächen von Papst Franziskus mit Vertretern von Muslimen in der von religiöser Gewalt erschütterten Zentralafrikanischen Republik hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) im Rahmen ihrer Initiative "Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen“ eine neue Arbeitshilfe vorgestellt, die Syrien in den Mittelpunkt stellt. Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der DBK-Kommission Weltkirche, erinnerte an die dramatische Situation im syrischen Bürgerkrieg. "Wie im Irak, so droht auch in Syrien der Krieg zum Auslöser für das Verschwinden des Christentums zu werden, das seit 2000 Jahren im Land lebt und es in beachtlichem Maß mitgeprägt hat.“
In der Pressekonferenz ging das Oberhaupt der maronitischen Christen weltweit, Patriarch Béchara Pierre Kardinal Raï (Beirut/Libanon), auf die Situation der Christen und der Flüchtlinge in seiner Heimat ein. "Anstatt das Aufkommen eines friedlichen 'Arabischen Frühlings' zu erleben, ist dieser Prozess mit einem Mal zu einem fürchterlichen Bürgerkrieg zwischen fundamentalistischen und terroristischen Gruppierungen geworden, in den nach und nach religiöse Gruppen und vor allem die Zivilbevölkerung mit hineingezogen worden sind", sagte Patriarch Raï.
Aber nicht nur im Libanon, Syrien und Irak sowie in vielen weiteren Ländern Afrikas und des Nahen Ostens findet Verfolgung, Diskriminierung, Unterdrückung statt: Christen werden zunehmend auch in Deutschland bedrängt – auch und gerade solche, die der Verfolgung durch Islamisten in ihren Heimatländern entkommen sind. Im Interview mit CNA Deutschland berichtet Mike Malke über die Lage für geflüchtete Christen. Er ist der Vorsitzende des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland.
CNA: Herr Malke, es häufen sich Meldungen, dass Christen in Asylbewerber-Unterkünften bedrängt und angegriffen werden. Können Sie das bestätigen?
MALKE: Wir bekommen durch unsere ehrenamtliche Helfer regelmäßig Berichte über Christen die von radikalen Muslimen bedroht und angegriffen werden.
CNA: Wie würden Sie die Lage von verfolgten Christen einschätzen, die zu uns flüchten und dann in Unterkünften wohnen?
MALKE: Viele Christen fühlen sich durch radikale Muslime in den Erstaufnahmelagern bedroht. Sie verbieten den Christen die Küchen zu benutzen, da sie nicht wollen, dass diese Schweinefleisch verzehren. Ich hatte Gespräche mit einem Bundestagsabgeordneten der Bundesregierung, der mir sagte, dass man die Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern nicht getrennt unterbringen würde, da es der Integration widersprechen würde. Ich erklärte ihm, dass Integration das erklärte Ziel sei, Integration aber nicht in den Erstaufnahmelagern beginnen könne, wo Menschen Angst um ihre körperliche Unversertheit haben. Diese Menschen suchen Anschluss zu ihren Gemeinden, und von diesen Gemeinden aus, kann man diese Menschen in die Mehrheitsgesellschaft integrieren. Mir sei auch klar, dass die Bundesregierung die getrennte Unterbringung aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht vornehmen könne. Diese Rechnung dürften aber nicht die Christen und Jesiden in den Erstaufnahmelagern bezahlen.
CNA: Was meinen Sie mit bezahlen?
MALKE: Während des Ramadans (muslimisches Fasten) wurden Christen geschlagen, weil sie während des Fastens gegessen haben. Uns wurden Fällen von christlichen Frauen gemeldet die bedrängt wurden. Es gab Fälle von Vergewaltigungen und dem Urinieren auf schlafende Frauen. Wir haben ja solch einen konkreten Fall in Video-Reportagen an die Öffentlichkeit gebracht.
Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.
Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.
CNA: Haben Sie den Eindruck, dass die Behörden damit gut umgehen? Dokumentieren Sie die Fälle, oder die Behörden? Ist etwa der BKA mit Ihnen im Gespräch, oder ist es immer nur die örtliche Polizei? Wie weit hilft die Caritas?
MALKE: Viele Behörden auf höchster Ebene haben zunächst solche Übergriffe geleugnet. Nachdem sich die Meldung gehäuft haben und sie publik wurden, hat man das Problem eingestanden. Konkrete und flächendeckende Maßnahmen sind nicht erfolgt. Security wurde oft verstärkt und sensibilisiert. Vereinzelt konnten wir auf lokaler Ebene feststellen, dass eine getrennte Unterbringung durchgesetzt wurde. Inwieweit die Caritas hilft oder involviert ist, entzieht sich unserer Kenntnis.
CNA: Auch in der säkularen Gesellschaft des Westens wächst sichtlich die Intoleranz gegenüber Christen: Lebensschützer und Gender-Kritiker werden angegriffen, Medien stellen manche Christen als Fundamentalisten dar. Macht sich der ZOCD vor diesem Hintergrund Sorgen um die Religionsfreiheit in Deutschland? Was muss geschehen?
MALKE: Als orientalischer Christ habe ich schon seit Jahren die Erfahrung gemacht, dass man schief beäugt wird, wenn man sich in der Öffentlichkeit vor dem Essen bekreuzt oder den Namen Jesu in den Mund nimmt. Sicherlich gibt es Fundamentalisten auf beiden Seiten. Ich denke, dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft sich mehr mit ihren christlichen Wurzeln beschäftigen sollte. Auch die friedlich lebende Mehrheit der Muslime sollte sich vom IS distanzieren. Leider nehmen wir wenige bis gar keine Großdemonstrationen der Muslime in Europa oder in den muslimischen Ländern gegen den IS (Islamischen Staat) wahr.
CNA: Sie sehen Klärungsbedarf?
MALKE: Gerade im Hinblick auf den IS und den jüngst begangenen Anschlägen in Paris sollte sich die islamische Gesellschaft mit dem Gewaltpotential im Koran und den Hadithen auseinandersetzen. Sätze wie, das hat nichts mit dem Islam zu tun oder sie verstehen diese Suren falsch, können mittlerweile nicht mehr behauptet werden. Seit 1400 Jahren findet Christenverfolgung statt. Die Verfolger hatten sich oft auf den Islam berufen. Da hinterlassen bei der Mehrheit der Menschen in Deutschland Aussagen, dass es 1400 Jahre lang nichts mit dem Islam zu tun hatte, einen faden Beigeschmack. Man muss die Grundlagen die im Koran und den Hadithen Gewalt gegenüber Andersgläubigen Raum geben reformieren und zeitgemäß auslegen. Als Beispiel hierfür kann die Bergpredigt dienen, in der Jesus die Gebote Gottes endgültig in vollendeter Liebe ausgelegt hat.
CNA: Welches Ziel sollen Christen, Muslime und die Bevölkerung denn Ihrer Meinung nach verfolgen, um eine Lösung zu finden?
MALKE: Das Ziel kann nur das friedliche Zusammenleben sein. Aber hierfür muss man sich mit den Fehlern in der Vergangenheit auseinandersetzen und sie nicht ausblenden. Die katholische Kirche hat sich für die Kreuzzüge entschuldigt. Erst dann kann zwischen den Abrahamistischen Religionen ein Dialog auf Augenhöhe geführt werden, da es zu einem friedlichen Zusammenleben gehört, dass man über die Fehler in der Vergangenheit spricht, um sicherzugehen, dass diese nicht mehr wiederholt werden.