Papst Franziskus in ausführlichem Interview: Weltsynode erfüllt „den Traum von Paul VI.“

Papst Franziskus am 3. August 2023 in Portugal
Vatican Media

In einem kürzlich veröffentlichten Interview hat Papst Franziskus gesagt, die laufende Weltsynode zur Synodalität erfülle „den Traum von Paul VI.“, und betont, dass es bei dem Prozess um die Wiederherstellung einer verlorengegangenen Form der kirchlichen Beteiligung gehe, nicht aber um eine Änderung der Lehre.

Der Pontifex bestätigte auch Gerüchte, wonach Kardinal Matteo Zuppi, der Gesandte des Vatikans für den Frieden in der Ukraine, demnächst China besuchen wird. Der Papst beschrieb Zuppis „geplanten Zwischenstopp“ in Peking als Teil der „Friedensoffensive“ des Vatikans, die bereits Besuche in Kiew, Moskau und Washington umfasst. Franziskus sagte, er erwäge die Ernennung eines ständigen Vertreters, der als Brücke zwischen Russland und der Ukraine dienen soll.

Papst Franziskus äußerte auch seine Besorgnis über „ideologische“ Jugendgruppen und „starre“ Priester und Seminaristen.

„Wir brauchen normale Seminaristen mit ihren Problemen, die Fußball spielen und nicht in die Nachbarschaft gehen, um zu dogmatisieren“, sagte der Papst in dem ausführlichen Interview, das von „Vida Nueva“, einer katholischen Zeitung in Spanien, veröffentlicht wurde.

Das veröffentlichte Interview war das Ergebnis eines mehrstündigen Gesprächs zwischen dem Papst und Mitarbeitern von „Vida Nueva“, das im „Domus Sanctae Marthae“, der vatikanischen Residenz des Papstes, stattfand. Papst Franziskus hat es zu einem Markenzeichen seines Pontifikats gemacht, ausgewählten Publikationen ähnlich umfangreiche Interviews zu geben und dabei oft einige seiner provokantesten Aussagen zu tätigen.

Bedenken wegen der Synode unangebracht?

In Bezug auf die Synode sagte der Papst, er beginne mit dem, was der heilige Paul VI. begonnen habe, als dieser am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils erkannte, dass „die Kirche im Westen die synodale Dimension verloren“ habe und das Sekretariat der Bischofssynode gründete, „um daran zu arbeiten“.

Der Papst erzählte auch von einem Gespräch mit einer Ordensschwester, die ihm gegenüber ihre Sorge zum Ausdruck brachte, dass die Synode über die Synodalität, die im Oktober in Rom ihre erste Vollversammlung abhält, die Lehre der Kirche verändern würde.

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„Sagen Sie mir, meine Liebe, wer hat Ihnen das in den Kopf gesetzt?“, soll der Papst geantwortet haben. Bei der Synode gehe es darum, „die synodale Dimension wiederzuerlangen, welche die Ostkirche hat und die wir verloren haben“, sagte er.

Der Papst deutete auch an, dass Bischofssynoden, die vor seinem Pontifikat abgehalten wurden, von den Organisatoren zu stark kontrolliert wurden, und er deutete an, dass kontroverse Themen, die während seiner eigenen Synoden aufgetaucht sind, wie die Frage der Kommunion für zivil Geschiedene und Wiederverheiratete bei der Synode über die Familie 2015 oder die Möglichkeit einer größeren Verbreitung verheirateter Priester bei der Amazonas-Synode 2019, „uns von außen aufgezwungen“ wurden.

Auf die Frage nach einem dritten Vatikanischen Konzil sagte der Papst, dass „die Dinge nicht reif sind“, weil das Zweite Vatikanische Konzil noch nicht vollständig verwirklicht worden sei. Das liege daran, dass es von jenen zurückgehalten werde, die sich als „Bewahrer“ des wahren Glaubens bezeichnen.

Der Papst betonte auch, die Kirche müsse mit allen in den Dialog treten, und sagte, dass die Kraft des Evangeliums für „alle“ sei – ein Mantra, das sich als Schlüsselthema während des laufenden Besuchs von Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Lissabon herauskristallisiert hat.

Erneute Warnungen vor „Starrheit“

Der Papst sprach in mehreren Antworten auch ausführlich über den Zustand des jungen Klerus, der Seminaristen und der pastoralen Ausbildung für junge Menschen.

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Der Papst sagte gegenüber „Vida Nueva“, dass die „Starrheit“ der jungen Priester, die gute Menschen seien, die dem Herrn dienen wollen, von der Angst „in einer Zeit der Unsicherheit, die wir erleben“, herrühre.

„Diese Angst lässt sie nicht gehen. Wir müssen ihnen diese Angst nehmen und ihnen helfen“, sagte der Papst und wies darauf hin, dass erfahrenere Seelsorger junge ideologische Kleriker „erweichen“ können.

Aber der Papst sagte auch, dass Starrheit wie eine Schale sei, die „eine Menge Fäulnis verbirgt“. In mehreren Diözesen habe der Traditionalismus als Fassade für „ernste moralische Probleme und Laster, Doppelleben“ gedient, die fortbestehen, wenn Bischöfe, die Priester brauchen, solche aufnehmen, die bereits aus anderen Seminaren wegen „Unmoral“ rausgeworfen worden seien.

„Ich mag keine Starrheit, weil sie ein schlechtes Symptom für das innere Leben ist“, sagte Papst Franziskus. Der Papst warnte auch vor Menschen, „die in einem Theologie-Handbuch gefangen leben und nicht in der Lage sind, in Schwierigkeiten zu geraten und die Theologie voranzubringen“. Beide Bewegungen, „die der Linken und die der Rechten“, erzeugten Korruption, wenn sie stagnierten.

In Bezug auf die Seminarien sprach der Papst von der Notwendigkeit einer „humanistischen Ausbildung“. Er mahnte, Seminarien dürften keine „ideologischen Küchen“ sein, da sie „Seelsorger ausbilden sollen, keine Ideologen“.

Der Papst sagte, er habe „Angst vor intellektuellen Jugendgruppen“, ohne sie beim Namen zu nennen, und fügte lediglich hinzu, dass Gruppen, „die in irgendeiner Weise mit rechten Ideologien verbunden sind, vielleicht die gefährlichsten sind“.

Papst Franziskus forderte, der Einsatz für die Jugend müsse sich darauf konzentrieren, ihre Aufmerksamkeit zu erregen und sie langsam an Jesus und das Evangelium heranzuführen. Sich ausschließlich auf moralische Themen wie Keuschheit zu konzentrieren, „schreckt sie alle ab“.

„Wenn es sich um eine ideologische Seelsorge der Linken oder der Rechten oder der Mitte handelt, ist das nutzlos, es ist schon von vornherein krank und schadet den Jugendlichen.“

Bedrohung durch „Imperialismus“

Der Papst sprach auch über die Bedrohung durch den Imperialismus, dem seiner Meinung nach vor allem die Menschen in Lateinamerika zum Opfer gefallen seien.

„Ich spreche schlecht über jedes Imperium, egal welche Tendenz es hat“, sagte der Papst. Aus diesem Grund wisse er, dass er „ein Stein im Schuh“ für verschiedene Interessen sei.

Der Papst sprach auch eine Form des Imperialismus innerhalb Europas an, nämlich die Durchsetzung säkularer Werte in den einzelnen Ländern durch die Europäische Union. Der Papst sagte, wenn er mit führenden Persönlichkeiten aus Ländern spreche, die sich diesen Bestrebungen widersetzten, sage er ihnen: „Bitte, bleibt frei.“ Außerdem ermutige er sie, ihre eigene einzigartige Kultur, ihre Kunst und ihren Lebensstil beizubehalten, vereint mit dem Rest Europas, „aber in Vielfalt“.

Bezüglich weiterer päpstlicher Besuche sagte er, dass an einer Reise in den Kosovo gearbeitet werde, die jedoch noch nicht feststehe, und er bekräftigte, dass er die großen europäischen Länder erst dann besuchen werde, wenn er „mit den kleinen Ländern“ fertig sei. Der Papst bestätigte auch, eine Reise in sein Heimatland Argentinien stehe „auf dem Programm“.

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.