Washington, D.C. - Dienstag, 16. Juni 2020, 9:53 Uhr.
Mit scharfer Kritik und einer deutlichen Warnung vor den Konsequenzen haben die amerikanischen Bischöfe auf die gestrige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA reagiert, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als Kriterien dem "Civil Rights Act" zuzurechnen, der Arbeitnehmer vor Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen soll.
Erzbischof José Gomez von Los Angeles, Präsident der US-Bischofskonferenz, warnte vor der damit vollzogenen "Neudefinition" in einer Stellungnahme.
"Ich bin zutiefst besorgt darüber, dass der Oberste Gerichtshof der USA die rechtliche Bedeutung von 'Geschlecht' im Civil Rights Actunserer Nation effektiv neu definiert hat. Dies ist eine Ungerechtigkeit, die Auswirkungen in vielen Lebensbereichen haben wird".
Der Oberste Gerichtshof entschied am 15. Juni, dass Arbeitgeber Arbeitnehmer nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder selbstbestimmten Geschlechtsidentität entlassen dürfen.
Richter mit einer abweichenden Warnung warnten jedoch, dass sich damit das Gericht als Gesetzgeber verhalte. Mit anderen Worten: Eine Verletzung der Gewaltenteilung des Rechtsstaates.
Konkret waren es drei Fälle, die der Supreme Court als letzte Instanz prüfte: Die Klagen von zwei Homosexuellen sowie eines biologischen Mannes, der sich im Jahr 2013 als Transsexueller identifizierte und zur Frau umoperieren ließ. Alle drei Personen – zwei der drei Betroffenen sind mittlerweile verstorben – waren aufgrund ihrer Identifikation von ihrem jeweiligen Arbeitgeber entlassen worden.
Der Gerichtshof musste nun entscheiden, ob in diesen Fällen eine Diskriminierung gemäß des Civil Rights Act vorliegt: Einem 1964 verabschiedeten Gesetz, das verhindern soll, dass jemand aufgrund seiner Religion, seines Geschlechts, seiner ethnischen Herkunft oder Hautfarbe diskriminiert wird.
Am gestrigen Montag entschied die Mehrheit des Gerichts, dass "ein Arbeitgeber, der eine Person allein deshalb entlässt, weil sie schwul oder transsexuell ist, gegen den entsprechenden Absatz VII des Gesetzes verstößt.
Bereits im vergangenen November hatte die US-Bischofskonferenz das Gericht aufgefordert, diesen Absatz nicht so zu erweitern, dass damit Fragen sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität betroffen sind, da dies einen wesentlichen Aspekt der "Menschheit neu definieren" würde.
"Der Begriff 'Geschlecht' (sex) sollte nicht so neu definiert werden, dass er sexuelle Neigungen oder Verhaltensweisen einschließt". Man könne nicht so tun, als wäre die geschlechtliche Identität einer Person bloß ein rein soziales Konstrukt, und nicht auch eine natürliche und biologischen Tatsache, warnten die Bischöfe.
Gomez bekräftigte am gestrigen Montag diese Warnung.
"Indem wir die wunderbaren Unterschiede und die komplementäre Beziehungen zwischen Mann und Frau auslöschen, ignorieren wir die Herrlichkeit von Gottes Schöpfung und schaden der menschlichen Familie, dem ersten Baustein der Gesellschaft. Unser Geschlecht, ob wir nun männlich oder weiblich sind, ist Teil von Gottes Plan für die Schöpfung und für unser Leben. Wie Papst Franziskus mit großer Sensibilität gelehrt hat, ist es unabdingbar, dass wir unsere körperliche und sexuelle Identität mit Dankbarkeit von unserem Schöpfer empfangen, um mit den von Gott gewollten Gaben in unserem Leben in der Wahrheit zu leben. Niemand kann das wahre Glück finden, indem er einen Weg geht, der dem Plan Gottes zuwiderläuft", so der Erzbischof.
"Jede menschliche Person ist nach dem Ebenbild und Gleichnis Gottes geschaffen und muss ohne Ausnahme mit Würde, Mitgefühl und Respekt behandelt werden", betonte Gomez.
"Der Schutz vor ungerechter Diskriminierung bedarf keiner Neudefinition der menschlichen Natur".
Kritiker des Gerichtsurteils haben argumentiert, dass dieses nicht nur die Transgender-Ideologie stärken, sondern auch die Religionsfreiheit religiöser Arbeitgeber und Geschäftsinhaber untergraben könnten.
Alliance Defending Freedom, eine Organisation von Rechtsanwälten für Religionsfreiheit, kommentierte, dass die Umdefinierung von Geschlecht als "Gender" Chaos stiften werde und enorme Ungerechtigkeiten mit sich bringe, zum Beispiel für Frauen und Mädchen im Sport, Frauenhäusern und vielen anderen Bereichen. Somit werde das untergraben, was das Gesetz eigentlich leisten sollte: Fairness und Gerechtigkeit.
(ADF vertritt vor Gericht drei Schülerinnen, die gegen die Teilnahme biologischer Männer an Wettkämpfen für Frauen, weil sie sich als "transsexuelle Frauen" identifizieren, klagen.)
Die Sorge der US-Bischöfe und anderer Kritiker teilte auch eine Minderheit von Richtern des Supreme Court: Richter Samuel Alito schrieb zu der Entscheidung, der Civil Rights Act erwähne weder sexuelle Orientierung noch "Gender Identity", und das Gericht spiele sich zum Gesetzgeber auf in einer Frage, die seit "Jahrzehnten vom Kongress diskutiert" werde.
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Die Sorge um Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit bestätigen indessen auch die Richter, die sich für die Änderung entschieden haben: Richter Gorsuch räumt in seinem Urteil ein, dass Sorge begründet ist, und betont, religiöse Organisationen in den USA haben gegen diese Entscheidung einen gewissen Schutz in Form des Religious Freedom and Restoration Act. Wo und wie dieser greift, wird in weiteren Fällen zu prüfen sein.
Die Regierung von Donald Trump indessen teilte mit, dass Obdachlosen-Unterkünfte trotzdem nicht mehr Personen gemäß einer selbst gewählten "Gender Identität" aufnehmen müssen, sondern nach biologischem Geschlecht – also Mann oder Frau - getrennt unterbringen dürfen. Ein Gesetz des Jahres 2012 hatte diese zuvor verboten, berichtete die "Washington Post". Eine Studie des Jahres 2016 habee jedoch gezeigt, dass nur ein Drittel der Obdachlosen-Unterkünfte für Frauen bereit waren, biologische Männer aufzunehmen - auch wenn diese sich als "transsexuelle Frauen" identifzierten.
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