Redaktion - Montag, 16. Dezember 2024, 14:15 Uhr.
Kardinal Christoph Schönborn OP, der erwartet, im Januar 2025 mit 80 Jahren als Erzbischof von Wien zurücktreten zu dürfen, hat über seine besondere Verbindung mit den Armen gesprochen, wie die Zeitung „Die Presse“ am Sonntag berichtete.
„Ich war ein junger Dominikaner“, erinnerte sich Schönborn bei einem Segnungsgottesdienst für Armutsbetroffene im Wiener Stephansdom, „und ich war in einer Krise. Ich war drauf und dran, meinen Glauben zu verlieren.“
Dann aber habe ihm die Begegnung mit einem Obdachlosen geholfen: „Zu erfahren, dass es nicht mein Verdienst ist, dass es mir gut geht, war für mich etwas ganz Entscheidendes. Die Begegnung mit diesem Armen hat mir gezeigt: Das Evangelium ist wahr. Ich habe durch ihn zu Jesus zurückgefunden.“
Gegenüber „Die Presse“ sagte Schönborn, er werde auch im Ruhestand „sicher weiter mein Zusammensein mit Armutsbetroffenen pflegen, das ist in meiner DNA seit meiner Studentenzeit“.
Zur Zukunft – seiner eigenen und jener der Kirche – erklärte er: „Ich bin zuversichtlich. Die Kirche lebt weiter, die ist lebendig, oft tot geglaubt, aber sie lebt. Und ich werde dankbar sein, weiter da sein zu können für die Menschen, aber natürlich schon sehr erleichtert, nicht mehr die ganze Last der Verantwortung zu tragen.“
Für den 18. Januar 2025 lädt die Erzdiözese Wien „zu einem Gottesdienst in den Stephansdom ein, um am Ende eines fast 30-jährigen gemeinsamen Wegs zu feiern und zu danken“, wie im Oktober angekündigt wurde. Man gehe dabei davon aus, dass „Papst Franziskus den Rücktritt von Kardinal Christoph Schönborn als Erzbischof von Wien voraussichtlich rund um dessen 80. Geburtstag Ende Jänner 2025 annehmen“ werde.
Der 79-jährige Kardinal hatte sein Rücktrittsangebot aus Altersgründen, wie es das Kirchenrecht vorsieht, zu seinem 75. Geburtstag in Rom eingereicht, wurde jedoch von Papst Franziskus bis auf weiteres in seinem Amt belassen.
Schönborn wurde am 22. Januar 1945 geboren, also noch vor Kriegsende. 1963 trat er in den Dominikanerorden ein und wurde 1970 in Wien zum Priester geweiht. Ab Mitte der 1970er Jahre lehrte Schönborn an der Universität Fribourg in der Schweiz. Einem größeren Publikum bekannt wurde er durch seine maßgebliche Tätigkeit als Sekretär der Kommission für die Abfassung des Katechismus der Katholischen Kirche von 1987 bis 1992.
1991 wurde Schönborn zunächst Weihbischof in Wien. Vier Jahre später übernahm er die Erzdiözese als Oberhirte. 1998 machte ihn Papst Johannes Paul II. dann zum Kardinal. Als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz (ÖBK) von 1998 bis 2020 prägte er die Kirche im Land nachhaltig.
Im Zuge der Veröffentlichung von Amoris Laetitia durch Papst Franziskus sagte Schönborn mit Blick auf den etwaigen Kommunionempfang von sogenannten wiederverheirateten Geschiedenen, es bestehe bei der entsprechenden Seelsorge eine Gefahr „seit den Anfängen der Kirche, denn Hirten können leiten oder in die Irre führen“. Das sei die Kunst, von der Papst Franziskus spreche, nämlich „Menschen zu begleiten“: „Das ist die richtige Fähigkeit für einen guten Hirten.“
Zur Homosexualität erklärte Schönborn 2021, nachdem die Glaubenskongregation bestätigt hatte, dass ein Segen für homosexuelle Beziehungen nicht möglich sei: „Wenn die Bitte um den Segen keine Show ist, also nicht nur eine Art Krönung von einem äußerlichen Ritual, wenn die Bitte um den Segen ehrlich ist, es wirklich die Bitte um den Segen Gottes für einen Lebensweg ist, den zwei Menschen, in welcher Situation auch immer, zu gehen versuchen, dann wird man ihnen diesen Segen nicht verweigern.“
„Auch wenn ich als Priester oder Bischof sagen muss: ‚Das ganze Ideal habt ihr nicht verwirklicht. Aber es ist wichtig, dass ihr euren Weg auf der Basis menschlicher Tugenden lebt, ohne die es keine gelungene Partnerschaft gibt.‘ Und das verdient einen Segen“, so der Kardinal.
Die Glaubenskongregation – inzwischen umbenannt in Dikasterium für die Glaubenslehre – erlaubte 2023 unter neuer Führung und mit Gutheißung von Papst Franziskus die Segnung homosexueller Verbindungen unter bestimmten Umständen. Das entsprechende Dokument stieß auf massiven Widerstand in aller Welt und wird vielerorts nicht umgesetzt, darunter in weiten Teilen Afrikas.
Als im Rahmen der Amazonas-Synode 2019 der Zölibat verstärkt diskutiert wurde, sagte Schönborn: „Ich habe mich deutlich dafür ausgesprochen, dass wir auch verheiratete Priester brauchen, so wie wir auch verheiratete Diakone haben. Wir brauchen aber auch den ehelosen Priester.“ Er selbst habe sich für den Zölibat entschieden, um „dem Lebensmodell Jesu“ nachzufolgen und „für die Menschen da zu sein“.
Im Jahr 2018 sagte Schönborn, vielleicht werde er „eines Tages auch Frauen als Diakone“ weihen. „Grundsätzlich ist das offen.“