Redaktion - Freitag, 4. April 2025, 9:00 Uhr.
Jeder dritte Christ in Israel denkt an Auswanderung – bei den unter 30-Jährigen sind es sogar fast 50 Prozent. Hintergrund der Auswanderungstendenz ist eine dramatische Zunahme tätlicher Angriffe durch jüdische Extremisten, wie aus dem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht des „Rossing Center for Education and Dialogue“ hervorgeht, einer interreligiösen Organisation in Jerusalem.
Der Bericht dokumentiert für das Jahr 2024 insgesamt 111 Angriffe oder Gewalttaten gegen Christen – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 89 Fällen im Vorjahr. Zu den gemeldeten Vorfällen gehören 46 körperliche Angriffe, 35 Angriffe auf kirchliches Eigentum und 13 Fälle von Belästigung. Besonders besorgniserregend ist, dass die meisten Opfer Geistliche sind oder Personen, die sichtbare christliche Symbole tragen.
„Die Vorfälle, die wir nachverfolgen können, kratzen kaum an der Oberfläche dessen, was tatsächlich passiert. Wir haben keinen Zweifel daran, dass es viele weitere Fälle gibt, von denen wir nichts wissen“, erklärte Hana Bendcowsky, Direktorin des Jerusalem Center for Jewish-Christian Relations (JCJCR), einer Abteilung des Rossing Center, gegenüber der Zeitung Times of Israel.
Die Täter werden in nahezu allen bekannten Fällen als jüdische Personen identifiziert, hauptsächlich junge Männer aus ultra-orthodoxen und nationalreligiösen Kreisen. Spucken wurde als häufige Form physischer Belästigung identifiziert, während Vandalismus und Schändung christlicher Kirchen, einschließlich Graffiti, Steinwürfe und Brandstiftung, ebenfalls dokumentiert wurden.
Die Umfrage unter 300 palästinensischen/arabischen Christen in Israel und Ost-Jerusalem zeigt, dass mehr als ein Drittel (36 %) der Befragten eine Auswanderung in Betracht zieht. Noch alarmierender ist, dass dieser Anteil unter Christen unter 30 Jahren auf 48 % ansteigt. Regionale Unterschiede sind ebenfalls signifikant: Während in Haifa 48 % der Christen über Auswanderung nachdenken, sind es in Ost-Jerusalem nur 16 %.
Als Hauptgründe für die Auswanderungsüberlegungen wurden Sicherheitsbedenken (44 %) und die sozio-politische Situation (33 %) genannt. In Ost-Jerusalem dominieren sozio-politische Sorgen (81 %), während Sicherheitsbedenken dort eine geringere Rolle spielen (19 %).
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Nach der Verabschiedung des Gesetzes „Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes“ im Jahr 2018 glauben 64,8 % der Befragten, dass dieses Gesetz sie als Bürger zweiter Klasse bestätigt. Als Verfassungsgesetz mit quasi-konstitutionellem Rang verankerte es erstmals explizit die ethnisch-religiöse Identität Israels als exklusiv jüdischer Staat.
Derzeit leben in Israel rund 180.000 Christen, was etwa 1,8 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Die katholische Kirche ist mit rund 108.000 Gläubigen die größte christliche Konfession in Israel. Sie setzt sich zusammen aus 64.400 griechisch-melkitischen, 32.200 römisch-katholischen und 11.270 maronitischen Katholiken.
Trotz der beunruhigenden Statistiken gibt es auch positive Entwicklungen zu verzeichnen. Der Bericht notiert einen positiven Trend zu einer erhöhten Bereitschaft der Opfer, Vorfälle bei den Behörden zu melden.
„In der Vergangenheit zögerten Christen, Vorfälle zu melden, weil sie unsicher waren, wie sie behandelt werden würden“, erklärte Bendcowsky. „Wir haben daran gearbeitet, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Oft wird die Meldung nicht von den Christen selbst, sondern von israelisch-jüdischen Freiwilligen vorgenommen.“
Die Studie wies auf einen fortschreitenden Prozess der Judaisierung Jerusalems und des Heiligen Landes hin. Statistiken untermauern diesen Trend: Die jüdische Bevölkerung wuchs im Vergleich zum Vorjahr um einen halben Prozentpunkt, während die arabische Bevölkerung um den gleichen Wert zurückging.
Die israelische Regierung genehmigte Pläne für neue jüdische Siedlungen in Ost-Jerusalem mit etwa 11.500 neuen Wohneinheiten, wie Vatican News berichtete. Gleichzeitig identifizieren sich 29 % der Einwohner Jerusalems als „orthodoxe Juden“, was bedeutet, dass sie inzwischen mehr als die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Jerusalems ausmachen.