Redaktion - Donnerstag, 24. April 2025, 12:00 Uhr.
Die Amtszeit von Papst Franziskus sei „ein Pontifikat mit Licht und Schatten“ gewesen, wie der einstige Chefredakteur der Vatikanzeitung L’Osservatore Romano, Giovanni Maria Vian, zu Protokoll gab. Vian benutzte in einem Interview mit der spanischen Zeitung El Confidencial auch das Wort „widersprüchlich“.
Vian lehrt patristische Philologie an der römischen Universität La Sapienza und war von 2007 bis 2018 für die Vatikanzeitung verantwortlich – ein Zeitraum, der mehrere Jahre sowohl unter Papst Benedikt XVI. als auch unter Papst Franziskus umfasste. Vor wenigen Tagen legte Vian sein Buch „Der letzte Papst. Aktuelle und zukünftige Herausforderungen für die katholische Kirche“ vor, das in spanischer Sprache erschien.
Gefragt, ob Papst Franziskus „sich mehr an Nichtgläubige als an Gläubige gewandt hat“, sagte Vian am Mittwoch: „Ja, wenn Sie wollen, können Sie diese Formel verwenden. Es ist etwas, das dem missionarischen Profil eines Jesuitenpapstes entspricht. Zweifellos ist dieser missionarische Eifer bei praktisch allen Päpsten vorhanden, bei einigen mehr, bei anderen weniger, bei jedem auf seine Weise.“
Der am Ostermontag mit 88 Jahren gestorbene Franziskus sei „ein widersprüchlicher Papst“ gewesen, „denn er hat viel gesprochen, bei vielen Gelegenheiten improvisiert und manchmal sehr unterschiedliche Dinge gesagt“.
„Das Pontifikat von Franziskus war ein Pontifikat voller Widersprüche, ein Pontifikat, das den päpstlichen Absolutismus auf die Spitze getrieben hat“, fasste Vian zusammen, um dann zu fordern: „Es ist nun dringend notwendig, dass das Papsttum reformiert wird und zu der vom Zweiten Vatikanischen Konzil skizzierten Kollegialität zurückkehrt.“
Franziskus sei „zweifelsohne“ ein absolutistischer Papst gewesen. Als Beispiel führte Vian an: „Im Jahr 2022 hat Franziskus das Grundgesetz des Vatikans geändert, in dessen Präambel er sagt, dass er als Nachfolger Petri Staatsoberhaupt ist, eine theokratische Aussage, die nicht einmal die Päpste des Mittelalters gemacht haben, vielleicht Bonifatius VIII. Die Widersprüche des Pontifikats von Franziskus sind sehr offensichtlich.“
Der Ex-Chef der Vatikanzeitung kritisierte auch die Heiligsprechungen von gleich drei Päpsten, die Papst Franziskus vorgenommen hatte, womit er „in gewisser Weise das Papsttum heiliggesprochen“ habe.
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In diesem Kontext erwähnte er den sexuellen Missbrauch als „das größte Problem“ in der Amtszeit von Papst Johannes Paul II., „und aus diesem Grund glaube ich persönlich, dass es besser gewesen wäre, ihn weder selig- noch heiligzusprechen, auch wenn er ein Heiliger war. Aber ihn heilig zu sprechen, erschien mir unklug, weil man damit am Ende auch eine Politik heilig spricht.“
Auch Papst Franziskus habe sich mit Blick auf das Thema Missbrauch „sehr widersprüchlich verhalten. Einerseits hat er das Erbe von Benedikt XVI. angenommen, der in dieser Hinsicht vorbildlich war, wie Franziskus selbst mehrfach sagte. Aber dann gab es Fälle wie den von Rupnik […], der zeigt, dass Papst Franziskus nicht konsequent war.“
Kunstwerke von Marko Rupnik befinden sich in wichtigen Kirchen in aller Welt, vom Vatikan bis Lourdes und Fatima und sogar in den USA. Der ehemalige Jesuit soll zahlreiche Personen missbraucht haben, darunter auch Mitglieder einer von ihm gegründeten Gemeinschaft von Ordensfrauen. Rupnik war zwischenzeitlich exkommuniziert, wurde aber danach weiterhin im Vatikan – auch von Papst Franziskus – empfangen und hielt 2020 eine Fasten-Meditation für die römische Kurie. Bis heute ist unklar, wer wann von den Missbrauchsvorwürfen wusste und welche Rolle Papst Franziskus dabei spielte.
Vian sagte, er erwarte ein langes Konklave: „Viele Kardinäle kennen sich nicht. Sie werden miteinander reden und sich kennen lernen müssen.“ Er selbst würde Kardinal Anders Arborelius OCD wählen, den Bischof von Stockholm.
Giovanni Maria Vian ist der Sohn von Nello Vian, dem einstigen Sekretär der Vatikanischen Bibliothek. Die Kinder von Nello Vian wurden von Giovanni Battista Montini getauft, der 1963 zum Papst gewählt wurde und den Namen Paul VI. annahm. Bei der Eheschließung der Großeltern von Giovanni Maria Vian assistierte 1903 Giuseppe Sarto, der kurze Zeit später zu Papst Pius X. wurde.
Ein Bruder von Giovanni Maria, Paolo Vian, wurde 2019 Vizepräfekt des Vatikanischen Geheimarchivs, das wenig später in Vatikanisches Apostolisches Archiv umbenannt wurde.