Redaktion - Freitag, 17. Oktober 2025, 15:30 Uhr.
Nach Einschätzung des Kirchenrechtlers Daniel Tibi ist die Klosterbesetzung durch die drei betagten Augustiner-Chorfrauen von Goldenstein ein klarer Bruch ihres Gehorsamsgelübdes.
„Wenn der Propst die Nonnen dann in ein Altenheim sozusagen ‚versetzt‘, dann sind sie kirchenrechtlich verpflichtet, ihm zu gehorchen. Das ist bindend“, sagte Tibi im Interview mit katholisch.de.
Hintergrund ist der seit Wochen andauernde Streit um das Kloster Goldenstein bei Salzburg. Die drei hochbetagten Nonnen Bernadette (88), Regina (86) und Rita (81) waren Anfang September aus dem Altenheim Schloss Kahlsperg ausgezogen und mithilfe eines Schlüsseldienstes in ihr früheres Kloster zurückgekehrt, wie CNA Deutsch ausführlich berichtete.
Propst Markus Grasl CanReg hatte die Übersiedlung in das Heim im Dezember 2023 angeordnet, nachdem Ärzte und kirchliche Verantwortliche den Gesundheitszustand der Schwestern als kritisch eingeschätzt hatten. Ein Verbleib in Goldenstein sei „nicht mehr vertretbar“ gewesen.
Die Nonnen wiederum bestreiten, dass die Entscheidung in ihrem Einvernehmen erfolgt sei. Sie erklärten, sie seien „verfrachtet“ und gegen ihren Willen aus ihrem Zuhause vertrieben worden. Zudem hätten sie keinen Zugriff mehr auf ihre Konten und Vermögenswerte.
Die kirchlichen Stellen wiesen diese Vorwürfe entschieden zurück und betonten, die Übersiedlung sei aufgrund der prekären Situation unumgänglich gewesen.
Tibi erläuterte, dass Propst Grasl vom Stift Reichersberg als Oberer der Goldensteiner Nonnen eingesetzt sei und daher die Verantwortung für deren Lebenssituation trage. Mit der Entscheidung, die Schwestern in ein Altenheim zu schicken, habe Grasl seiner Fürsorgepflicht entsprochen.
„Aus meiner Sicht hat er diese aber schon ausreichend wahrgenommen, indem er ihnen einen Platz im Altenheim organisiert hat, als er gemeinsam mit Ärzten zu der Einschätzung gekommen war, dass sie nicht mehr allein leben können“, sagte der Kirchenrechtler. Der Propst habe also gehandelt, um Schaden von den betagten Nonnen abzuwenden.
Den Vorwurf einer „zwangsweisen Unterbringung“, wie ihn der Theologe Wolfgang F. Rothe in einem Podcast erhoben hatte, wies Tibi entschieden zurück. „Dass kein Zwang ausgeübt wurde, zeigt sich auch darin, dass die Nonnen das Altenheim wieder verlassen konnten. Sie waren also offensichtlich nicht in ihrem Zimmer eingesperrt oder Ähnliches“, erklärte er.
Eine Entmündigung könne daher nicht angenommen werden. Nach Tibis Einschätzung habe es vor der Entscheidung Gespräche und Konsultationen gegeben. Auch die Föderationsoberin der Augustiner-Chorfrauen, Schwester Beate Brandt, habe bestätigt, dass der Prozess transparent verlaufen sei.
Das Gelübde des Gehorsams sei laut dem Kirchenrechtler ein zentraler Bestandteil des Ordenslebens. Er verwies auf die Mahnung von Papst Paul VI. im Schreiben Evangelica testificatio von 1971, in dem der Papst betont habe, dass sich Ordensleute nicht vorschnell auf ihr Gewissen berufen, sondern in ehrlichem Dialog mit ihren Oberen stehen sollten.
„Wenn dieser dann eine Entscheidung trifft, sind sie daran gebunden“, sagte Tibi. Der Kirchenrechtler machte zugleich deutlich, dass Gehorsam nicht als „blinder“ Gehorsam zu verstehen sei. Vielmehr bedeute er, gemeinsam gefasste Beschlüsse mitzutragen, auch wenn man anderer Meinung sei.
Im Fall Goldenstein hätten die Nonnen laut Tibi jedoch gegen diese Grundverpflichtung verstoßen. Ihre Rückkehr ins Kloster sei ein bewusster Akt des Ungehorsams gewesen.
Tibi betonte: „Die drei Augustiner-Chorfrauen von Goldenstein haben – wenn die Medienberichterstattung stimmt – tatsächlich ihr Gehorsamsgelübde gebrochen.“
Die Verantwortung für die aktuelle Situation sieht der Kirchenrechtler daher nicht mehr beim Propst, sondern bei jenen, die den Nonnen geholfen hätten, in das Kloster zurückzukehren: „Ich frage mich schon, welcher Anteil dieser ganzen Aktion wirklich Eigeninitiative der Schwestern war – und wie viel von außen kam. Denn ohne Unterstützung hätten sie das wohl kaum so durchziehen können oder wären vielleicht gar nicht ernsthaft auf diese Idee gekommen“, sagte Tibi.
Eine Lösung für den festgefahrenen Konflikt sieht der Kirchenrechtler derzeit nicht: „Die Schwestern sagen, sie wollen bleiben. Wäre ich ihr Oberer, würde ich ihnen aber keinesfalls offiziell gestatten, im Kloster weiterzuleben – das wäre einfach zu gefährlich.“ Er fürchte, erst ein ernster Vorfall wie ein Sturz oder ein Krankenhausaufenthalt könnte die Situation verändern.





