Warum zölibatär leben? Schwul und praktizierender Katholik: Ein Gespräch (Zweiter Teil)

Zweiter und letzter Teil des Gesprächs mit Joseph Prever

Ein betender Katholik in der Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis in Denver, Colorado am 17. Januar 2015
Catholic Charities / Jeffrey Bruno (CC BY 2.0)

Schwul und praktizierender Katholik: Darüber sprach Joseph Prever im ersten Teil des zweiteiligen Interviews mit CNA. Wer die Worte "gay Catholic" in der Suchmaschine Google eingibt, findet unter den ersten Links Joseph Prevers "gay catholic blog", auf dem er unter dem Pseudonym Steve Gershom schreibt. Im hier veröffentlichten zweiten und letzten Teil geht es um Zölibat und Sexualität — und viel mehr.

Zweiter Teil

 

Warum lebst du zölibatär?

Ich glaube, dass die Ausübung des sogenannten "homosexuellen Aktes" unmoralisch ist. Ich halte ihn aus einem Grund für unmoralisch: Weil er nicht für das Leben offen ist und somit verzerrt, was der Geschlechtsakt sein sollte.

Kompliziert wird es, wenn wir über die emotionale Realität der Homosexualität sprechen, denn manche Leute fragen mich: "Nun, das ist in Ordnung, wenn du denkst, dass schwuler Sex falsch ist, aber was ist mit schwuler Romantik?" Zum Beispiel sagen manche Leute: Denkst du, dass es für zwei orthodoxe Katholiken angemessen wäre, in einer festen, romantischen Beziehung zu leben, die zölibatär ist?" Und meine Antwort wäre nein. Es gibt eine intrinsische Verbindung zwischen Romantik und Sex, und du willst nicht etwas anfangen, was du nicht beenden kannst.

Dies wirft eine weitere Frage auf, die da lautet: "Okay, wenn es nicht in Ordnung ist, dass zwei Männer Sex haben und es für zwei Männer nicht in Ordnung ist, eine romantische Beziehung ohne Sex zu haben, ist es in Ordnung für einen Mann romantische Gefühle gegenüber einem anderen Mann zu empfinden?" Da muss ich, denke ich, mit ja und nein antworten. Es ist ok in dem Sinne, dass manche Leute sich manchmal nicht helfen können, also kann man nicht schuldig sein dafür, dass man dies empfindet. Aber ich denke, es ist nicht in Ordnung, in dem Sinne, dass es zutiefst unangemessen ist. Und ich meine nicht unangemessen im Sinne von "Oh, das ist ekelhaft, wir sollten nicht darüber reden", ich meine unangemessen, weil es nicht der Wirklichkeit entspricht.

Was meinst du damit, nicht der Wirklichkeit zu entsprechen?

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Ich glaube, dass die Empfindungen eines Mannes, der romantische Gefühle für einen anderen Mann hegt, auf einer Art Missverständnis dessen beruhen, was dieser Mann ist und sein kann.

Hier geht es jetzt um die wirklich schwierigen Dinge, die auch die wirklich wichtigen sind!

Ich glaube, dass es vielen Menschen schwer fällt zu verstehen, wie es zwischen zwei Männern eine tiefe Liebe geben kann, die nicht sexuell ist. Und ich denke, dies ist der Kern des weit verbreiteten Missverständnisses von Homosexualität. Wenn aber mein männlicher, heterosexueller Freund X sagt: "Ich liebe wirklich unseren gemeinsamen Freund Y", der auch männlich und hetero ist, dann denke ich eben nicht, dass es eine sexuelle Komponente zwischen X und Y gibt. Tatsächlich ist dies das Ideal, das ich in allen meinen Freundschaften mit anderen Männern anstrebe: sie lieb haben zu können und wirklich jederlei sexuelle Komponente daran zu tilgen.

Um zu meiner früheren Frage zurückzukehren, was können wir Deiner Meinung nach als christliche Gemeinschaft tun, um Menschen zu helfen, die damit ringen?

Kürzlich sagte jemand, wie wunderbar es doch wäre, wenn es in jeder Diözese eine Abteilung von Courage International gebe. Ich finde, das ist absolut richtig. Es ist eine Schande, dass jemand weit reisen muss, um [echte] Hilfe zu erhalten.

Das erste Problem ist das Schweigen. Und das besondere Problem an diesem Schweigen ist folgendes: Wenn du katholisch und schwul aufgewachsen bist – so war es zumindest als ich aufwuchs – dann ging es nicht so sehr darum, dass du schlecht oder böse wärst, sondern vielmehr darum, dass es absolut verboten war, darüber zu reden. Dass man darüber einfach nicht reden konnte und durfte. Das wirft die Frage auf, wie dieser Eindruck aufkommen konnte, und was getan werden kann, um dies zu korrigieren.

Die Schwierigkeit ist: Wie können wir das Schweigen über Homosexualität überwinden und korrigieren, ohne gleichzeitig preiszugeben, was die moralische Haltung zu homosexuellen Akten betrifft? Ich denke, dass Konservative im Allgemeinen sich mehr um letzteres kümmern, und Liberale im Allgemeinen mehr besorgt sind über das erstere. Und ich denke, die Liberalen haben Recht.

Ok, was würdest du tun, um Menschen dabei zu helfen, mit diesen Problemen umzugehen?

Das ist bei mir etwas anderes, als bei jemandem, der nicht schwul ist. Was ich tatsächlich getan habe, ist darüber zu schreiben und offen darüber zu sein, denn das gibt den Leuten ein Beispiel, nach dem Motto: "Oh, diesem Typen ist es nicht peinlich, also muss es das auch mir nicht sein." Das kann ich tun, aber natürlich kann das nicht jeder.

Die Frage ist, wo dieses Thema das Leben anderer Menschen betrifft. Dies ist etwa der Fall, wenn jemandem, der selber nicht schwul ist, ein Freund sagt, dass er homosexuell ist. Was machst du dann?

Ja – was machst du, wenn ein Freund dir sagt, dass er schwul ist?

Nun, die absolut wichtigste Sache ist, diese Person wissen zu lassen, dass deine Beziehung zu ihr dadurch nicht geschmälert wird, oder merkwürdig wird. Denn wovor ich am meisten Angst hatte war nicht, dass irgendjemand mich einfach abweisen oder nur einen Sünder nennen würde, denn ich kenne keine Katholiken, die das tun würden. Aber ich hatte Angst, dass die Leute anfangen würden, sich in gewisser Weise von mir zu entfernen. Ich hatte Angst, dass meine männlichen Freunde mich nicht mehr wie einen der Jungs behandeln würden, weil sie sich Sorgen machen würden, dass ich mich zu ihnen hingezogen fühlen würde oder dass sie denken würden, dass ich irgendwie nicht wie sie wäre.

Also wird jemandem, der sich auf diese Weise offenbart eines von zwei Dingen durch den Kopf gehen. Das eine ist, dass sie abgestempelt werden, und das andere, dass er als seltsam oder komisch gesehen wird. Ich glaube, dass diese zwei Dinge sich voneinander unterscheiden. Aber was auch immer man tun kann, um diese Sorgen schnell zu beheben: Das ist die hilfreichste Sache.

Und was können wir, zum Beispiel in Pfarreien, in der Praxis noch tun?

Eine Botschaft mit einem positiven Element haben. Viele junge homosexuelle Katholiken wissen, dass sie keine schwulen Sachen machen sollen, aber sie wissen nicht, was sie tun sollen.

Was sollten sie tun?

Sie sollten damit beginnen, jemandem davon zu erzählen, vorzugsweise einem Priester, der bereit ist, mit ihnen zu reden und ihnen zu helfen.

Sie denken also, dass Pfarrer und andere besser Bescheid wissen sollten darüber, was Menschen in Bezug auf Homosexualität durchmachen?

Wie der Katechismus sagt, ist die Anzahl der Menschen mit tiefsitzenden homosexuellen Neigungen nicht zu vernachlässigen: Dies ist ein großer Teil der Bevölkerung, von dem wir sprechen, und es handelt sich nicht um einige "Randfälle".

Neulich habe ich mit jemandem über das Rauchen der Droge Crack Scherze gemacht, wie man das halt so macht mit dem Verständnis, dass ohnehin "niemand, den ich kenne, damit wirklich selber beschäftigt ist." Und dann habe ich buchstäblich am Tag darauf erfahren, dass jemand, den ich schon sehr lange kenne, seit Monaten raucht.

Und das ist genau die Art von Situation, mit der ich aufgewachsen bin, wo es üblich war, Witze zu machen über "ha ha, Schwule" – weil niemand, den man kannte, schwul war. Klar: Wenn du so etwas die ganze Zeit hörst, fängst du irgendwann an, das für etwas zu halten, was außerhalb des Horizonts dessen abspielt, was normale menschliche Erfahrungen sind.

Ging es Dir so, als Du aufgewachsen bist?

Absolut.

Glaubst du, dass Dich das mehr aus dem Bereich eines 'normalen menschlichen Erfahrungshorizonts' herausgeschoben hat, weil du es so wahrgenommen hast?

Auf jeden Fall. Es klingt klischeehaft, aber deine Wahrnehmung prägt wirklich deine Realität. Wenn du glaubst, dass du aufgrund dessen, was du bist, nicht zur gesellschaftlichen Normalität gehörst, dann wirst du auch kleine Achtlosigkeiten als große Ausschließungen erleben, und dann bist du weniger dazu in der Lage, mit deinen Altersgenossen Umgang zu haben. Und wenn die sehen, dass du dich zurückziehst, dann haben sie den Eindruck, dass du ohnehin nicht Teil der Gruppe sein willst.

Wie hast Du es geschafft, das im Erwachsenenalter zu überwinden?

Teilweise durch Therapie; teilweise durch die Gruppe 'People Can Change' [heute "Brothers Road", Anm.d.R.]; teilweise durch Freundschaften; und teilweise durch meinen geistlichen Begleiter.

Würdest Du einer jungen Version Deiner selbst diesen Weg auch heute empfehlen?

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Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.

Ja, sehr.

Ich war kürzlich sehr frustriert über eine E-Mail, die ich von einem Leser erhalten habe. Er hatte mir eine E-Mail geschickt, als er in einer schlechten Verfassung war. Er war eindeutig extrem deprimiert, und so antwortete ich mit verschiedenen tröstlichen Dingen und versuchte, so praktisch wie möglich zu sein mit Vorschlägen, was er tun kann, wenn es ihm das nächste Mal so geht. Und ich fragte, ob er einen Therapeut oder geistlichen Begleiter hat, oder sonst irgendjemanden, mit dem er regelmäßig über diese Dinge sprechen könnte.

Er antwortete mir mit einer E-Mail, in der er sich entschuldigte dafür, so dramatisch gewesen zu sein; und er sagte, es sei normalerweise nicht so schlimm. Außerdem schrieb er, dass er es vorzog, sich ausschließlich auf die Kraft der Sakramente zu verlassen. Und ich dachte mir, was für ein schrecklicher Unsinn!

Der Grund, warum ich das sage, ist nicht, weil ich es für Unsinn halte, auf die Macht der Sakramente zu vertrauen, aber ich denke, es ist Unsinn, sich auf die Macht der Sakramente für Dinge zu verlassen, für die die Sakramente eigentlich nicht bestimmt waren. Zum Beispiel wäre es absurd zu sagen, dass du nicht zum Arzt gehst, um deinen gebrochenen Arm zu reparieren, weil du lieber zur Beichte gegangen bist. Es gibt in unserer Gesellschaft bestimmte Lösungen für bestimmte menschliche Probleme, und wenn wir uns derer nicht bedienen, sind wir sehr dumm.

Aber das Problem ist eigentlich – und das ist etwas eher Praktisches: Ich glaube, es gibt innerhalb der katholischen Kultur gibt es diese unausgesprochenen Meinung, dass Therapie für Heiden ist, oder dass Therapie für Menschen ist, die ihren Glauben nicht wirklich ernst nehmen.

Glaubst Du, dass das gleiche auch für Psycho-Pharmaka gilt, über die Du auch in Deinem Blog schreibst? Und denkst du, es hängt mit der Idee zusammen, die du vorher erwähnt hast: Dass Leute annehmen, man habe sich nicht hart genug bemüht?

Oh, definitiv. Ich denke, es gibt ein generelles Vorurteil gegen Therapie und Psychopharmaka, aber ich denke, dass dieses innerhalb der christlichen und katholischen Gemeinschaft exponentiell größer ist.

Obwohl ich glaube, dass dies ein größeres Problem in der evangelikalen Gemeinschaft als in der katholischen sein könnte. Ich sage das, weil ich an einen bestimmten evangelikalen Freund von mir denke, der ständig damit zu tun hat – er ist schwul, glaubt aber im Grunde, was die katholische Kirche über Homosexualität lehrt – und muss sich ständig mit Leuten auseinandersetzen, die ihm sagen: sich als homosexuell zu bezeichnen bedeutet, eine Sünde anzunehmen. Das sind Leute, die tatsächlich nicht zwischen der Neigung und der Handlung unterscheiden. Das sind Leute, die sagen, "na ja, ich könnte versucht werden, Ehebruch zu begehen, aber deswegen definiere ich mich doch nicht als 'ehebrecherischer Christ', warum also identifizierst Du Dich als 'homosexueller Christ'?"

Und was ist deine Antwort darauf?

Meine Antwort darauf ist, dass es zwar wahr ist, dass Homosexualität eine bestimmte Art von vorherrschender Versuchung im Leben eines Menschen darstellt, sie aber auch viel mehr bedeutet. Da die Sexualität selbst auf einer so tiefen Ebene mit vielen Aspekten unserer Persönlichkeit verknüpft ist, und mit unserer Erfahrung als Mensch, hat die Homosexualität auch sehr weitreichende Auswirkungen auf fast jeden Aspekt unseres Lebens, oder zumindest auf so viele Aspekte unseres Lebens wie eben Sexualität.

In Amerika gibt es in mehrfacher Hinsicht das Stereotyp des verweichlichten Schwulen. Sind das legitime Stereotypen? Oder gibt es eine Ebene, auf der Du glaubst, dass Homosexualität Deine Maskulinität beeinflusst?

Die Stereotypen sind insofern legitim, als dass jedem Stereotyp etwas Legitimität zukommt. Stereotypen entstehen nicht aus dem Nichts. Es ist auch wahr, dass entweder viele oder die meisten, oder möglicherweise alle, schwulen Männer, die ich je kennengelernt habe, Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Männern hatten, und sehr viele unter ihnen kennen das Gefühl, die Empfindung eines Mangels an Männlichkeit.

Ich glaube, dass es unter schwulen Männern generell eine höhere Inzidenz von Persönlichkeitsmerkmalen gibt, die im Allgemeinen nicht als männlich angesehen werden. Zum Beispiel sind die meisten schwulen Männer, die ich kenne, sensibler als die meisten anderen Männer; sind künstlerischer als die meisten Männer; sind introvertierter als die meisten Männer.

In Wahrheit sind künstlerische, sensible und introvertierte Eigenschaften nicht unmännlich. In der heutigen Kultur werden diese Merkmale mehr mit Weiblichkeit als mit Männlichkeit assoziiert. Tatsächlich sind diese Dinge in Wahrheit tatsächlich maskulin.

Ich verbrachte viele Jahre an einem Ort, der war ein Bollwerk von Ideen über traditionelle Männlichkeit und was es sein sollte, und viele dieser Ideen sind extrem vereinfachend, schädlich und falsch. Aber das Problem ist, die Menschen haben das Gefühl, wenn sie beginnen, diese Ideen in Frage zu stellen oder aufzugeben, dann geben sie irgendwie zu viel Boden und verraten ihren Glauben irgendwie. Die Menschen identifizieren die kulturelle Idee des Geschlechts mit dem, was der katholische Glaube über das Geschlecht hält.

Es scheint mir, dass sich unsere Wahrnehmung von Männlichkeit als Nation verändert. Und ich denke, das ist eine sehr gute Sache, und vielleicht deutet dies darauf hin, dass unter der Oberfläche etwas Größeres stattfindet. Wenn ein Mann zum Beispiel kein Interesse an den Dingen zeigt, die traditionell als männlich angesehen wurden, wird er heute weniger leicht verspottet, als dies vor 10 Jahren der Fall gewesen wäre. Heute, glaube ich, ist es akzeptabler, Fußball nicht zu mögen. (Lacht)

Was können wir Deiner Meinung nach dazu beitragen, dass Männer, die mit Homosexualität ringen, nicht ihre natürlichen Neigungen zu guten Dingen untergraben, etwa talentiert in den Künsten zu sein oder sensibel gegenüber anderen?

Der Grund, warum diese Frage schwer zu beantworten ist, ist, dass es nicht wirklich um Homosexualität geht. Es geht darum, wie Männer in unserer Kultur wahrgenommen werden und wie Frauen sind, und Menschen anbeten, und wie Menschen miteinander umgehen. Es geht nur darum, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Darum geht es bei all dem. Das Seltsame oder das Frustrierende daran ist, dass es kulturell einen riesigen Sturm über Homosexualität gibt. Was mich frustriert, ist, dass niemand zu erkennen scheint, dass es überhaupt nicht um Homosexualität geht. Es geht darum, was es heißt, ein Mensch zu sein.

Wie das?

Wann immer du anfängst über Sex zu reden, sprichst du darüber, was es heißt, ein Mensch zu sein. Ich denke, der Grund, warum Menschen überhaupt an Homosexualität interessiert sind, liegt darin, dass Menschen sehr daran interessiert sind, wie Menschen miteinander in Beziehung stehen und was Sex damit zu tun hat – und niemand ist sich gerade darüber im Klaren. Aber plötzlich verlangt die Frage der Homosexualität, dass wir über diese Dinge klar nachdenken, und viele von uns finden heraus, dass wir keine Ahnung haben.

Wirklich, alles kondensiert in diesem gewaltigen Wettersystem - ich weiß nicht einmal, was passieren wird. Aber da braut sich ein großer Hurrikan zusammen.

Die Herausforderung ist, dass man fast nichts anderes sagen kann, als dass Männer Männer sind, und Frauen Frauen, und die beiden sind nicht das gleiche.

Körperliche Unterschiede sind nicht nur körperliche Unterschiede, denn Körperlichkeit ist nicht nur Körperlichkeit. Der Punkt ist, dass man das Gedicht nicht umschreiben kann. Das heißt, wenn du ein Gedicht hast, das etwas Schönes und Wahres aussagt, kannst du es nicht einfach zusammenfassen, indem du sagst: "Ok, und was der Dichter sagen wollte, ist dieser Syllogismus." Genauso kannst du nur beschreiben, was Männlichkeit und Weiblichkeit sind, indem du sagst: "Hier sind Männer, sie sind männlich. Hier sind Frauen, sie sind weiblich". Das ist buchstäblich die einzige Art, das zu tun, denn unsere Körper sind Gedichte. Sie sind Gedichte, die die "Männlichkeit" Gottes und die "Weiblichkeit" Gottes ausdrücken, und wir müssen sie ernst nehmen, was nicht bedeutet, dass wir genau festhalten können, was die Gedichte sagen.

Du denkst also, dass ein Großteil der kulturellen Debatte nicht nur Homosexualität verhandelt, sondern die Menschheit? Hast du das in deiner eigenen Erfahrung gesehen?

Ich bin sehr glücklich, dass alle über Homosexualität sprechen, nicht weil ich denke, dass Homosexualität an sich sehr wichtig ist. Ich denke, es ist unglaublich unwichtig, eigentlich an und für sich. Ich denke, es ist unglaublich uninteressant, an und für sich. Was ich für unglaublich interessant halte, ist die Frage, was Männer und Frauen sind; was ein Geschlecht ausmacht; was Eros ist und was Freundschaft; wie Menschen miteinander in Beziehung treten; und was Sexualität damit zu tun hat.

Der Grund, warum ich froh bin, dass alle über Homosexualität reden, ist, dass wir gezwungen sind, all diese Fragen zu beantworten, deren Beantwortung seit langem ansteht.

Ein Teil von mir hatte sich vorgestellt, dass, nachdem ich mein "Coming Out" hatte, viele Leute Schlange stehen würden, um mit mir über meine Schwulheit zu reden, und dass wir die ganze Zeit darüber reden würden und dass jeder darüber reden würde. Und natürlich war ein Teil von mir von dieser Idee angezogen, weil natürlich jeder über sich selbst reden möchte. Was ich jedoch herausfand, war, dass meine Freunde und ich im Allgemeinen über dieselben Dinge sprechen, über die wir immer gesprochen haben. Und normalerweise kommt Homosexualität nicht auf. Was mich im Großen und Ganzen sehr freut, denn in den relativ seltenen Fällen, wenn es so weit kommt, ist niemand überrascht, wenn ich darüber rede. Was ja eigentlich alles war, was ich wollte.

Man trifft auf Schwule, die einfach nur darüber reden wollen, wie es ist, schwul zu sein, und es ist einfach unglaublich langweilig und narzisstisch.

Ich war einmal auf einer Party, wo es dieses schwule Paar gab, und ein oder zwei Stunden lang waren alle in der Nähe der schwulen Typen und hörten ihnen zu, wie sie darüber sprachen, schwul zu sein. Und es war seltsam und ekelhaft, aber es gibt mindestens zwei Gründe, warum das passiert ist. Zum einen ist es ein tolles Gefühl, offen über etwas zu sprechen, von dem man lange dachte, man könne nie darüber reden. Und zweitens, wenn Sie auf einer Party einen schwulen Typen sehen, sehen viele Menschen bewusst oder unbewusst eine Gelegenheit, um zu demonstrieren, wie aufgeschlossen sie sind. Es ist, als ob du in den 1960er Jahren auf einer Party einen Schwarzen gesehen hättest. Du wirst ihn kennenlernen und mit ihm reden wollen, besonders wenn Du ein Liberaler bist, und dabei allen zeigen: "Schaut her, ich spreche mit diesem Schwarzen." Und das ist verständlich. Aber was es offensichtlich tut, ist, diese Person zu objektivieren. Das haben meine Freunde nicht getan.

Was wünschst Du Dir, dass durchschnittliche Katholiken und andere Christen über Leute wüssten, die mit Homosexualität ringen und zur Kirche gehören?

Erstens, dass Du mit hoher Wahrscheinlichkeit welche kennst. Zweitens, dass die meisten von uns sich wahrscheinlich sehr lange und sehr stark von der normalen Gesellschaft ausgeschlossen gefühlt haben. Drittens, dass viele von uns sich sehr bemüht haben, unsere Homosexualität loszuwerden, und damit gescheitert sind. Und viertens, was die letzte Nummer ist, (lacht) gut, Nummer vier ist vielleicht speziell, aber für mich ist Freundschaft eines der wichtigsten Dinge der Welt und somit ist das Größte, das jemand für mich tun kann, mein Freund zu sein – unabhängig von allem anderen.

(Englische Originalfassung veröffentlicht am 1. Juli 2015)