Manch einer kennt es: Das Erlernen des Lateinischen in der Schule oder an der Universität läuft ganz anders als bei jeder anderen Sprache. Wie problematisch dies ist – und wie man es besser macht – erläutert der Dominikanerpater Rodrigo Kahl, der sich selbst schon jahrzehntelang mit der lateinischen Sprache beschäftigt – als Priester, der die überlieferte Liturgie feiert, aber auch als Lehrer und Leser.

In seinem Lehrbuch „Latein für jeden“, das in der Verlagsbuchhandlung Sabat erschienen ist, stellt Kahl die „Methode des Lesens in zwei Sprachen nach Heinrich Schliemann“ vor, baut also auf den großen Archäologen, der selbst zwei Dutzend Sprachen beherrschte.

Anders als im Lateinunterricht geht es nicht in erster Linie darum, einen unbekannten lateinischen Text zu übersetzen, sondern die Sprache tatsächlich zu lernen. Und wie? Durch das Lesen eines Textes zunächst in deutscher Übersetzung.

Konkret geht es darum, einen deutschen Satz zu lesen, um dann im lateinischen Satz die Wörter und Phrasen wiederzuentdecken, den Satz durch lautes Lesen auch wirklich zu durchdringen und letztlich auf Latein zu denken, wie viele Deutsche auch auf Englisch denken können, weil sie die Sprache in der Schule und durch den täglichen Gebrauch in Beruf und Freizeit (etwa Filme und Serien in der Originalfassung) verinnerlicht haben.

Während im Lateinunterricht die Zielsprache in der Praxis Deutsch ist, denn es soll ja eine deutsche Übersetzung angefertigt werden, kehrt Kahl dies um: Zielsprache ist Lateinisch, denn man will ja die neue Sprache lernen.

So lernen übrigens auch Kinder, wie Kahl erläutert: Der Vater zeigt seinem Kind auf einem Spaziergang einen Baum und sagt: „Baum.“ Das Kind lernt so, wenn Bäume immer wieder gezeigt werden und es selbst auch das Wort ausspricht, das der Begriff „Baum“ die Wirklichkeit eines Baumes zum Ausdruck bringt. Anstatt aber Latein zu lernen, indem man durch die Gegend geht und immer wieder auf Dinge zeigt, bedient man sich einfach der Muttersprache, liest den deutschen Text und versteht dann den lateinischen.

Ob man dabei immer jedes einzelne Wort genau identifiziert und behält, ist unerheblich, denn der Erfolg stellt sich durch regelmäßiges und nicht zu knapp ausfallendes Lesen ein. Auch in einer Vorlesung behält man nicht jedes einzelne Wort, so der Dominikaner, aber es geht ja auch am Ende darum, den Inhalt zu behalten, nicht einzelne Wörter.

Neben der Erläuterung der Methode liefert Kahl auch Hinweise auf Lehrbücher, die für den Einstieg in die Sprache bzw. in die Grammatik genutzt werden können, sowie auf Texte, mit denen man sich ans Lesen machen kann. Neben klassischen Autoren geht er auch auf Thomas von Aquin sowie die Messtexte ein, die Katholiken, die der überlieferten Liturgie verbunden sind, Sonntag für Sonntag begegnen.

„Latein für jeden“ ist tatsächlich „für jeden“ empfehlenswert, besonders aber auch für Katholiken, die sich gerne mehr mit der Kirchensprache befassen möchten, in der bis vor wenigen Jahrzehnten die Theologie noch betrieben wurde – von der Liturgie und Spiritualität ganz abgesehen.

Kahl OP, Rodrigo H.: LATEIN FÜR JEDEN – einfach und effektiv lernen. Die Methode des Lesens in zwei Sprachen nach Heinrich Schliemann; Verlagsbuchhandlung Sabat; gebunden, 240 Seiten; 16 Euro.

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