12. November 2019
In seinem Werk "Der Antichrist nach der Lehre der Väter" widmet sich John Henry Newman einem Thema, das gerade in unseren Tagen kaum aktueller sein könnte. Die Frage danach, was christlich ist – und somit auch anti-christlich – wird neu verhandelt: Nicht nur in den Medien, auch in Pfarreien und Ordinariaten, selbst in Rom werden nicht nur Menschen von Menschen ausgegrenzt, sondern auch Christen von Christen. Dabei sind auch unchristliche Begriffe im Umlauf, die bestenfalls in einer Beichte wiederholt werden sollten.
Newman wurde vor wenigen Wochen von Papst Franziskus heiliggesprochen wurde. In seinem Buch über den Antichrist beschreibt er dessen wesentliches Charakteristikum: Dieser leugnet ganz offen, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der "vom Himmel im Fleische gekommen" ist. Demnach sind jene, die Ihn leugnen, ein "Antichrist".
"Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der da leugnet, daß Jesus der Christus sei? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht" (1 Joh 2,22f.).
Daraus geht hervor, schreibt Newman, "daß der Antichrist von der Verwerfung des Sohnes zur Verwerfung Gottes überhaupt übergehen wird, sei es durch Implikation oder in der Praxis".
Newman sagt demnach, dass Christen nicht leichtfertig von anderen Menschen als Antichristen reden sollten, besonders auch dann nicht, wenn sie zur gleichen Religion gehören. Er warnt all, die eine vermeintliche Autorität beanspruchen, ein Urteil zu fällen, sei es mit Worten oder in Taten:
"Die Meinung irgendeines Menschen, selbst wenn er am meisten geeignet wäre, eine [solche] zu bilden, könnte schwerlich von irgendwelcher Autorität sein oder es wert sein, aus sich selber vorgebracht zu werden; während das Urteil und die Ansichten der frühen Kirche unsere spezielle Beachtung beanspruchen und anziehen, weil sie, soweit wir sehen, zum Teil aus Traditionen der Apostel abgeleitet sein können und viel zusammenhängender und einstimmiger vor uns hintreten als diejenigen irgendeiner andern Reihe von Lehrern. So haben sie zum mindesten höheren Anspruch auf unsere Aufmerksamkeit als die anderer Schriftsteller, seien nun ihre Ansprüche klein oder groß."
Der große Intellektuelle und Konvertit stellt in seinem – im Jahr 2019 neu aufgelegten – Buch über den Antichrist fest: Dieser wird kommen; und er ist bereits da.
"Der heilige Johannes sagt uns, daß jeder Geist, der nicht bekennt, daß Jesus Christus im Fleische gekommen ist, jener Geist des Antichrist ist, der eben jetzt schon in der Welt ist."
Der Gelehrte und Geistliche tellt fest, dass es "in der Tat keine Geschichte irgendwelcher Art vorzuweisen" gäbe, in der "alle Merkmale irgendeines Antichrist" erfüllt würden, bzw. schon erfüllt worden wären.
Newman verlässt sich dabei keineswegs auf das Urteil der modernen Menschen. Vielmehr erhebt er eine Forderung, die er aus der Heiligen Schrift gewinnt: Christen sollen die biblischen Warnungen ernst nehmen. Newman verlangt, sich das Urteil der Väter zu Nutzen zu machen, denn diese hätten "eine spezielle Autorität" in dieser Sache.
Daß der heilige Paulus und der heilige Johannes von demselben Feinde der Kirche sprechen, scheint aus der Ähnlichkeit ihrer Beschreibungen klar zu sein. Sie beide sagen, daß der Geist selber schon in ihren Tagen am Werke sei. "Jener Geist des Antichrist«, sagt der heilige Johannes, »ist schon jetzt in der Welt."
"Das Geheimnis des Bösen wirkt schon", sagt der heilige Paulus. Und sie beide beschreiben den Feind als charakterisiert durch dieselbe spezielle Sünde: den offenen Unglauben.
Der heilige Johannes sagt, "daß der der Antichrist ist, der den Vater und den Sohn leugnet« -, während der heilige Paulus von ihm in ähnlicher Weise redet als »dem Gegner und Rivalen all dessen, was Gott heißt oder als Gott verehrt wird", daß er "als Gott sitzt im Tempel Gottes, von sich selber sagend, daß er Gott ist«. In diesen beiden Stellen wird dieselbe lästerliche Leugnung Gottes und der Religion beschrieben; aber der heilige Paulus fügt hinzu als Zusatz, daß er gegen alle existierende Religion auftreten wird, ob falsch oder wahr, gegen »alles, was Gott genannt wird oder als Gott verehrt wird".
St. John Henry Newman führt weiter Bibelstellen an, die dieselbe "rücksichtslose Gottlosigkeit prophezeien":
"Der König wird tun, was er will, und wird sich erheben und aufwerfen wider alles, was Gott ist, und wider den Gott aller Götter wird er lästerlich reden ... Den Gott seiner Väter wird er nicht achten; er wird weder der Sehnsucht der Frauen noch irgend eines Gottes achten, denn er wird sich wider alles aufwerfen." (Daniel 11. Kap.)
Christus "wird kommen »in seinem eigenen Namen«. Nicht von Gott, nicht im Namen Gottes, nicht mit einer vorgeblichen Mission von Ihm, sondern in seinem eigenen Namen durch eine blasphemische Anmaßung göttlicher Macht - so wird der Antichrist kommen".
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Es ist diese Frage der Anmaßung, das Bild der Täuschung und vorgeblicher Mission, die in zahlreichen Stellen des Alten und Neuen Testaments aufleuchtet. Newman zeichnet ihre Spuren nach.
"Viele werden darüber kommen, und die Kenntnis wird zunehmen ... Viele werden gereinigt, geläutert und bewährt werden, und die Gottlosen werden ein gottloses Wesen führen; und die Gottlosen alle werden es nicht verstehen, aber die Verständigen werden es verstehen" (Dan 12,4,10).
Oder etwa in diesem Brief des Neuen Testaments:
"In den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen, denn es werden Menschen sein, die viel von sich selbst halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam und undankbar, ungeistlich, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unkeusch, wild, ungütig, Verräter, Frevler, aufgeblasen, die mehr die Wollust lieben denn Gott, die da haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie ..." (2 Tim 3,2-5) .
Dabei gewinnt auch und gerade der Leser im Jahr 2019 einen Blick für die Brisanz der Warnungen der Heiligen Schrift, wenn es etwa heißt: "Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?" (2 Petr 3,3f.).
John Henry Kardinal Newman, "Der Antichrist nach der Lehre der Väter", ist in der Verlagsbuchhandlung Sabat erschienen und hat 176 Seiten.
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