Ehemaliger Malteser-Großkanzler ruft zur Einheit in Zeiten der Krise auf

Albrecht Freiherr von Boeselager
Paul Badde / CNA

Der ehemalige Großkanzler des Malteserordens hat in einem Brief an die Mitglieder zur Einheit aufgerufen und gleichzeitig seine Besorgnis über die von Papst Franziskus verkündete neue Verfassung zum Ausdruck gebracht. Albrecht von Boeselager forderte die Mitglieder auf, weder die Kirche noch den Malteserorden im Stich zu lassen.

Stattdessen rief der ehemalige Großkanzler in dieser für den Orden schwierigen Zeit zur Einigkeit auf. "Sicherlich wird die absehbare Zukunft für den Orden und für uns als Mitglieder nicht einfach sein", schrieb Boeselager. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die neue Konstitution des Heiligen Vaters für die Entwicklung des Charismas unseres Ordens, die Stärkung unserer Spiritualität und das Wachstum der Ordenswerke hilfreich sein wird."

Boeselager fügte hinzu, er habe "viele Nachrichten von Ordensmitgliedern erhalten, die ihre weitere Mitgliedschaft nach den jüngsten Entscheidungen in Frage stellen. Ich möchte alle bitten, zu bleiben. Gerade jetzt wird es wichtig sein, unsere Treue zum Charisma des Ordens, zum Dienst am Glauben und an den Bedürftigen zu beweisen. Das ist der Grund, warum wir dem Orden beigetreten sind. Der Orden wird diese Krise überleben, so wie er viele andere überlebt hat."

In dem Schreiben, das mit "September 2022" datiert ist, erklärt Boeselager, dass er auf viele Briefe der Ermutigung antwortet, die er erhalten hat. Er wolle allen versichern, dass es ihm gut gehe und den Mitgliedern des Souveränen Rates und anderen Beamten danken.

Boeselager merkte auch an, dass "viele mir gegenüber ihre große Enttäuschung über den Heiligen Vater zum Ausdruck gebracht haben – sie konnten ihn nicht mehr als den Vater ansehen, der er für den Orden zu sein versprach".

Er sagte auch, "einige aus verschiedenen Teilen der Welt haben mir sogar geschrieben, dass sie überlegen, aus der katholischen Kirche auszutreten".

"Auch das kann nicht die richtige Reaktion sein", schrieb der Deutsche. "Die Entscheidung des Heiligen Vaters mag ungerechtfertigt und für den Orden nicht hilfreich sein. Das ändert aber nichts daran, dass er als Nachfolger Petri der Fels ist, auf dem Gott die Kirche weiter baut, auch wenn einzelne Entscheidungen falsch sind."

Die Situation des Malteserordens

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Boeselagers Schreiben fällt in eine schwierige Zeit des Übergangs für den Malteserorden. Am 3. September entließ Papst Franziskus den Souveränen Rat des Malteserordens, verkündete eine neue Verfassung und berief ein Generalkapitel für den 25. Januar 2023 ein.

Boeselager wurde auch von seinem Posten als Großkanzler entlassen. Paradoxerweise sagen einige, die Krise des Malteserordens habe mit seiner Wiedereinsetzung als Großkanzler des Malteserordens begonnen.

Im Jahr 2016 hatte Fra' Matthew Festing, der damalige Großmeister, Boeselager im Beisein von Kardinal Raymond Burke, dem Kardinalpatron des Ordens (Vertreter des Papstes beim Orden) zum Rücktritt aufgefordert. Die Aufforderung stand im Zusammenhang mit Berichten über die angebliche Verteilung von Kondomen in Myanmar durch Malteser International, die Hilfsorganisation des Ordens.

Fra' John Edward Critien wurde zum Interims-Großkanzler ernannt. Mehrere Ritter legten jedoch Einspruch gegen diese Entscheidung ein und argumentierten, dass die Situation in Myanmar geklärt sei und Boeselager zu diesem Zeitpunkt nicht einmal Großhospitalier war.

Der Papst beschloss, eine Kommission einzusetzen, um die Situation zu klären. Letztlich wurde vorgeschlagen, dass Festing zurücktreten solle. Am 28. Januar 2017, nach dem Rücktritt, ernannte Papst Franziskus den damaligen Erzbischof – heute Kardinal – Angelo Becciu zu seinem Sonderbeauftragten für den Orden.

Der Orden begann einen Reformprozess, nachdem er Fra' Giacomo dalla Torre zum Großmeister-Statthalter ernannt hatte, der dann im folgenden Jahr zum Großmeister ernannt wurde.

Durch den Tod von dalla Torre am 29. April 2020 wurden alle Fortschritte gestoppt. Fra' Giacomo Luzzago wurde zum Großmeister-Statthalter gewählt – ein Amt, das eine Amtszeit von einem Jahr umfasst und verlängert werden kann. Der Papst bestätigte jedoch die Ernennung des Statthalters ohne eine solche Begrenzung und übertrug in der Zwischenzeit dem neuen Delegaten, Kardinal Silvano Maria Tomasi, außerordentliche Vollmachten.

Nach dem plötzlichen Tod von Luzzago ernannte der Papst persönlich einen Großmeister-Statthalter in der Person von Fra' John Dunlap. Mit ihm und Pater Gianfranco Ghirlanda SJ (inzwischen Kardinal) im Team des Delegaten wurde diese jüngste Reform durchgeführt und die Zustimmung ohne weitere Debatte erzwungen.

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Fragen der Souveränität?

Der Papst hat also mehrere persönliche Entscheidungen in Bezug auf den Orden getroffen – bis hin zur Abschaffung der Leitungsgremien und der persönlichen Ernennung des Souveränen Rates.

Der Malteserorden ist ein Staat ohne Territorium, eine Völkerrechtssubjekt mit diplomatischen Beziehungen zu 112 Staaten. Papst Paschalis II. hat dem Malteserorden vor fast tausend Jahren, im Jahr 1113, die Souveränität zuerkannt.

Obwohl sich die Souveränität aus diesem päpstlichen Zugeständnis ableitet, ist es bemerkenswert, dass nur die Ritter der ersten Klasse Gelübde ablegen und mit einem Mönchsorden vergleichbar sind, der dem Papst direkt unterstellt ist.

Eine Einmischung von Papst Franziskus in die Leitung des Souveränen Malteserordens ist daher – für Kritiker – bis zu einem gewissen Grad mit der Einmischung in die Regierung eines anderen Staates vergleichbar.

Das Vorgehen des Papstes wirft auch weitere Fragen auf.

Wenn der Malteserorden ein Staat ist, der dem Heiligen Stuhl untersteht, welchen Sinn hat es dann für andere Staaten, diplomatische Beziehungen zu unterhalten?

Die Stellung des Großmeister-Statthalters

In einem Interview mit der Zeitung Avvenire der italienischen Bischofskonferenz vom 21. September wies Dunlap, der Statthalter des Großmeisters, den Vorwurf einer Verwässerung der Souveränität zurück.

"Wir waren schon immer ein geistlicher Orden und unterstanden der Autorität des Papstes", sagte er. "An dieser Sichtweise hat sich nichts geändert. Die Souveränität ist funktional für unsere Realität. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat sich nichts geändert. Wir haben volle diplomatische Beziehungen zu 112 Ländern, und keines von ihnen hat diese Beziehungen abgebrochen, auch nicht zum Heiligen Stuhl. Der Papst hat immer geschätzt, dass wir ein geistlicher Orden sind, aber er hat nie in Frage gestellt, dass wir unsere Souveränität behalten können."

Dunlap räumte jedoch ein, dass einige der Reformen vom Papst persönlich vorangetrieben wurden. Eine davon ist, dass der Großmeister nicht mehr auf Lebenszeit, sondern für maximal zwei 10-jährige Amtszeiten gewählt werden kann.

"Das ist eine Entscheidung des Papstes", sagte Dunlap, "aber der Pontifex hat uns auch gesagt, dass dieser Punkt in Zukunft geändert werden kann, wenn wir das wollen. Wir könnten zum Beispiel festlegen, dass der Großmeister, sobald er ein bestimmtes Alter erreicht hat, wie die Bischöfe zurücktreten muss. Der Rücktritt wird erst dann wirksam, wenn der Souveräne Rat ihn annimmt."

Dunlap erklärte auch, dass die provisorische Regierung "eine päpstliche Entscheidung" gewesen sei.

Gleichzeitig betonte er, die institutionelle Krise des Ordens beeinträchtige die normale Tätigkeit nicht. Angesichts der Hilfsaktionen im Ukraine-Krieg sei die Zahl der Mitarbeiter auf 52.000 gestiegen, zusätzlich zu 90.000 Freiwilligen und 13.000 Ordensmitgliedern.

"Wir haben auch weiterhin Flüchtlingen und Migranten geholfen, insbesondere in der Türkei, im Libanon und in Syrien, und wir waren an vorderster Front und an der Seite der Ärmsten, um einer Pandemie zu begegnen. Der Orden ist auch in muslimischen Ländern sehr geachtet, wo wir die einzigen sind, die das Kreuz [öffentlich] tragen dürfen", sagte der Großmeister-Statthalter.

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency, der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.

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