Fehlerhafter Umgang mit Missbrauch: Anglikanischer Erzbischof von Canterbury tritt zurück

Justin Welby
screenshot / YouTube / Channel 4 News

Der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, hat am Dienstag seinen Rücktritt angekündigt und erklärt, er übernehme die „persönliche und institutionelle Verantwortung“ für den falschen Umgang mit einer Reihe von aufsehenerregenden Missbrauchsfällen in der anglikanischen Gemeinschaft seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013.

„Ich hoffe, dass diese Entscheidung deutlich macht, wie ernst die Kirche von England die Notwendigkeit von Veränderungen und unser tiefes Engagement für die Schaffung einer sichereren Kirche nimmt. Ich trete in Trauer mit allen Opfern und Überlebenden von Missbrauch zurück“, sagte Welby, der 2012 zum 105. Erzbischof von Canterbury gewählt wurde, in einer Erklärung.

Obwohl Welby selbst nicht des Missbrauchs beschuldigt wurde, stand er für seine Reaktion auf eine Reihe von Missbrauchsfällen innerhalb der von ihm geleiteten Gemeinschaft in der Kritik. In den letzten Tagen wurden Forderungen nach Welbys Rücktritt laut, die von Opfern eines berüchtigten anglikanischen Serientäters, John Smyth, angeführt wurden.

Der verstorbene Smyth, ein prominenter Rechtsanwalt, der in den 1970er und 1980er Jahren ehrenamtlich in christlichen Sommercamps arbeitete, wurde später des körperlichen Missbrauchs, des sexuellen Missbrauchs und der psychologischen Nötigung von über 100 Jungen und jungen Männern in mehreren Ländern überführt.

Ein mit Spannung erwarteter 253-seitiger Bericht des unabhängigen Gutachters Keith Makin vom 7. November enthielt eine vernichtende Anklage gegen Welbys Umgang mit dem Fall Smyth.

Dem Bericht zufolge kreuzten sich die Wege von Smyth und Welby in der Zeit, in der Smyth seinen Missbrauch beging. Welby bestand darauf, dass die beiden sich nie nahe standen, obwohl die beiden eine Zeit lang Weihnachtskarten austauschten und Welby kleinere Spenden an Smyths Missionen in Simbabwe leistete.

Berichten zufolge wurden andere Kirchenvertreter bereits 1982 auf Smyths Missbrauch aufmerksam gemacht. Im Jahr 2013, nach seinem Amtsantritt als Erzbischof, wurde Welby mündlich über Smyths Missbrauch informiert, sagte aber, er habe fälschlicherweise geglaubt, dass die Polizei und die örtlichen Behörden informiert worden seien. Daher habe er sich entschieden, keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen, hieß es in dem Bericht.

Der Bericht wirft auch der Kirche von England selbst vor, dass sie trotz formeller Schutzmaßnahmen dem Schutz keine Priorität eingeräumt habe und dass die Umsetzung dieser Maßnahmen inkonsequent und oft unzureichend gewesen sei.

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„Welby gibt an, dass er definitiv ‚aktiver‘ gewesen wäre, wenn er 2013 von der Schwere der Vergehen gewusst hätte. Die in diesem Bericht enthaltenen Beweise deuten darauf hin, dass genug bekannt war, um Bedenken zu äußern, als er 2013 informiert wurde“, so der Bericht. „Unsere Meinung […] ist, dass Justin Welby eine persönliche und moralische Verantwortung trug, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen, was auch immer die damaligen Regeln erforderten.“

Nach der Veröffentlichung eines Dokumentarfilms im Jahr 2017, der Smyths Missbrauch öffentlich machte, gab Welby eine Erklärung ab und äußerte in Interviews seine Sorge um die Opfer, die den Eindruck hatten, dass Welbys Reaktion verzögert war und ihren Bedürfnissen keine Priorität einräumte. Schließlich traf er sich im Jahr 2021 mit einigen Opfern und entschuldigte sich öffentlich im Namen der anglikanischen Gemeinschaft.

In seiner Erklärung sagte Welby, dass die Forderungen nach seinem Rücktritt in den letzten Tagen nach der Veröffentlichung des Makin-Berichts „mein seit langem empfundenes und tiefes Gefühl der Scham über die historischen Versäumnisse der Kirche von England im Bereich des Schutzes erneuert“ hätten.

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Er bat um Gebete für seine Frau Caroline und die sechs gemeinsamen Kinder.

„Ich glaube, dass mein Rücktritt im besten Interesse der Kirche von England ist, die ich sehr liebe und der zu dienen ich die Ehre hatte. Ich bete, dass diese Entscheidung uns zu der Liebe zurückführt, die Jesus Christus für jeden von uns hat“, sagte er abschließend.

Ein weiterer Hintergrund für Welbys Rücktritt ist die Abrechnung mit dem Kindesmissbrauch in Großbritannien in den letzten Jahren. Eine unabhängige Untersuchung aus dem Jahr 2022 deckte in verschiedenen Institutionen, darunter auch in der Kirche von England, anhaltende und weit verbreitete Versäumnisse beim angemessenen Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und Ausbeutung auf.

In dieser Untersuchung wurde der Kirche vorgeworfen, dass sie wiederholt ihren Ruf über das Wohlergehen von Kindern stellte und dazu neigte, die Schwere der Vergehen herunterzuspielen. Außerdem wurde festgestellt, dass die Schutzvorkehrungen innerhalb der Kirche bis 2015, als die Mittel unter Welbys Führung erheblich aufgestockt wurden, stark unterdotiert waren.

Als Oberhaupt der Kirche von England hatte Welby mit erheblichem Widerstand konservativer anglikanischer Führungspersönlichkeiten zu kämpfen, nachdem er Anfang 2023 den Vorsitz des Leitungsgremiums der Kirche von England geführt hatte, das die Segnung homosexueller Verbindungen beschloss.

Die Organisation „Global South Fellowship of Anglican Churches“ (GSFA), die nach eigenen Angaben 75 Prozent der Anglikaner in der Welt vertritt, gab damals eine Erklärung ab, in der sie die Kirche von England beschuldigte, die Gemeinschaft mit den Provinzen zu brechen, die der biblischen Auffassung von der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau treu bleiben. Die Debatten über die gleichgeschlechtliche Ehe schwelten innerhalb des Anglikanismus seit Jahrzehnten, und die anglikanische Gemeinschaft wurde 2003 erheblich gespalten, als die in den USA ansässige Episkopalkirche dafür stimmte, einen Mann in einer homosexuellen Verbindung zu ordinieren.

Während seiner Amtszeit nahm Welby an mehreren ökumenischen Treffen und Aktivitäten mit Papst Franziskus teil.

Im Sommer 2023 reiste der Papst zusammen mit Welby und dem Moderator der „Church of Scotland“, Iain Greenshields, auf einem „Pilgerweg des Friedens“ in den Südsudan. Bei einem Treffen mit rund 2.500 südsudanesischen Flüchtlingen am 4. Februar 2023 schlossen sich die protestantischen Führer Papst Franziskus für einen abschließenden Segen für die Teilnehmer an. Später traten sie gemeinsam bei einem ökumenischen Gebetsgottesdienst auf, der rund 50.000 Menschen anzog.

Im Januar feierte Welby im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen eine anglikanische Liturgie in der katholischen Basilika St. Bartholomäus auf der Tiberinsel in Rom. Welby feierte auch eine ökumenische Vesper mit Papst Franziskus zum Hochfest der Bekehrung des heiligen Paulus in der Basilika St. Paul vor den Mauern.

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.