Caracas - Donnerstag, 21. Juli 2016, 12:17 Uhr.
Der Erzbischof von Caracas und Primas von Venezuela, Kardinal Jorge Urosa, hat schwere Vorwürfe gegen die Regierung Nicolás Maduros erhoben. Das Staatsoberhaupt höre "weder den Papst noch den venezolanischen Episkopat an" und sein Regime erlaube der Kirche nicht, Hilfslieferungen von Medikamenten und Lebensmitteln ins Land zu bringen, um der Not der Bevölkerung Abhilfe zu leisten.
Venezuela befindet sich in einer eskalierenden Krise, die vor allem die Armen und Mittelschicht betrifft. Selbst für Grundversorgung ist in vielen Bereichen nicht mehr ausreichend gesorgt.
Die Erklärung des Kardinals wurde am 19. Juli über Radio Vatikan verbreitet. Der kirchliche Würdenträger gab an, dass es "wahr sei", dass Papst Franziskus und der Heilige Stuhl mit großer Aufmerksamkeit die Situation im lateinamerikanischen Land verfolgten.
Die Regierung jedoch "hört weder auf den Papst noch das venezolanische Episkopat. Wir haben seit langer Zeit – mit einer positiven Einstellung und respektvollen Haltung – die Probleme, Fehler und Lösungen dargestellt, aber die Regierung hört nicht. Das ist ein schwerwiegendes Problem und ein Elend, denn die Situation im Land ist nur immer schlimmer geworden."
Der Erzbischof von Caracas erinnerte daran, dass die venezolanische Bischofskonferenz (CEV) am 12. Juli einen Appell veröffentlicht hatte, in der die "äußerst schwere Situation" angemahnt wurde, die das Land durchlebt – mit einem großem Mangel an Nahrungsmitteln und "gleichzeitig enormen Kosten für dieselben aufgrund einer Inflation, die gegenüber dem Vorjahr bereits um 400 Prozent gestiegen ist".
"In diesem Sinn haben wir die Landesregierung aufgefordert, dieses Problem zu lösen und dem venezolanischen Volk das Recht auf Nahrung zu garantieren."
Bedauernswerterweise aber, fügt er hinzu, "hört die Regierung auch nicht auf die Bitte der venezolanischen Ärzte, die durch die Kirche und den Papst bereit im Juni gefordert hatten, die Erlaubnis zur Einführung grundlegende Arzneimittel zu geben."
"Schon seit mehreren Monaten fordert die Kirche von der Regierung, dass sie erlaube, die Hilfsgüter ins Land bringen zu können – Lebensmittel sowie Medikamente –, die viele Personen von außen, Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen oder kirchlichen Organisationen, uns schicken wollen". "Die Regierung verweigert jedoch beständig diese Erlaubnis. Das ist erbärmlich und wir verstehen natürlich nicht, welches die Gründe der Regierung sind" sagte er.
Als Folge der Krise überquerten am Sonntag, den 17. Juli, mehr als 63.000 Venezolaner die Grenze zu Kolumbien – die nur von 6.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet wurde – um in Cúcuta Lebensmittel zu kaufen. Es war das zweite Mal, dass Maduro zeitweise die Grenze öffnete. Das erste Mal war am 10. Juli, als 35.000 Personen die Grenze überschritten.
Auslöser war der Schritt von ungefähr 500 Frauen gewesen, die am 5. Juli gewaltsam ins Nachbarland eingedrungen waren, um Lebensmittel zu kaufen, und die ankündigten, diese Aktion zu wiederholen.
In ihrem Schreiben betont die CEV, dass die Episode vom 10. Juli "ein offensichtlicher Beweis für die Krise sei".
In seinem Interview mit Radio Vatikan sprach der Erzbischof auch die Gewalt an, die auf der Straße herrsche, die Plünderung von Lebensmittelgeschäften, sowie den Angriff auf eine Gruppe von Seminaristen am 1. Juli.
Er erklärte, dies sei "ein bedauernswerter Vorfall gewesen, verursacht durch eine Gruppe bewaffneter Personen, die in Merida versucht hatten, eine Demonstration der Opposition zu verhindern. Leider wurden die dort vorbeigehenden Seminaristen – nicht als solche erkennbar, da sie zivil gekleidet waren – angegriffen".
"Wirklich ärgerlich ist, dass die Regierung, statt sich der Dinge anzunehmen, statt zuzuhören und die Vorschläge, die wir venezolanische Bischöfe machen, in Betracht zu ziehen oder zu prüfen, die Bischöfe einfach mit absurden Argumenten angreift und "als Putschisten bezeichnet". Das sei "völlig falsch. Wir haben in uns in keinster Weise an Konspirationen gegen die Landesregierung beteiligt."
Der Erzbischof betonte, dass die Haltung der Bischöfe immer gewesen sei, zum Dialog aufzufordern. "In diesem Moment haben wir die Regierung gebeten, nicht nur den Aufruf der Bischöfe zu berücksichtigen, sondern auch um die große Anzahl von Personen, die in dieser Krise der Politik und des Lebensmittel- und Medikamentenmangels demokratische Lösungen fordern."
"Wir haben immer eine positive Haltung an den Tag gelegt und die Hand ausgestreckt, um dabei zu helfen, die Probleme des venezolanischen Volkes zu lösen" hebt er hervor.
Im Mai war eine Reise des Sekretärs für die Beziehungen des Vatikan zu den Staaten, Monsignore Paul Richard Gallagher, nach Venezuela geplant, um an der Bischofsweihe des Priesters Francisco Escalante teilzunehmen, der zum Apostolischen Nuntius für die Republik Kongo ernannt wurde.
Gallagher musste die Reise – auch wenn es keine diplomatische Mission gewesen wäre – jedoch wegen "Gründen, die vom Heiligen Stuhl abhängen" absagen.
Am 19. Mai erklärte der Parlamentspräsident der venezolanischen Nationalversammlung und Abgeordnete der Opposition, Henry Ramos Allup, auf Twitter, dass diese Absage "vom Regime Maduros gefordter worden war. Tragische Angst."
Das gesellt sich zur Entscheidung Maduros vom 7. Juni 2015, die geplante Audienz mit dem Papst abzusagen.
Der Regierende gab dabei gesundheitliche Probleme an und erklärte, nach einem neuen Termin für ein Treffen mit Franziskus zu suchen. Bis heute ist aber nichts bekannt, dass der venezolanische Präsident um eine weitere Audienz mit dem Papst ersucht hätte.
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