Papst Franziskus: "Heilige kommen nicht aus einem 'Paralleluniversum'"

Papst Franziskus, 6. Oktober 2022
Vatican Media

Wie kann man heute ein katholischer Heiliger sein? Auf einer vom Vatikan organisierten Konferenz, die in dieser Woche in Rom stattfand, wurde genau diese Frage diskutiert.

In seiner Ansprache im Rahmen der Konferenz "Heiligkeit heute" am Donnerstag betonte Papst Franziskus, dass Heilige nicht von den Realitäten des täglichen Lebens abgekoppelt sind, sondern das Evangelium in den Gemeinschaften, in denen sie sich befinden, in vollem Umfang leben.

"Heilige kommen nicht aus einem 'Paralleluniversum', sondern sind Gläubige, die zum gläubigen Volk Gottes gehören und fest in einer täglichen Existenz verankert sind, die aus familiären Bindungen, Studium und Arbeit, sozialem, wirtschaftlichem und politischem Leben besteht", sagte Papst Franziskus im Apostolischen Palast. "In all diesen Situationen bemühen sich die Heiligen unablässig, ohne Furcht oder Zögern, den Willen Gottes zu erfüllen."

Papst Franziskus verwies auf das Beispiel des seligen Carlo Acutis, der 2006 als Gymnasiast starb, als "Vorbild christlicher Freude für Teenager und junge Menschen".

Heiligkeit "ist nicht in erster Linie eine Sache des Kampfes und des Verzichts", sagte der Papst. "In erster Linie ist es die Erkenntnis, dass wir von Gott geliebt sind und seine Liebe und Barmherzigkeit frei empfangen."

Der Papst nannte auch das weniger aktuelle Beispiel des Heiligen Franz von Assisi. Er betonte, das Zeugnis der heiliggesprochenen Heiligen der Kirche sie zeitlos und verliere nie an Aktualität.

"Die Heiligen sind kostbare Perlen … sie liefern einen faszinierenden Kommentar zum Evangelium. Ihr Leben ist wie ein Katechismus in Bildern, eine Illustration der Frohen Botschaft, die Jesus den Menschen gebracht hat", sagte er.

Der Papst betonte, die allgemeine Berufung zur Heiligkeit habe im Mittelpunkt des Zweiten Vatikanischen Konzils gestanden.

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"Auch heute ist es wichtig, die Heiligkeit zu schätzen, die im heilgen Volk Gottes vorhanden ist: in den Eltern, die ihre Kinder mit Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die ihre tägliche Arbeit mit Hingabe verrichten, in den Menschen, die Krankheit und Gebrechen geduldig ertragen, und in den alten Menschen, die immer wieder lächeln und ihre Weisheit weitergeben", sagte er. "Das Zeugnis eines tugendhaften christlichen Lebens, das so viele Jünger des Herrn täglich geben, ist für uns alle eine Ermutigung, persönlich auf unsere eigene Berufung zu antworten, Heilige zu sein."

Die päpstliche Audienz stand am Ende der Konferenz "Heiligkeit heute", einer Veranstaltung, die vom 3. bis zum 6. Oktober im Vatikan stattfand, um zu erörtern, wie "heroische Tugend" im 21. Jahrhundert aussieht und wie sich die Verehrung von Kandidaten für die Heiligsprechung über die sozialen Medien verbreitet hat.

Kardinal Marcello Semeraro, der Präfekt des vatikanischen Dikasteriums für die Heiligsprechungsprozesse, sprach bei der Eröffnung der Konferenz über "den Ruhm der Heiligkeit im digitalen Zeitalter".

Der Kardinal sagte, ein solider und weit verbreiteter fama sanctitatis, oder Ruf der Heiligkeit, sei schon immer eine grundlegende Voraussetzung für die Einleitung eines Selig- und Heiligsprechungsprozesses gewesen. Das Thema sei aber besonders aktuell, da "das digitale Zeitalter neue und dringende Herausforderungen mit sich bringt".

Papst Franziskus ging in seiner Ansprache an die Konferenzteilnehmer auf einige dieser Herausforderungen ein. Einerseits sagte er, die Medien könnten dazu beitragen, dass mehr Menschen etwas über das christliche Leben der einzelnen Kandidaten für die Selig- oder Heiligsprechung erfahren.

"Bei der Nutzung der digitalen Medien, insbesondere der sozialen Netzwerke, besteht jedoch die Gefahr der Übertreibung oder der falschen Darstellung, die von weniger edlen Interessen diktiert wird", fügte er hinzu. "Folglich bedarf es einer klugen Unterscheidung seitens all derer, welche die Konturen des Rufs der Heiligkeit untersuchen."

Semeraro stellte fest, dass diese Voraussetzung für die Eröffnung eines Seligsprechungsprozesses in den letzten Jahrzehnten "in den Hintergrund getreten" sei. Als Reaktion darauf habe sein Dikasterium im vergangenen Jahr einen Brief an alle Bischöfe der Welt gerichtet, in dem es sie auffordert, die Beständigkeit und Authentizität des Rufs der Heiligkeit eines Seligsprechungskandidaten zu überprüfen.

In Bezug auf die "heroische Tugend", die für eine Heiligsprechung erforderlich ist, zitierte Semeraro den heiligen John Henry Newman: "Wenn du mich fragst, was du tun sollst, um vollkommen zu sein, sage ich erstens: Bleib nicht länger als nötig im Bett liegen; gib deine ersten Gedanken Gott; besuche regelmäßig das Allerheiligste Sakrament; bete andächtig den Angelus; iss und trinke zu Gottes Ehre; bete den Rosenkranz gut; sei besonnen; halte schlechte Gedanken fern; mache eine gute abendliche Betrachtung; prüfe dich täglich; gehe rechtzeitig zu Bett, und schon bist du vollkommen."

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency, der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.

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