Londoner Luxus-Immobilie des Vatikans sollte durch Abriss von Pfarrheim ermöglicht werden

London
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Ein Bauträger im Auftrag des Vatikanischen Staatssekretariats hat angeboten, ein Londoner Pfarrzentrum und Pfarrhaus abzureißen und durch preiswerte Wohnungen zu ersetzen, um dadurch von der zuständigen Bezirksverwaltung die Baugenehmigung für eine Luxus-Immobilie zu bekommen.

Das haben Recherchen der Catholic News Agency (CNA) ergeben.

Der Vatikan ist an diesem Vorgang direkt beteiligt, sowohl durch zwei kürzlich vom Dienst suspendierte Vertreter des Heiligen Stuhls sowie einem Vatikan-eigenen Geflecht von Beteiligungsgesellschaften, über die ein der Geldwäsche und des Betrugs verdächtigter Architekt die Aufsicht hat.

Im Juni 2016 wurde bei der Verwaltung des Londoner Bezirks Kensington and Chelsea ein Antrag auf Baugenehmigung für Luxusapartments an der Sloane Avenue, Hausnummer 60, eingereicht. Darin wurde vorgeschlagen, das Pfarrhaus und Gemeindezentrum der Pfarrei St. Pius X. abzureissen, um Platz für den Bau von Sozialwohnungen zu machen, der vomRoyal Borough of Kensington and Chelsea (RBKC) vorgeschrieben wird für den Bau von Luxus-Immobilien.

Ermöglicht haben diesen Vorschlag Amtsträger des Vatikans. Sie besuchten persönlich die Pfarrei und arbeiteten mit der Erzdiözese Westminster zusammen, um die Zustimmung des örtlichen Pfarrers zu gewinnen.

Genehmigt hat das Investmentgeschäft Kardinal Angelo Giovanni Becciu. Er bezeichnete vor Kurzem noch das Vorhaben als ganz normalen Vorgang.

“Es ist eine gängige Praxis für den Heiligen Stuhl, in Immobilien zu investieren, das hat er immer getan: in Rom, in Paris, in der Schweiz und auch in London”, sagte Becciu im Oktober und betonte, dass das Geschäft “regulär und gesetzlich registriert” sei.

Eingereicht hat den Bauantrag die auf der Kanalinsel Jersey eingetragene Holding-Firma “60 SA Ltd.” Dieser Firma gehört das Gebäude, in das der Vatikan 200 Millionen Dollar geliehenen Geldes investiert hatte.

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Das Pfarrhaus der Gemeinde St. Pius X. liegt im Londoner Stadtteil Notting Hill.

Pfarrer Peter Wilson von St. Pius X. sagte, Vertreter der Erzdiözese Westminster hätten seine Pfarrei vor Antragstellung aufgesucht – in Begleitung eines namentlich nicht genannten Vertreters des Heiligen Stuhls. Der Vertreter des Vatikans habe ihm die Baupläne für die Sozialwohnungen gezeigt.

“Ich wusste, dass jemand vom Heiligen Stuhl angekündigt war, den habe ich auch getroffen, aber ich wusste nicht, warum er beteiligt war”, sagte Wilson. Man habe ihn nicht über die Hintergründe informiert.

“Sie wollten das Pfarrhaus abreißen und einen Wohnblock bauen. Sie sagten mir, ich könnte eine Wohnung im Wohnblock haben”, so der Pfarrer. Ihm habe das zwar im Herzen “ein wenig” wehgetan, aber ihm stehe nicht zu, mit Autoritäten über so etwas zu streiten.

Die Londoner Behörde indessen lehnte den Vorschlag ab. Der Antrag sei unzureichend, zumal in der Pfarrei – die mehrere Kilometer vom Luxus-Projekt entfernt ist – kein Mangel an Sozialwohnungen herrsche.

Nach dieser Absage bot der Bauträger der Gemeinde eine Summe von 12 Millionen Pfund an – statt der Sozialwohnungen – um trotzdem die Genehmigung für die geplante Luxus-Immobilie zu erhalten. Das sind umgerechnet über 14 Millionen Euro.

Wie diese Vorgänge zeigen, war der Vatikan alles andere als nur ein passiver Investor, wie ursprünglich berichtet. Vielmehr war der Vatikan von Anfang an direkt beteiligt.

Ein Sprecher der Erzdiözese Westminster sagte gegenüber CNA, man werde oft von Bauträgern angesprochen, etwa mit Blick darauf, die Quote an Sozialem Wohnungsbau zu erfüllen. Das Erzbistum prüfe diese Anträge auf ihren langfristigen Nutzen für die Gemeinde und die Sendung der Kirche.

Zum Antrag für St. Pius X. sagte die Erzdiözese: “In diesem Fall hat uns der Bauherr, CapInvest, im Jahr 2014 mit einer solchen Anfrage kontaktiert. 79 St. Charles Square wurde als möglicher Standort für eine Neuerschließung identifiziert, die sowohl Unterkunft für den Pfarrer als auch für eine Reihe von dringend benötigten Sozialwohnungen in der Region ermöglicht hätte. Wir haben deshalb vereinbart, uns mit dem Bauherrn zu treffen.”

WRM CapInvest ist eine Investmentgesellschaft im Besitz von Raffaele Mincione. Die Firma verkaufte das Chelsea-Gebäude über die Holdinggesellschaft 60 SA Ltd. – und Mincione verkaufte erst einen Anteil und dann seine sämtlichen Anteile an der Holdinggesellschaft an das Staatssekretariat des Vatikans.

Eine weitere Firma von Mincione, Athena Capital – ein in Luxemburg registrierter Investmentfonds – fungierte als Trägerin für die Investition des Vatikans.

“Zu keinem Zeitpunkt hat der Bauherr einen Bezug dieses Projekts zum Heiligen Stuhl offengelegt. Ebenso kontaktierte niemand vom Heiligen Stuhl die Diözese wegen dieses Projekts. Wir wurden erst auf diese mögliche Verbindung aufmerksam, als [CNA] sich an [ die Erzdiözese] wandte.”

Pfarrer Wilson sagte gegenüber CNA dagegen, dass es ein Amtsträger des Vatikans war, der ihm den Plan zusammen mit Vertretern der Erzdiözese persönlich vorstellte.

Zudem habe man das Vorhaben so vorgestellt, als könne er es nicht verhindern – obwohl das Kirchenrecht vorschreibt, dass der Pfarrer einer Pfarrei, nicht der Ortsbischof oder Vatikan, über Eigentum der Pfarrei entscheidet.

Die Londoner Immobilieninvestition des Vatikans verweist auf ein Netzwerk unappetitlicher Finanzakteure und unschicklicher Praktiken, auch wenn wiederholt versucht wird, die Finanzpraktiken des Heiligen Stuhls mit internationalen Standards und Normen in Einklang zu bringen.

CNA hat berichtet, dass die Londoner Investition durch ein kurzfristiges Darlehen in Höhe von 200 Millionen US Dollarfinanziert wurde, das über Schweizer Banken arrangiert wurde, zusammen mit einer Investition von fast 50 Millionen Dollar im Jahr 2018 in dieselbe Immobilie, wodurch der Vatikan der alleinige Eigentümer wurde. Anstatt jedoch das Gebäude vollständig von Minciones Holdinggesellschaft “60 SA Ltd.” zu kaufen, übernahm das Staatssekretariat des Vatikans im Jahr 2018 die Firma selbst – und gründete eine neue Londoner Firma für das Investment.

Laut der “Financial Times” verkaufte Mincione seine persönliche Beteiligung an der Immobilie an den Vatikan zu “einem deutlich höheren Preis, als er zwei Jahre zuvor dafür bezahlt hatte”.

Im OKtober sagte Kardinal Pietro Parolin, der Staatssekretär des Vatikans, die Investition sei in gewisser Weise einmalig, und dass der betreffende Fonds “gut verwaltet” zu sein schien. Er sagte, dass er daran arbeite, Fragen zum Projekt zu klären.

“Wir arbeiten daran, alles zu klären. Dieses Geschäft war ziemlich undurchsichtig und jetzt versuchen wir, es zu klären”, sagte Parolin.

Ebenfalls letzten Monat bestritt der ehemalige Sostituto im Staatssekretariat, Kardinal Angelo Becciu, nachdrücklich jede Unangemessenheit des Deals. Man habe keineswegs mit dem Geld der Armen fragwürdige Investitionen betrieben sondern nach “akzeptierter Praxis” vorgegangen.

Es gibt Hinweise darauf, dass die Londoner Immobilieninvestition im Mittelpunkt der laufenden Untersuchung durch vatikanische Staatsanwälte steht, die im Oktober die Büros des Staatssekretariats und den eigenen Finanzwächter des Vatikans durchsucht haben.

Monsignore Carlino

Unter den nach den Razzien suspendierten Personen befand sich auch Msgr. Mauro Carlino, ein Beamter im Staatssekretariat. Carlino wurde im Mai 2019 als Direktor einer Gesellschaft mit dem Namen “London 60 SA Ltd.”, der in Großbritannien eingetragenen Holdinggesellschaft, eingetragen, über die das Staatssekretariat die in Jersey ansässige 60 SA Ltd. kontrolliert, die wiederum die Immobilie an der Sloane Ave besitzt.

Luciano Capaldo

Unter den weiteren registrierten Direktoren von “London 60 SA Ltd.” ist ein Architekt namens Luciano Capaldo. Laut seinem Lebenslauf hat sich Capaldo spezialisiert auf “Immobilienbewertung” und “Projekt-Eigentumsgestaltung und -management”.

In den vom Staatssekretariat offiziell genehmigten Unterlagen über seine erste Ernennung zum Direktor der “London 60 SA Ltd.” im Mai 2019 wurde Capaldo als “vatikanischer Staatsbürger” bezeichnet. In einem späteren Dokument wurde die Nationalität von Capaldo auf sowohl britisch als auch italienisch geändert.

Gemäß den britischen Vorschriften für die Hinterlegung von Unternehmensanmeldungen kann nur ein Vertreter des Staatssekretariats oder der erste Beamte der Holdinggesellschaft ein Dokument einreichen, in dem Capaldo zum Direktor ernannt wird.

In der Praxis bedeutet dies, dass nur die Kardinäle Parolin oder Becciu, oder aber Dr. Caterina Sansone, die zum Zeitpunkt der Ernennung von Capaldo die einzige Führungskraft des Unternehmens war, die juristische Ernennung einreichen konnte, die Capaldo als Staatsbürger des Vatikans ausweist.

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Caterina Sansone gehört zu den Mitarbeitern des Vatikans, die im Zuge der Razzia im Oktober durch die Staatsanwälte des Vatikans suspendiert wurden.

Es ist nicht klar, ob es sich bei dem Dokument, in dem Capaldo als vatikanischer Staatsbürger bezeichnet, um einen Irrtum handelt – oder ob dem Architekten tatsächlich ein vatikanischer Pass ausgestellt wurde. Capaldo hätte einen solchen persönlich gegenzeichnen müssen.

Die Staatsbürgerschaft des Staates der Vatikanstadt wird manchmal Laien gewährt, die in der Kurie arbeiten, aber nur denjenigen, die auf dem Gebiet der Vatikanstadt selbst wohnhaft sind, und verfällt bei der Kündigung bzw. Entlassung. Die vatikanische Staatsbürgerschaft wurde Laien manchmal auch als persönlicher Gefallen von Beamten der Kurie gewährt, weil sie mehrere Vorteile mit sich bringt und der Vatikan keine Einkommensteuer festsetzt.

Das Staatssekretariat stellt eine kleine Anzahl von Pässen für Reisen im Namen des Heiligen Stuhls aus, die Klerikern vorbehalten sind, die im diplomatischen Dienst für den Heiligen Stuhl tätig sind und diplomatische Immunität genießen.

Es ist unklar, ob – und wenn ja, welche – Rolle Capaldo im Dienst der Kurie spielt, oder warum ihm vom Staatssekretariat die Staatsbürgerschaft verliehen wurde, wenn es seine Aufgabe war, in eine Immobilie in London zu investieren.

Die vatikanische Staatsbürgerschaft könnte den Vorteil des Zugangs zu Bankprivilegien bei den Finanzinstitute des Heiligen Stuhls mit sich bringen. Dabei handelt es sich um die IOR, die als privatrechtliches Finanzinstitut fungiert, sowie um DIE “Güterverwaltung” APSA, die als Zentralbank und Schatzamt des Vatikans fungiert. Immer wieder haben sich Privatpersonen dieser bedient, um internationale Bankvorschriften sowie die externe Kontrolle von Geschäftsabschlüssen zu umgehen.

Gemäß den Bedingungen einer Vereinbarung mit Moneyval, dem Überwachungsorgan des Europarates zur Bekämpfung von Geldwäsche, war APSA nach einer Vor-Ort-Prüfung im Jahr 2012 verpflichtet worden, eine Reihe von Konten zu schließen, die für Privatpersonen geführt wurden, darunter hochrangige Kirchenmänner und vatikanische Staatsbürger. Führende Vertreter der APSA und der Wirtschaftspräfektur des Vatikans sagten CNA, dass mehrere dieser Konten auch weiterhin aktiv sind, aber nach der Moneyval-Vereinbarung anonymisiert worden seien.

“Im Wesentlichen wurden namensbezogene Konten zu privaten Nummernkonten”, sagte ein hoher Beamter gegenüber CNA. “Wenn man sich die Kontoführungsbücher ansieht, kann man den Unterschied zwischen einer Person oder einem Institut als Kontoinhaber nicht erkennen, es ist nur eine Zahl.”

“Sie sollten alle geschlossen werden, und einige wurden es auch. Aber niemand wird zu irgendetwas gezwungen – einige der Konten werden noch immer sorgfältig geführt.”

IMVEST

Obwohl Capaldo offenbar in London lebt, ist er Großaktionär und ehemaliger Vorsitzender einer italienischen Immobiliengesellschaft namens Imvest, die ihr Geschäft als “Kauf und Verkauf von Immobilien sowie die Verwaltung des Baus von Gebäuden, Häusern und Grundstücken hauptsächlich für Privatkunden” und “Facility Management und Dienstleistungen von Grundstücken und Liegenschaften für Mieter, Privatkunden und öffentliche Einrichtungen” beschreibt.

Zu den Hauptaktionären des Unternehmens gehört eine private italienische Familienbank namens Banca Finnat Euroamerica S.p.A., die von der Familie Nattino kontrolliert wird.

Im Jahr 2017 fror die italienische Finanzbehörde 2,5 Millionen Euro an Vermögenswerten von Giampiero Nattino ein, der damals Vorsitzender der Bank war, und sagte, dass er persönliche Konten bei IOR und APSA verwendet habe, um eine Reihe von Straftaten, einschließlich Marktmanipulationen, zu begehen, und den italienischen Finanzbehörden falsche Informationen gegeben habe.

Im Jahr 2017 meldete die italienische Polizei, dass Nattino Vatikan-Konten verwendet habe, um “eine komplexe Aktienoperation durchzuführen, die zu strafrechtlichem Verhalten im Zusammenhang mit Marktmanipulationen führte”, trotz der Anweisung an APSA im Jahr 2012, solche Konten zu schließen.

Die Polizeiaktion folgte einer Untersuchung der vatikanischen Behörden gegen Nattino im Jahr 2011. Damals identifizierten die Ermittler Nattio als Eigentümer eines Portfolios von Konten bei APSA, die ihrer Meinung nach für Geldwäsche und Marktmanipulation verwendet wurden. Die Behörden stellten in Frage, warum er überhaupt Bankprivilegien bei APSA hatte.

Der Saldo der Konten von Nattino, rund 2 Millionen Euro, wurde kurz vor dem Inkrafttreten der Vorschriften von 2012 in die Schweiz transferiert. Die vatikanische Untersuchung stellte fest, dass “der zweifelhafte Ursprung und die zweifelhafte Endverwendung der Mittel bei der Schließung des Portfolios von Nattino”.

Ein weiterer großer Anteilseigner von Capaldos Unternehmen Imvest ist die FEG International Assets SA, eine anonym eingetragene Gesellschaft in Luxemburg, die früher von Gianluigi Torzi geführt wurde.

FEG und Torzi wurden kürzlich in einer kommerziellen Betrugsklage vor dem Londoner High Court genannt. Als Befragte im Prozess wurden auch Giancarlo Andreella und seine ehemalige Gesellschaft Odikon Services PLC genannt, deren Direktor Torzi ebenfalls war. Odikon, früher bekannt als Beaumont Investment Services PLC, wird derzeit von der britischen Financial Conduct Authority ausgesetzt. Capaldo war bis November 2018 Direktor von Odikon Services.

Größter Aktionär der Imvest ist Meti Capital, an der Capaldo auch Miteigentümer ist. Der größte Eigentümer von Meti Capital (48% der Anteile) ist Yield Corporate Advisor Ltd. mit Sitz in Malta, das sich im Besitz von Andreella befindet. Ein weiterer Großaktionär von Meti ist Beaumont Investment/Odikon Services.

Imvest wurde im Mai 2018 von italienischen Behörden durchsucht, und mehrere Direktoren wurden wegen der Vorbereitung und Vorlage falscher Budgets angeklagt. Unter den Angeklagten befand sich Alfio Marchini, ein römischer Immobilienunternehmer und zweimal gescheiterter Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von Rom für die 5-Sterne-Partei. Dieses Verfahren ist noch ausstehend.

Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur von AC Wimmer.

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