Vatikanstadt - Donnerstag, 24. Oktober 2024, 12:25 Uhr.
Papst Franziskus hat am Donnerstag seine neue Enzyklika Dilexit Nos über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi veröffentlicht, in der er zu einem erneuerten Verständnis der Herz-Jesu-Verehrung für das moderne Zeitalter aufruft und sie mit den dringenden zeitgenössischen Herausforderungen in Verbindung bringt.
In dem Schreiben argumentiert der Papst, dass die Herz-Jesu-Spiritualität eine lebenswichtige Antwort auf das bietet, was er eine „flüssige Gesellschaft“ nennt, die von Technologie und Konsumismus beherrscht wird und in der „der Sinn, ein Herz zu haben, abgewertet wird“. Es ist die erste päpstliche Enzyklika, die seit Haurietis Aquas von Papst Pius XII. aus dem Jahr 1956 ganz dem Heiligen Herzen gewidmet ist.
In dem Dokument, das sich über fünf Kapitel erstreckt, verbindet Franziskus traditionelle Elemente der Herz-Jesu-Verehrung mit zeitgenössischen Anliegen und stellt das Herz Christi als „die wichtigste einende Wirklichkeit“ in einer zersplitterten Welt dar.
Papst Franziskus kündigte das Dokument erstmals im Juni an, als er feststellte, dass die Meditation über die Liebe des Herrn „den Weg der kirchlichen Erneuerung erhellen und einer Welt, die ihr Herz verloren zu haben scheint, etwas Sinnvolles sagen kann“.
Erzbischof Bruno Forte, ein italienischer Theologe und Mitglied des Dikasteriums für die Glaubenslehre, stellte die Enzyklika gemeinsam mit der Ordensfrau Antonella Fraccaro der Presse vor.
Einblick in die Vision des Papstes
Die rund 30.000 Wörter umfassende Enzyklika stützt sich weitgehend auf die Heilige Schrift und die Tradition und enthält Einsichten der heiligen Thérèse von Lisieux, des heiligen Franz von Sales und des heiligen Charles de Foucauld. Das Dokument, das gegen Ende der einmonatigen Beratungen der Weltsynode zur Synodalität in Rom veröffentlicht wurde, betont sowohl die persönliche Spiritualität als auch das gemeinschaftliche missionarische Engagement.
Franziskus entwickelt seine Vision in fünf Kapiteln, beginnend mit einer philosophischen und theologischen Erkundung der „Bedeutung des Herzens“, bevor er zu Überlegungen über Christi Taten und Worte der Liebe, die theologische Bedeutung der Herz-Jesu-Verehrung, ihre spirituelle Dynamik und ihre sozialen Auswirkungen übergeht.
Alter Glaube trifft auf moderne Philosophie
In einer bedeutenden theologischen und philosophischen Entwicklung setzt sich die Enzyklika intensiv mit modernem Denken auseinander, insbesondere durch die Diskussion von Martin Heideggers Verständnis von menschlicher Emotion und Verstand. Der Papst zitiert Heideggers Einsicht, dass „die Philosophie nicht mit einem reinen Begriff oder einer reinen Gewissheit beginnt, sondern mit einer Erschütterung“, und stellt fest, dass der Philosoph das Herz als „Hüter der Stimmung“ ansah, das „auf eine nicht metaphorische Weise ‚die stille Stimme‘ des Seins hört“.
Unter Berufung auf die Heidegger-Interpretation des zeitgenössischen Philosophen Byung-Chul Han argumentiert Franziskus, diese philosophische Perspektive helfe zu erhellen, wie die Rolle des Herzens beim Verstehen der Wirklichkeit über das rein rationale Verstehen hinausgeht. „Für Heidegger“, so heißt es in der Enzyklika, „muss das Denken vor der Arbeit mit Begriffen oder während der Arbeit mit ihnen bewegt worden sein. Ohne ein tiefes Gefühl kann das Denken nicht beginnen.“
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Papst wendet sich an das Technologie-Zeitalter
„Künstliche Intelligenz kann nicht retten, was menschlich ist – dafür brauchen wir Poesie und Liebe“, schreibt Franziskus und argumentiert, dass technologische Lösungen allein die tieferen Bedürfnisse des menschlichen Herzens nicht ansprechen können. Er hebt besonders hervor, wie das algorithmische Denken die Grenzen rein rationaler Ansätze für die menschliche Erfahrung aufzeigt.
„In der Zeit der künstlichen Intelligenz“, schreibt der Papst, „dürfen wir nicht vergessen, dass wir Poesie und Liebe brauchen, um das Menschliche zu retten. Was kein Algorithmus enthalten kann, wird zum Beispiel jener Moment der Kindheit sein, an den man sich mit Zärtlichkeit erinnert.“
Der Papst betont, dass die Verehrung des Heiligsten Herzens nicht nur eine private geistliche Praxis ist, sondern tiefe Auswirkungen auf das soziale Leben und die menschlichen Beziehungen hat. „Die Welt kann sich verändern, indem sie im Herzen beginnt“, schreibt er und verbindet die individuelle Transformation mit einer breiteren gesellschaftlichen Erneuerung.
Von Pius XII. bis Franziskus: Eine Reise durch die Lehre über das Herz Jesu
Die Enzyklika baut auf der jahrhundertealten katholischen Herz-Jesu-Verehrung auf und bietet gleichzeitig neue Einsichten für moderne Herausforderungen. Franziskus zitiert ausführlich frühere päpstliche Lehren, insbesondere von Johannes Paul II., der die Herz-Jesu-Verehrung als eine Antwort auf „Rigorismus und körperlose Formen der Spiritualität“ sah.
„Die Herz-Jesu-Verehrung, wie sie sich vor zwei Jahrhunderten in Europa entwickelt hat“, zitiert Franziskus Johannes Paul II., „war eine Antwort auf die jansenistische Strenge, die letztlich die unendliche Barmherzigkeit Gottes vernachlässigt hat“.
„Eine neue Zivilisation der Liebe“: Der Weg nach vorn
Das Dokument ruft zu einer Erneuerung der traditionellen Herz-Jesu-Verehrung auf und unterstreicht gleichzeitig deren Aktualität. „Unseren Gemeinschaften wird es nur gelingen, ihre verschiedenen Intelligenzen und ihren Willen durch das Herz zu vereinen und zu versöhnen“, schreibt Franziskus, „denn auch die Befriedung ist eine Aufgabe des Herzens“.
Der Papst schließt, indem er diese spirituelle Vision mit der umfassenderen Mission der Kirche in der modernen Welt verbindet und zu dem aufruft, was er als „eine neue Zivilisation der Liebe“ bezeichnet, die auf dem Fundament der Liebe Christi aufgebaut ist. Diese Vision knüpft direkt an seine früheren Sozialenzykliken Laudato Si’ und Fratelli Tutti an, in denen die Liebe Christi als Grundlage für die Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit dargestellt wird.
Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.