Linz / Graz - Freitag, 15. Januar 2021, 11:00 Uhr.
Warum ist – entgegen vieler Erwartungen – in Österreich im Jahr 2020 die Zahl der Kirchenaustritte im Vergleich zum Vorjahr nicht gestiegen? Liegt es an einem "intensiven Leben" in den Pfarreien – oder daran, dass in der Coronavirus-Pandemie weniger Menschen einen "Behördengang" machen?
Wie CNA Deutsch berichtete, ist die Zahl der Kirchenaustritte im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 13,7 Prozent zurückgegangen. Insgesamt traten 58.535 Personen im Jahr 2020 aus. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es laut amtlicher Statistik 67.794.
Auf Anfrage von CNA Deutsch verwies der Sprecher der österreichischen Bischofskonferenz gestern auf eine Meldung von "Kathpress", wonach an "pastoralen Kennzahlen" abzulesen sei, "dass es in den Pfarren und kirchlichen Einrichtungen nach wie vor ein intensives Leben gibt". So sei die Gesamtzahl der Erstkommunionen gegenüber 2018 um etwas gestiegen von 48.072 im Jahr 2018 auf 48.405 im vergangenen Jahr.
Andererseits gab es auch Rückgänge bei der Feier der Sakramente.
So sank die Zahl der Trauungen deutlich stärker, als Erstkommunionen zugenommen haben (2019: 9.842; 2018: 11.155) und Firmungen (2019: 42.861; 2018: 45.946).
Aufschlussreich ist vielleicht auch eher der Blick auf die Zahl der tatsächlichen Kirchgänger – und deren Zahl ist offenbar leicht geschrumpft: 2018 wurden zwischen 502.00 und 554.000 Teilnehmer an der Feier der heiligen Messe an den sogenannten "Zählsonntagen" gezählt, 2019 waren es nur noch zwischen 497.000 und 533.000 Gottesdienstbesucher
Ob diese Zahlen als Beweis für das zitierte "intensive Leben" in den Pfarrgemeinden gelten, ist also eine Interpretationsfrage.
Wie sieht es aber konkret in einzelnen Diözesen aus?
Bistum Graz-Seckau: "Von einer Trendumkehr weit entfernt"
Das Bistum Graz-Seckau verweist auf die Erfahrungen in der Pandemie vor Ort: Die Coronavirus-Krise habe gezeigt, dass die Menschen "mehrere Angebote der Kirche sehr schätzen". Doch wenn man auch "erfreut" sei über die Statistik: Die Kirche im Bistum ist "von einer Trendumkehr weit entfernt", so ein Sprecher gegenüber CNA Deutsch am 14. Januar.
Trotzdem: Die Seelsorgeangebote per Telefon oder in den Pfarrgemeinden seien häufig in Anspruch genommen worden, die caritativen Hilfsleistungen waren nach Angaben des Bistums "gefragter denn je".
Die Gläubigen hätten auch das Feiern in der Gemeinschaft "schmerzlich vermisst". Die Diözese sagte gegenüber CNA Deutsch wörtlich:
"In der Krise wurde vielen bewusster, wie wichtig es ist, dass es die Kirche und die Caritas gibt. Mit unserem Motto in der Diözese Graz-Seckau 'Du bist nicht allein' haben wir versucht, dass zu verdeutlichen, was Kirche ausmacht, nämlich dass niemand in unserer Gemeinschaft zurückbleibt. Wir denken, das wurde anerkannt - zusammen mit vielen weiteren Initiativen, die wir letztes Jahr gesetzt haben."
Bistum Innsbruck: "Es braucht mehr Seelsorge"
Auch in der Diözese Innsbruck sind nach Angaben der Bistumsleitung "wesentlich weniger Personen" aus der Kirche ausgetreten als im Jahr davor. "3.662 Menschen haben 2020 ihre Mitgliedschaft beendet, 15,09 Prozent weniger als noch 2019", teilte das Bistum auf Anfrage mit.
"Mit allen, die unsere Kirche verlassen haben, möchten wir auch weiterhin in Kontakt bleiben, sofern dies gewünscht wird", kündigte Bischof Hermann Glettler bei der Vorstellung der Zahlen an. Das belastende Jahr 2020 habe gezeigt, dass aufgrund der vielen Erschütterungen die Sehnsucht nach einer verlässlichen Orientierung gewachsen ist.
Das abgelaufene Jahr habe laut Glettler deutlich gemacht, dass es "nicht weniger, sondern mehr Seelsorge braucht". Der Bischof wörtlich:
"Niemand lebt und glaubt nur für sich allein. Die Vorfreude auf ein gemeinsames liturgisches Feiern wächst, speziell auch verbunden mit den besonderen Anlässen, die für Familien so wichtig sind. Gebet und Gottesdienst sind unersetzbare Quellen von Lebensfreude und Dankbarkeit."
Diözese Feldkirch: Niederschwellige Gebetsangebote
Auf Anfrage von CNA Deutsch antwortete auch die Presseabteilung der Diözese Feldkirch in Vorarlberg. Das Jahr 2020 sei auch bei den Austrittsgründen "kein Ausnahmejahr", heißt es dort. Spitzenreiter der Austrittsgründe sei mit rund 60 Prozent der fehlende Bezug zur Kirche. Der Kirchenbeitrag und die Institution Kirche an sich seien dann oft die endgültigen Auslöser für einen Austritt.
"Auf der anderen Seite sind es gerade die Kontakte an den Wendepunkten des Leben – sprich die Übernahme von Patenämter, Hochzeiten und Taufen – die Menschen wieder an einen Eintritt denken lassen", so das Bistum.
Durch die Corona-Pandemie habe die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, in dem das Abstand-Halten so wichtig geworden ist, "sicher noch einmal eine ganz besondere Rolle/einen besonderen Stellenwert bekommen". Die niedrigen Austrittszahlen seien etwa auch auf die niederschwelligen Angebote für das persönliche Gebet über Online-Streaming zurückzuführen. Entscheidend für den Aus- oder Eintritt seien jedoch weiterhin "geglückte, positive Kontakte" mit Kirchenvertretern.
Bischof Benno Elbs ließ CNA Deutsch ausrichten, dass die Corona-Krise den Menschen vor allem finanzielle Sorgen bereite. Der Bischof wörtlich:
"Dass sich der Einkommensverlust vieler Menschen – zumindest bislang – nicht so negativ auf die Kirchenaustrittszahlen ausgewirkt hat, wie wir es noch Mitte des Jahres befürchtet hatten, ist für uns als Kirche sehr erfreulich. Ob das damit zu tun, dass den Menschen in schwierigen Zeiten das spirituelle und caritative Angebot der Kirche positiv aufgefallen ist, lässt jedoch nur schwer abschätzen. Erfreut und dankbar nehmen wir jedes Jahr zur Kenntnis, wie viele Menschen den Einsatz der Kirche schätzen und ihre Zugehörigkeit auch dadurch zum Ausdruck bringen, indem sie unsere Arbeit auch mit einem finanziellen Beitrag unterstützen."
Erzdiözese Salzburg: Hilfe wird von Menschen angenommen
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Ein Sprecher der Erzdiözese Salzburg teilte CNA Deutsch mit, dass man "natürlich immer darauf gehofft" habe, dass die Zahlen 2020 niedriger sind als 2019. Ein Grund dafür sei auch die Pandemie.
"Im vergangenen Jahr, in dem uns Corona vor bislang ungeahnte Herausforderungen gestellt hat, galt das große Bemühen der Verantwortlichen, die Menschen in dieser Ausnahmesituation nicht allein zu lassen", so das Bistum. Die Pfarrgemeinden hätten sich ganz nach ihren Möglichkeiten bemüht mit den Menschen in Kontakt zu bleiben und auch materielle Hilfe zu leisten. "Das wird von den Menschen nicht nur gerne angenommen, wie uns die Zugriffszahlen bestätigen; das haben wohl viele auch anerkannt."
Erzdiözese Wien: Kirche "attraktiv fürs Dabeibleiben"
In einer "Kathpress"-Meldung zieht auch der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, Bilanz. Prüller wörtlich:
"Unsere Kirche ist in Österreich sehr attraktiv fürs Dabeibleiben. Sie ist aber leider immer noch wenig attraktiv, wenn es um das Dazukommen geht."
Im Vorjahr seien durch Taufen, Wiedereintritte und Übertritte aus anderen Religionsgemeinschaften so wenig Erwachsene zur Kirche gestoßen wie schon lange nicht mehr, "ausgerechnet in einem Jahr, in dem viele Menschen wegen der Pandemie nach Orientierung und Gemeinschaft gesucht haben". Der "ausbleibende Nachwuchs" bleibe die große Herausforderung, so Prüller, "vor allem auch aus der wachsenden Reihe derer, die gar keiner Religionsgemeinschaft angehören".
Bistum Linz: Viele Austritte möglicherweise "nur aufgeschoben"
Auch im Bistum Linz ist man trotz der positiven Zahlen weiter vorsichtig. "Auch wenn es zum Vorjahr einen leichten Rückgang bei den Austritten gegeben hat, so ist der Zahl der Austritte in den letzten Jahren doch konstant sehr hoch", teilte der dortige Pressesprecher gegenüber CNA Deutsch mit. Die Austrittszahlen in der Diözese seien in den letzten Jahren in etwa immer auf dem gleichen Niveau geblieben.
Für einen Kirchenaustritt gebe es nach Angaben des Sprechers "meist mehrere Faktoren". Im Jahr 2010 habe es allerdings eine "markante Steigerung bei den Austritten" geben, diese seien auf das Bekanntwerden von sexuellem Missbrauch in der Kirche zurückzuführen. Eine Einschätzung, warum im Jahr 2020 die Austrittszahlen zurückgegangen sind, sei allerdings "schwierig". Die Diözese Linz wörtlich:
"Die Corona-Pandemie als Grund für den leichten Rückgang bei den Austritten zu benennen wäre wohl etwas verfrüht. Möglicherweise sind Entscheidungen oder auch Behördengänge auf Grund der Pandemie auch nur aufgeschoben."
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