Der heilige Kapuziner Pater Pio von Pietrelcina, der den größten Teil seines Lebens in einem Kloster in San Giovanni Rotondo in den Abruzzen zubrachte, ist weltweit bekannt. Er war Träger der Wundmale Christi und starb am 23. September 1968. Bereits 1999 wurde er selig- und 2002 heiliggesprochen.

Zahlreiche wunderliche Dinge sind über Pater Pio bekannt – etwa, dass er zur selben Zeit an verschiedenen Orten sein konnte, oder dass er persönliche Kämpfe mit dem Teufel auszutragen hatte. Weniger bekannt ist, dass er persönliche Freundschaften pflegte, die jahrzehntelang anhielten. Eine dieser Freundschaften ist jene mit Mary Pyle.

Über seine „hochgeschätzte geistliche Tochter und Vertraute“ hat die Buchautorin und Journalistin Esther von Krosigk ein äußerst informatives Buch vorgelegt, das den Titel trägt „Pater Pio und Mary Pyle“. Darin werden weniger bekannte Begebenheiten aus dem reichen Leben des stigmatisierten Kapuziners berichtet, der als Beichtvater täglich viele Stunden damit zubrachte, die Nöte, Schwächen und schweren Sünden der Beichtenden anzuhören und ihnen die Lossprechung zu erteilen.

Die Amerikanerin Mary Pyle wurde am 17. April 1888 in New York in einem protestantischen Elternhaus geboren. Sie erhielt zunächst den Namen Adelia, nannte sich aber nach ihrer Konversion vom protestantischen zum katholischen Glauben Mary. Adelia konvertierte 1918 in Barcelona, wo sie von einem Jesuitenpater getauft wurde.

Im Jahr 1912 begegneten sich Adelia McAlpin Pyle – so ihr vollständiger Name – und die Pädagogin, Wissenschaftlerin und Ärztin Maria Montessori erstmals. Für Adelia war es „der Auftakt für die Wanderjahre mit der weltweit bekannten Pädagogin“. Da Montessori nur Italienisch sprach, wurde Mary ihre Dolmetscherin in Wort und Schrift, sowie ihre Begleiterin und Assistentin auf Reisen in Europa und in den USA.

Pater Pio war erst seit wenigen Jahren im Kapuzinerkloster von San Giovanni Rotondo, doch eilte ihm bereits ein gewisser Bekanntheitsgrad voraus. Anlässlich eines Aufenthaltes im Sommer 1923 auf der Insel Capri fuhr Mary Pyle mit einer Freundin nach San Giovanni Rotondo. Von der „kläglichen“ Ortschaft aus führte ein etwa zwei Kilometer langer „ansteigender Saumpfad zum 600 Meter über dem Meer gelegenen Kapuzinerkloster“, das einen ärmlichen Eindruck machte. Zusammen mit ihrer Freundin übernachtete sie in einer Herberge und beide gingen am nächsten Morgen zum Kloster hinauf.

Mary beichtete bei Pater Pio und ging zu ihm in die Messe. Im anschließenden Gespräch sagte Pater Pio zu ihr: „Du musst hierbleiben.“ Doch sie hatte Verpflichtungen und ging weiter mit Maria Montessori auf Reisen. Gegen Ende desselben Jahres kamen beide Frauen zu Pater Pio. Nachdem sich Mary diesmal entschieden hatte, zu bleiben, wollte sie mit Maria Montessori zurück nach Rom fahren, um ihre Sachen zu packen. Doch sie war „wie gelähmt“, konnte nicht mehr gehen und blieb. Von nun an war Mary Pyle nicht nur eine geistliche Tochter von Pater Pio, sondern auch eine seiner wichtigsten Stützen bis zu ihrem Tod.

Mary Pyle wurde Tertiarin des Dritten Ordens. Während die Mitglieder als Laien kein Ordenskleid trugen, wurde bei ihr „eine Ausnahme gemacht: Sie durfte den richtigen Habit tragen, jedoch ohne Kapuze.“ Am 24. August 1924 segnete Pater Pio das Ordenskleid, das sie angeblich bis zu ihrem Tod auch nachts nicht ablegte. Noch am selben Tag notierte sie: Pater Pio „rief mich oder besser gesagt gab mir ein Zeichen zu kommen und an den Stufen des Altars niederzuknien, wo ich ihm Wort für Wort nachsprach und die Bitte äußerte, in den Dritten Orden aufgenommen zu werden, und er legte mir den kleinen Habit an und ließ mich die Kordel anlegen, und dann schrieb er in der Sakristei meinen Namen in das kleine Buch der Regel und gab mir den Namen Pia…“

In San Giovanni Rotondo ließ sie ein Haus bauen, in das sie die Eltern von Pater Pio aufnahm und in dem sie ständig Pilger aus der ganzen Welt willkommen hieß, die Pater Pio besuchen wollten. Täglich bereitete sie das Essen für eine große Zahl von Armen zu, die zu ihr kamen. Wegen ihrer Barmherzigkeit und Großzügigkeit wurde Mary auch „die Mutter der Armen“ genannt. Sie übernahm auch verschiedene Aufgaben rund um das Kloster, gründete eine Choral-Schola und kümmerte sich um die Ausbildung von jungen Sängerinnen. Zudem war sie Organistin in der Klosterkirche.

„Da Mary fünf Sprachen fließend beherrschte, hatte sie bei Pater Pio dieselbe Funktion inne wie schon bei Maria Montessori: Sie agierte häufig als Dolmetscherin, wenn sich der Pater mit ausländischen Besuchern unterhielt.“ Sie kümmerte sich auch um die Pater-Pio-Gebetsgruppen, von denen es heutzutage Tausende gibt.

In ihren letzten Lebensjahren war Mary Pyle krank und konnte nur mit Mühen von ihrem Haus zum Kloster gelangen, um bei Pater Pio zu beichten und an der Frühmesse um 5 Uhr teilzunehmen. Bevor es überhaupt nicht mehr möglich war, ließ sie sich noch von einem Taxi fahren. Am 17. April 1968 wurde Mary ins Krankenhaus eingeliefert. Sie starb am 26. April 1968.

In dem vorliegenden Buch über Mary Pyle lernen die deutschsprachigen Leser nicht nur eine faszinierende Persönlichkeit kennen, sie erfahren auch viele ihnen vielleicht noch unbekannte Details zum Leben von Pater Pio und von Maria Montessori.

Esther von Krosigk: Pater Pio und Mary Pyle. Seine hochgeschätzte geistliche Tochter und Vertraute; Media Maria Verlag 2024; 192 Seiten; 18,95 Euro; ISBN 978-3947931927.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.