Vatikanstadt - Samstag, 23. Februar 2019, 11:38 Uhr.
Als einer der Redner des Krisengipfels im Vatikan hat Kardinal Reinhard Marx über Nachvollziehbarkeit in der Verwaltung gesprochen.
Diese spiele eine wichtige Rolle in der "Wirklichkeit der Kirche" und dürfe nicht übersehen werden, betonte der Erzbischof von München und Freising.
"Transparenz" war das Stichwort des dritten Tages des Gipfeltreffens, das vom 21. bis 24. Februar dauert und an dem 190 katholische Führungskräfte teilnehmen. Jedem der drei Diskussionstage wurde ein Stichwort zugeordnet: Neben der "Transparenz" waren dies "Verantwortung" und "Rechenschaft".
Um alle Aufgaben, die sich aus dem Sendungsauftrag der Kirche ergeben, erfüllen zu können, brauche es eine funktionierende Verwaltung, „die sich am Ziel der Kirche orientieren muss und an der Leitlinie der Gerechtigkeit“, so Kardinal Marx. Die Macht der Verwaltung könne auch missbraucht werden.
Nachvollziehbarkeit und Transparenz in der Verwaltung sei "alternativlos", so Marx.
Beide seien beständige Aufgaben, zu deren Erfüllung es hilfreich sein könne, sich auch von außerhalb der Kirche Unterstützung von entsprechenden Fachleuten zu holen, sagte der deutsche Oberhirte.
CNA dokumentiert den Wortlaut der Rede, wie sie die Deutsche Bischofskonferenz zur Verfügung gestellt hat.
Heiliger Vater,
Eminenzen, Exzellenzen,
liebe Schwestern und Brüder,
wenn ich zu Ihnen heute über Transparenz spreche, dann tue ich dies unter zwei Voraussetzungen. Zum einen unter der Voraussetzung eines bestimmten Verständnisses des Begriffs Transparenz. Ich verstehe darunter nicht eine möglichst große Masse von verschiedensten unkoordiniert offengelegten Informationen. Für mich bedeutet Transparenz, dass Handlungen, Entscheidungen, Prozesse, Verfahren etc. verstehbar nachvollzogen werden können. Nachvollziehbarkeit und Transparenz gehören für mich untrennbar zusammen.
Zum anderen spreche zu Ihnen über Transparenz im Zusammenhang mit Traceability als Kardinal, der Deutscher ist. Einige von Ihnen werden sich jetzt vielleicht sogleich denken: typisch, eigentlich kann man gar nichts anderes erwarten. Uns Deutschen sagt man nämlich einen gewissen Hang zur Verwaltung nach und dazu gehören auch die schon erwähnte Traceability und Transparenz. Akten, Dokumente, Formulare, Richtlinien, Paragraphen, Listen, Verfahrensvorschriften und was es sonst noch so alles gibt, das scheint uns Deutschen anscheinend schon in die Wiege gelegt worden zu sein, und wer es irgendwie mit uns zu tun hat, der scheint auch auf irgendeine Weise mit all diesen soeben erwähnten Dingen konfrontiert zu werden. Mancher mag dies dann als eine gewisse Schrulligkeit verbuchen und nicht weiter zur Kenntnis nehmen. Andere wiederum, unter Umständen sogar die Mehrheit, stehen dem Ganzen ablehnend gegenüber. Sie fragen sich ernsthaft: Steht die Verwaltung nicht der Dynamik des Lebens entgegen? Ist es denn nicht klar, dass die Verwaltung Akten in den Mittelpunkt stellt anstatt Menschen und ihre Bedürfnisse? Stimmt es nicht, dass Verwaltung nur zusätzliche Arbeit macht und vom Eigentlichen abhält?
Ich möchte mit ihnen zusammen diesen Fragen nachgehen. Und keine Sorge; es geht dabei nicht um ein Problem von Deutschen, Schweizern oder Amerikanern. Es geht um ein grundsätzliches Problem, dem wir uns als Kirche als Ganze zu stellen haben, gerade auch und besonders im Blick auf einen angemessenen Umgang mit dem Thema Missbrauch. Es geht darum, zu klären, wieviel Verwaltung die Kirche braucht. Und das scheint auf den ersten Blick eher weniger zu sein.
Als Grund für diese Einschätzung lässt sich gleich mehreres anführen. Glaube kann nicht verwaltet werden. Der Geist Gottes kann unmöglich zwischen Aktendeckeln eingefangen werden. Die Liebe Gottes zeigt sich in der sorgenden konkreten Hinwendung zu den Menschen und weniger durch Verwaltungspapiere. Das Gebet ist wesentlich kräftiger als noch so viele Verwaltungsvorgänge. Die Sakramente vermitteln wahre Gnaden, während eine Verwaltung im Klein-Klein dieser Welt verbleibt. Man könnte weitere Argumente aufzählen, um zu zeigen: Verwaltung gehört eigentlich nicht so recht zur Kirche, kann mehr oder weniger vernachlässigt werden. Doch stimmt das wirklich? Versuchen wir hier, eine Klärung herbeizuführen, indem wir dazu folgende gedanklichen Schritte gemeinsam gehen und uns darüber bewusst werden: was die Kirche ausmacht; wo Verwaltung dabei ihren Platz hat; wie Verwaltung ihren Zweck erfüllt; worauf es zu achten gilt, dass die dafür notwendigen Voraussetzungen vorhanden sind und welche Aufgaben daraus resultieren.
Schon hier möchte ich jedoch nicht verhehlen, wovon ich fest überzeugt bin und was ich für unverzichtbar halte: Verwaltung im Verantwortungsbereich der Kirche ist nicht nur eine technische, handwerkliche oder funktionale Frage. Eine solche kirchliche Verwaltung hängt eng mit theologischen Grundannahmen zusammen, ist theologisch-spirituell motiviert und mit dem konkreten Handeln der Kirche eng verknüpft. Eine funktionierende kirchliche Verwaltung ist ein wichtiger Baustein in der Missbrauchsbekämpfung und in der Missbrauchsaufarbeitung. Warum dem meiner Meinung nach so ist, wird sich im Folgenden zeigen.
Das Selbstverständnis der Kirche
Das Selbstverständnis der Kirche
Die Kirche hat eine Sendung in dieser Welt. Sie ist, wie es die Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium gleich zu Beginn sagt „in Christus gleichsam das Sakrament bzw. Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit des ganzen Menschengeschlechts“ (LG 1). Diese Sendung wird von konkreten Menschen, an konkreten Orten unter ganz bestimmten Bedingungen erfüllt, wozu es auch entsprechender weltlich fassbarer Mittel bedarf. Nicht umsonst heißt es daher etwas weiter im Text von Lumen gentium: „Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfasst und erhält sie als solches unablässig (…). Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft aber und der mystische Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei Dinge zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst.“ (LG 8). Und weiter heißt es dann: „Deshalb wird sie [die Kirche; RM] in einer nicht unbedeutenden Analogie mit dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes verglichen. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, Ihm unauflöslich geeintes Heilsorgan dient, (so) dient auf eine nicht unähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt zum Wachstum seines Leibes (…).“
Kurz zusammengefasst bedeutet dies: Das Handeln der Kirche in dieser Welt kann sich nicht strikt und alleine auf das Geistliche beschränken. Eine Vernachlässigung des weltlichen Aspekts der Kirche und dessen eigener Gesetzmäßigkeiten würden der Wirklichkeit der Kirche nicht gerecht werden. In einer analogen Weise sind der Leib Christi und die menschliche Organisation der Kirche „ungetrennt und unvermischt“ zusammen zu sehen. Deshalb dürfen alle Grundsätze für eine gute Gesellschaft, eine menschendienliche Organisation im Leben der Kirche nicht außer Acht bleiben.
Der Zweck der Verwaltung
Zum weltlichen Aspekt der Kirche gehört es wesentlich, dass viele unterschiedliche Menschen bei der Erfüllung des kirchlichen Sendungsauftrags zusammenwirken und für ihre jeweiligen Tätigkeiten auch die entsprechenden materiellen Mittel benötigen. Gehälter müssen bezahlt, Kirchengebäude erhalten, Gemeindehäuser errichtet, Zusammenarbeit muss koordiniert, Verträge müssen eingehalten, katechetisches Material muss gedruckt werden – die Aufzählung ließe sich noch lange fortführen. Letztendlich laufen aber alle diese Bespiele auf eine Einsicht hinaus: Um alle diese Aufgaben, die sich aus dem Sendungsauftrag der Kirche ergeben, erfüllen zu können – und damit auch den Sendungsauftrag der Kirche –, braucht es eine funktionierende Verwaltung, die sich am Ziel der Kirche orientieren muss und an der Leitlinie der Gerechtigkeit.
Verwaltung standardisiert Vorgänge und Prozesse, so dass nicht jedes Mal neu gesucht, gefragt und ausprobiert werden muss, wie etwas funktioniert, obwohl immer wieder das Gleiche zu erledigen ist. Dadurch werden Ressourcen geschont, sparsam verwandt und effizient für den Sendungsauftrag erhalten. Verwaltung dokumentiert, was besprochen, vereinbart und erreicht wurde; entreißt es der Vergesslichkeit und bewahrt es über den Moment hinaus, so dass Zuverlässigkeit und Treue zum eigenen Wort möglich sind. Verwaltung verobjektiviert, indem sie Regeln und Gesetze erstellt bzw. durchsetzt und so Willkür verhindern hilft. Dies ist ein aktiver Beitrag zur Gerechtigkeit, da durch verpflichtende Regel- und Gesetzmäßigkeit Entscheidungen und Beschlüsse nicht vom jeweiligen Gutdünken eines Bearbeiters oder Vorgesetzten abhängen. Verwaltung orientiert und sortiert auch, indem sie den Überblick über das Geschehen bewahrt, dieses somit erfasst und verfügbar macht. Damit schafft sie Ordnung, in der sich der Einzelne zurechtfinden kann und die Sinnhaftigkeit seines eigenen Handelns verstehen bzw. überprüfen kann. Verwaltung reglementiert, ahndet Verstöße gegen das Gemeinwohl, gegen Regeln sowie Gesetze und setzt damit ein Gegengewicht gegen das, was man landläufig als die Sündhaftigkeit des Menschen bezeichnen kann. Insgesamt gesehen stabilisiert Verwaltung das Zusammenwirken unterschiedlicher Menschen in Institutionen.
All das, was zuvor schon gesagt wurde, also das Standardisieren, Dokumentieren, Verobjektivieren, Orientieren und Sortieren, aber auch Reglementieren, ist mitentscheidend für den Erfolg gemeinsamen Handelns, auch das der Kirche.
Schwierigkeiten und Probleme
Auf Grund dessen, was Verwaltung tut, ist sie mächtig. Was sie macht oder nicht, hat spürbaren Einfluss auf das, was im gemeinsamen Handeln erreicht werden kann oder auch nicht. Diese Macht der Verwaltung kann auch missbraucht werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Verwaltung ihre dienende Funktion für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten unterschiedlicher Menschen für die Erreichung höherer Ziele vergisst; sich die Verwaltung nur noch mit sich selbst beschäftigt; Vorschriften und Regeln nur dazu verwandt werden, um die Verwaltung oder die Macht von Personen am Leben zu erhalten. Das ist Missbrauch von Macht durch die Verwaltung. Was dies bedeuten kann, zeigt sich in unseren Tagen recht deutlich.
Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist zu einem nicht geringen Teil auf den Machtmissbrauch im Bereich der Verwaltung zurückzuführen. Verwaltung hat hier nicht dazu beigetragen, dass der Sendungsauftrag der Kirche erfüllt wird, sondern im Gegenteil, dass er verdunkelt, diskreditiert und verunmöglicht wurde. Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt. Nicht die Täter, sondern die Opfer wurden reglementiert und ihnen wurde Schweigen auferlegt. Festgelegte Verfahren und Prozesse zur Verfolgung von Vergehen wurden bewusst nicht eingehalten, sondern abgebrochen oder außer Kraft gesetzt. Die Rechte von Opfern wurden gleichsam mit Füßen getreten und sie der Willkür Einzelner ausgeliefert. Dies sind alles Geschehnisse, die dem zutiefst widersprechen, wofür die Kirche stehen sollte. So, wie kirchliche Verwaltung angelegt war und durchgeführt wurde, hat sie nicht zur Einheit des ganzen Menschengeschlechts und der Vereinigung der Menschen mit Gott hilfreich beigetragen, sondern im Gegenteil dagegen schwerstens verstoßen.
Damit zeigt sich spätestens jetzt ein schwieriges Dilemma: Einerseits braucht es Verwaltung zur Erfüllung des Sendungsauftrags der Kirche, andererseits kann sie diesem direkt entgegenstehen. Wie damit umgehen? Was müssen wir ändern bzw. stärker beachten?
Notwendigkeit von Nachvollziehbarkeit und Transparenz
Wir brauchen dringend eine Verwaltung, die nicht nur einen Beitrag zur Umsetzung des Sendungsauftrags der Kirche leistet, sondern selbst schon ansatzweise das verkörpert, was mit dem Sendungsauftrag erreicht werden soll. Sie muss wie die Kirche als Ganzes, nicht nur Werkzeug, sondern auch Zeichen sein für die Vereinigung der Menschheit und die Einheit der Menschen mit Gott. Es geht nicht nur um das Funktionieren der Verwaltung für irgendeinen Zweck, sondern Verwaltung soll so geschehen, dass sich Menschen in Verwaltungsvorgängen angenommen fühlen, dass sie Wertschätzung erfahren, dass sie vertrauen können, dass sie sich sicher und gerecht behandelt fühlen, dass sie Gehör finden und ihre berechtigte Kritik angenommen wird. Damit würde etwas von dem realisiert werden, was es bedeutet, Menschen zusammenzuführen und letztendlich auch Menschen mit Gott zu vereinen – und das ist sozusagen die theologische Sendung von kirchlicher Verwaltung.
Wie wichtig es ist, dass kirchliche Verwaltung in dieser Weise agiert, zeigen die negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen. Die Gedanken einiger Missbrauchsopfer lassen sich so auf den Punkt bringen: Wenn die Kirche beansprucht, im Namen Jesu zu handeln, ich aber von der Kirche bzw. deren Verwaltung so schlecht behandelt werde, dann möchte ich auch mit diesem Jesus nichts zu tun haben.
Damit Verwaltung im Sinne der kirchlichen Sendung und entsprechend der Eigenart der Kirche als „Zeichen und Werkzeug“ handelt, bedarf es der Transparenz bzw. Nachvollziehbarkeit von Verwaltungsvorgängen. Verwaltungsvorgänge werden transparent, wenn verstehbar nachvollzogen werden kann, wer wann, was, warum, wozu getan hat und wie entschieden, abgelehnt oder zugewiesen worden ist. Menschen, die mit einer transparenten Verwaltung zu tun haben, können so Fehler und Irrtümer im Verwaltungshandeln aufdecken und sich dagegen wehren. Sie können ihre Sicht der Dinge verbindlich einbringen und Berücksichtigung finden. Die Menschen begegnen in der Verwaltung nicht einer anonymen unverständlichen Machtstruktur, sondern können selbstbestimmt Kontrolle über Verwaltungsvorgänge ausüben. Sie sind nicht bloße Objekte der Verwaltung, sondern können sich als Subjekte wahrnehmen. Deswegen ist auch die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche sehr angezeigt und notwendig.
Einwände und Befürchtungen
Nachvollziehbarkeit und Transparenz sind alternativlos. Dennoch gibt es Einwände, die man bedenken sollte. Sie richten sich vor allem gegen Verletzungen des päpstlichen Geheimnisses sowie des guten Rufes von unschuldigen Priestern oder der Priesterschaft und der Kirche als Ganzes durch falsche Anschuldigungen, wenn diese bekannt würden.
Diese Einwände gegen Nachvollziehbarkeit und Transparenz sind jedoch nicht besonders schlagkräftig. Jener Einwand, der auf dem Hinweis auf das Päpstliche Geheimnis aufbaut, würde erst dann greifen, wenn zwingende Gründe nachgewiesen werden könnten, die belegen, warum bei der Verfolgung von Straftaten hinsichtlich Missbrauch von Minderjährigen das Päpstliche Geheimnis Anwendung finden sollte. Solche Gründe sind mir zumindest gegenwärtig nicht bekannt.
Die Grundsätze der Unschuldsvermutung und des Schutzes der Persönlichkeitsrechte sowie das Bedürfnis nach Transparenz schließen sich nicht gegenseitig aus. Das Gegenteil ist der Fall. Einerseits stellt ein transparentes, klar geregeltes und definiertes Verfahren sicher, dass die richtigen Schritte unternommen werden müssen, bevor diejenigen, die ein Urteil abgeben, ein Urteil fällen. Dies ist der beste Sicherungsmechanismus gegen Vorurteile oder falsche Beurteilungen des Falls. Andererseits wird durch ein klar definiertes und öffentliches Verfahren ein Grad an Glaubwürdigkeit geschaffen, der die Wiederherstellung des Rufs einer zu Unrecht beschuldigten Person ermöglicht, die andernfalls Gerüchten ausgesetzt wäre, wenn die Untersuchung nicht angemessen, transparent oder nicht schlüssig ist.
Transparenz bedeutet nicht die unkritische Annahme und die disziplinlose Verbreitung von Missbrauchsvorwürfen. Das Ziel ist ein transparentes Verfahren, das die Vorwürfe klärt und konkretisiert und dabei allgemein anerkannten Normen folgt, wann und wie die Öffentlichkeit, die Behörden und die römische Kurie zu informieren sind. Solche Standardpraktiken werden deutlich machen, dass nicht die Transparenz der Kirche Schaden zufügt, sondern begangene Missbrauchstaten bzw. mangelnde Transparenz bzw. Vertuschung in deren Folge.
Aufgaben und Herausforderungen
Nachvollziehbarkeit und Transparenz fallen nicht einfach vom Himmel. Sie sind eine beständige Aufgabe, zu deren Erfüllung es hilfreich sein kann, sich auch von außerhalb der Kirche Unterstützung von entsprechenden Fachleuten zu holen. Entscheidend ist dabei immer wieder die persönliche Haltung derer, die in der Verwaltung arbeiten und derer, die sie verantworten. Im Kern geht es dabei um die Frage, inwiefern man bereit ist, sein eigenes Handeln vor anderen zu rechtfertigen und sich in gewissem Rahmen kontrollieren zu lassen. Eine diesbezüglich positive Einstellung zu entwickeln und in angemessener Weise zum Tragen zu bringen, braucht Zeit und Raum für Diskussion, Differenzierung und Klärung, Einüben und Lernen. Angesichts der Dringlichkeit des Themas sollte aber jetzt schon mit den wichtigsten Maßnahmen begonnen werden. Hierzu können folgende gerechnet werden:
- Definition des Ziels und der Grenzen des Päpstlichen Geheimnisses:
Der gesellschaftliche Wandel unserer Zeit wird zunehmend durch ein verändertes Kommunikationsverhalten geprägt. Im Zeitalter von Social Media, in dem jede und jeder innerhalb kürzester Zeit über Facebook, Twitter usw. in Kontakt treten und Informationen austauschen kann, ist es notwendig, Vertraulichkeit und Geheimhaltung neu zu definieren und sie vom Datenschutz zu unterscheiden. Wenn dies nicht gelingt, vertun wir entweder die Chance, ein Maß an informationeller Selbstbestimmung aufrechtzuerhalten, oder wir setzen uns dem Verdacht der Vertuschung aus.
- Transparente Verfahrensnormen und Regeln für kirchliche Prozesse: Gerichtsverfahren als Rechtsmittel sind ohne angemessene Rechts- und Verfahrensvorschriften bedeutungslos, da dies Willkür gleich käme, wenn es darum geht, Urteile zu fällen. Das wäre mangelnde Transparenz in Bezug auf das konkrete Handeln. Die Festlegung transparenter Verfahrensnormen und -regeln für kirchliche Prozesse ist unerlässlich. Die Kirche darf nicht unterhalb der Qualitätsstandards der öffentlichen Rechtspflege arbeiten, wenn sie sich nicht der Kritik aussetzen will, dass sie ein minderwertiges Rechtssystem hat, das den Menschen schadet.
- Öffentliche Meldung von Fallzahlen und Einzelheiten zu Fällen, soweit möglich: Institutionelles Misstrauen führt zu Verschwörungstheorien bezüglich einer Organisation und Legendenbildung über eine Organisation. Diese kann vermieden werden, wenn die Fakten transparent dargelegt werden.
- Veröffentlichung gerichtlicher Verfahren:
Ordnungsgemäße rechtliche Verfahren dienen der Wahrheitsfindung und bilden die Grundlage für die Anwendung einer Strafe, die der jeweiligen Straftat angemessen ist. Sie schaffen aber auch Vertrauen in die Organisation und ihre Führung. Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung von Gerichtsverfahren schaden nur dem Ruf und der Funktionsweise einer Institution. Dieser Grundsatz gilt auch für die Kirche.
Wirft man einen Blick auf die anderen Inhalte, die bei unserer Tagung abgehandelt werden, dann wird einem klar, dass Nachvollziehbarkeit und Transparenz nur ein Thema unter mehreren ist, die es im Zusammenhang mit Missbrauchsprävention und Missbrauchsaufarbeitung zu berücksichtigen gilt. Dennoch muss man sich immer wieder bewusst machen, dass Nachvollziehbarkeit und Transparenz auch über den Kontext von Missbrauch hinaus, etwa im Bereich der Finanzen, hohe Bedeutung haben. Sie entscheiden grundsätzlich mit über die Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit der Kirche. Tun wir einen mutigen Schritt in diese Richtung.
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